Die Frau des Täuferkönigs

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Aufbau, 2013, Titel: 'Die Frau des Täuferkönigs', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
871001

Histo-Couch Rezension vonNov 2013

Temporeicher und lustvoller Ausflug ins Münsteraner Täuferreich

Im Jahr 1534 wüteten die Wiedertäufer in Münster und schotteten sich ab, um ein neues Königreich, ein neues Jerusalem in der Stadt zu errichten. Zeitgleich trifft im nicht weit entfernten Osnabrück der Gaukler Emanuel Malitz mit seiner Trupp ein, um die Menschen zu erfreuen, ihnen gefälschte Reliquien zu verkaufen und irgendwelche Heilsäfte, die unbedingte Gesundheit bringen sollen.

Doch als sie vom Gutsherrn Everhard Clunsevoet bei ihren Betrügereien erwischt werden, stellt er sie vor die Wahl: Entweder er tötet sie, oder sie holen seine Tochter Amalia aus der besetzten Stadt Münster heraus und retten sie vor den Wiedertäufern.

Emanuel und seine Leute, begleitet von Cort, einem von Clunsevoets Männern, haben nun das Problem, in die befestigte Stadt hineinzukommen und dort die Tochter zu finden. Als sie es geschafft haben, stellen sie fest, dass sie inzwischen mit dem Anführer der Wiedertäufer, Jan Bockelson, als seine vierzehnte Frau verheiratet ist. Und herauskommen aus Münster müssen sie auch noch irgendwie. Und vor den Stadtmauern lauert der Bischof mit seinen Truppen, um die Stadt zu stürmen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Betrügerische Gaukler als Romanhelden

Michael Wilcke kehrt in seinem jüngsten Roman zurück nach Westfalen, wo sich im Jahr 1534 die Wiedertäufer in Münster verbarrikadiert haben und niemand herein- oder herauskommt. Zur selben Zeit ist der Gaukler Emanuel Malitz gemeinsam mit seinen Gefährten, dem Medicus Reinold, seiner Tochter Mieke und seiner Lebensgefährtin Jasmin, in Osnabrück unterwegs und schlägt er sich mehr schlecht als recht durch. Er verkauft den Menschen falsche Reliquien, um sich und die seinen über Wasser zu halten, dazu verkauft Reynold eine Medizin, bei der es ein Wunder wäre, wenn jemand dadurch geheilt würde.

Alle diese Personen sind dem Leser von Beginn an sympathisch, da sie nichts böses im Sinn haben. Wilcke nutzt Emanuel als Ich-Erzähler und gibt dem Leser somit die Gelegenheit, noch enger an der Truppe dran zu sein und deren Sorgen und Begierden kennen zu lernen.

Kein wirklicher Bösewicht vorhanden

Bei einer ihrer Darbietungen begegnen sie auch dem Gutsherrn Everhard Clunsevoet, der sie jedoch schnell als Scharlatane entlarvt, als sie sein Haus niederbrennen. Doch Clunsevoet entdeckt in Emanuel und seinen Leuten auch ein gewisses Talent, sich durchzuwuseln, und so entsinnt er einen Plan, der die Gaukler noch schwer zu schaffen machen wird. Entweder er liefert die Betrüger der Stadtwache aus, was ihren Tod bedeuten würde, oder sie stehlen sich nach Münster hinein, wo gerade die Wiedertäufer wüten, und befreien seine Tochter Amalia aus der Stadt. Als Zeugen und Helfer gibt er ihnen seinen besten Mann, den Hünen Cort mit, der auch mal ordentlich hinlangen kann.

Durch Zufall und List schaffen sie es nach Münster rein, wo sie zunächst einmal Amalia finden müssen, was sich als nicht so einfach erweist, und schließlich haben sie auch nicht unendlich viel Zeit. Hier schlägt die Stunde des Autors Michael Wilcke, der sich eingehend mit der Stadtgeschichte Münsters und der Geschichte der Wiedertäufer beschäftigt hat. Auch Nicht-Münsteraner werden schnell in die Geschichte einweiht, als die Wiedertäufer in Münster ein neues Jerusalem errichten wollten und sie als einzige den Tag der Apokalypse überleben sollten. Jeder Bürger sollte sein Hab und Gut der Gemeinschaft zur Verfügung stellen, und da Frauen am meisten essbares hatten, wo die Männer schon tot oder desertiert waren, durften die übriggebliebenen Männer in Münster mehrere Frauen heiraten, damit deren Besitz in ihren übergehen konnte. Das sind interessante Regeln und Taktiken, die historisch verbürgt sind, und Wilcke verwebt sie in eine launige Geschichte, die mit vielen ungewöhnlichen, aber belegten Fakten gespickt ist wie einer Erdwalze, die die Männer des Bischofs von Waldeck außerhalb der Stadt angelegt hatten, um sich der Stadt nähern zu können, ohne zu grosse Verluste hinnehmen zu müssen.

Gute Mischung

Die Frau des Täuferkönigs ist im Grunde genommen eine Abenteuergeschichte im historischen Gewand. Dieses Gewand steht dem Roman allerdings ziemlich gut. Wilcke schreibt temporeich, launisch und mit viel Humor. Das lässt zwar einigen Tiefgang vermissen, kommt aber dafür der Dramaturgie zugute. Im Roman gibt es keine Löcher, er ist wie aus einem Guss geschrieben, wenngleich er kein Parforceritt ist. Wilcke versteht es durchaus, Nuancen zu zeichnen und ruhige Momente einzuflechten, gut abgemischt mit schnelleren und intensiveren Szenen oder auch nur Beschreibungen von Stadt, Moral und den historischen Umständen.

Zwei Karten Münsters und ein Nachwort ergänzen einen gelungenen Roman, der sich flott lesen lässt und Lust darauf macht, mehr über das Täuferreich in Münster zu erfahren. Der Autor vermischt historische Fakten geschickt mit einer mitreissenden Geschichte, die zwar oft nur an der Oberfläche bleibt, dem Leser aber ein paar unbeschwerte und amüsierende Lesestunden beschert. Das Buch hat ordentlich Tempo und Humor und bringt dem Leser trotzdem das Täuferreich so nahe, als wäre man selber dabei gewesen. Der Roman ist spannend, humorvoll, geizt nicht mit überraschenden Szenen und ist zudem lehrreich, das beste also, was man von einem historischen Roman erwarten kann. Möge ihm eine breite Leserschaft beschieden sein.

Die Frau des Täuferkönigs

Michael Wilcke, Aufbau

Die Frau des Täuferkönigs

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