Der entschwundene Sommer

  • Diana
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Diana, 2014, Titel: 'Der entschwundene Sommer', Originalausgabe
Der entschwundene Sommer
Der entschwundene Sommer
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Rita Dell'Agnese
891001

Histo-Couch Rezension vonMär 2014

Mit dem Krieg wird alles anders

Für die beiden Freundinnen Corinna und Beatrice sind es die letzten Tage ihrer Kindheit, die sie in diesem Sommer zusammen verbringen können. Corinna ahnt, dass ihr Leben nach diesen Sommertagen ganz anders verlaufen wird. Denn als Tochter einer einfachen Küchenangestellten hat sie wenig anderes zu erwarten als ein Leben voller Arbeit. Auch Beatrice wird sich dem Leben als Erwachsene stellen müssen, doch sieht dieses für sie um einiges komfortabler aus. Denn sie ist die Tochter des Hotelbesitzers und muss sich einzig Gedanken darüber machen, einen passenden Mann zu finden, der das Hotel im Sinne ihrer Eltern weiterführen wird. Doch Beatrice hat ihr Herz längst an Johannes von Thalheim verloren. Er aber gehört einer ganz anderen Gesellschaftsschicht an – eine Verbindung mit Beatrice würde von seiner Mutter niemals geduldet. Johannes selbst versucht, sich aus dem starren Gefängnis zu befreien, das seine Herkunft für ihn bedeutet. Er träumt davon, Koch zu werden und Beatrice zu heiraten. Da verändert sich mit einem Schlag die Welt für alle Beteiligten. Der österreichische Thronfolger wird in Sarajewo erschossen, Krieg bricht aus. Sowohl Corinna als auch Beatrice müssen ihre Träume begraben und sich einer Realität stellen, die sich wesentlich schneller verändert, als die beiden jungen Frauen verstehen können. Viele Jahre später erbt die junge Mia – eine Nachfahrin von Corinna - unerwartet das Hotel am See. Zunächst steht sie dem Erbe ablehnend gegenüber, doch je mehr sie sich damit befasst, desto mehr nimmt die Geschichte ihrer Großmutter Corinna sie gefangen.

Starkes Gesellschaftsbild

Mit ihrem Roman bietet Rebecca Martin gleich zwei gelungene Storys. Zum einen ist es die Geschichte einer Freundschaft, die sich über die Jahrzehnte hinweg halten kann und ihre Nachwirkungen selbst auf die Nachfahren hat. Zum anderen aber – und dieser Part ist noch ungleich intensiver als die Geschichte von Corinna und Beatrice – lässt Rebecca Martin die Jahre nochmals auferstehen, in denen die gesamte Gesellschaftsordnung durcheinander gewirbelt worden ist und durch einen brutalen Krieg eine völlig neue Welt entstanden ist. Äußerst geschickt stellt die Autorin das Gefüge dar, in dem die jungen Protagonisten gefangen sind. Ob es sich um Corinna handelt, deren berufliche Entwicklung durch ihre Herkunft enge Grenzen gesteckt sind, oder um Beatrice, die in ihrer Stellung als Hotelierstochter zwar eine rosige Zukunft vor sich hatte, aber niemals zu den oberen Zehntausend gehörten konnte: Beide Frauen träumen vom großen Glück an der Seite des geliebten Mannes. Brisanz bringt die Autorin dadurch hinein, dass sie denselben Mann lieben – und er aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung über den beiden Frauen steht und sich mit keiner von ihnen einlassen dürfte. Das Bild, das Rebecca Martin hier entwirft, zeigt auf, wie sich schon vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Ordnung langsam verschiebt und immer mehr junge Leute dagegen aufbegehren, die von Generationen gesteckten Grenzen einzuhalten.

Besondere Art der Erzählung

Um ihre Geschichte zu erzählen, hat Rebecca Martin sich auf eine Story mit zwei Zeitebenen festgelegt. Sie erzählt das Schicksal von Beatrice und Corinna ab dem Jahr 1912, lässt das Publikum Schritt für Schritt nachvollziehen, was der Krieg mit den beiden macht und welche Veränderungen die Zeit mit sich bringt. Zugleich setzt sie in der Gegenwart die junge Mia als ahnungslose Hotelerbin ein, die sich nach und nach die Geschichte ihrer Großmutter erarbeiten muss und dabei feststellt, dass sie viel zu schnell mit Vorurteilen gegenüber der Großmutter zur Hand gewesen ist. Diese besondere Art der Erzählung ist eindringlicher, als es der Leser zunächst wahrnimmt. Denn durch die verschiedenen Protagonisten kommt er jeweils sehr intensiv mit der Geschichte und den damit verknüpften Gefühlen der Personen in Kontakt. Es zeigt sich ihm dadurch ein vielfältiges Bild, das mit einigen Höhen und Tiefen versehen ist, so dass es lebendig und anziehend bleibt.

Überzeugende Story

Obwohl in einzelnen Bereichen schnell klar ist, welche Geschichte hinter der aktuellen Situation steckt, hat der Leser nie den Eindruck, dass er schon zu viel weiß und die Spannung verloren geht. Rebecca Martin hat zu keinem Zeitpunkt die Situation überzeichnet oder zu dick aufgetragen – sie wirkt mit ihrer ganzen Story überzeugend und real. Dadurch vermittelt sie den Lesern ein eindrückliches Portrait einer Zeit, die nicht nur die gesellschaftlichen Weichen Europas gestellt hat. Dass sie darauf verzichtet, eine zu süße Liebesgeschichte einzubauen, wirkt sich auf die Qualität des Romans positiv aus. Sie präsentiert eine Gesichte mit Tiefgang, die noch lange nachwirkt.

Der entschwundene Sommer

Rebecca Martin, Diana

Der entschwundene Sommer

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