Mord im Tiergarten

  • Emons
  • Erschienen: Januar 2013
  • 9
  • Emons, 2013, Titel: 'Mord im Tiergarten', Originalausgabe
Mord im Tiergarten
Mord im Tiergarten
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonOkt 2013

Auf der Jagd nach dem Serienmörder

1896. Im Berliner Tiergarten wird im Affenkäfig eine Leiche gefunden, die grausam zugerichtet wurde und aufgrund dessen geht die Polizei von einem Ritualmord aus. Um dem Täter auf die Spur zu kommen, bittet die Polizei den Kriminologen Dr. Otto Sanftleben, ihnen zu helfen.

Gemeinsam mit seinem Freund und Ziehsohn, dem Schwarzen Moses, macht er sich auf, um Informationen einzuholen und gerät schnell an Professor von Trittin, der ihn auch gleich zu einem Segelduell herausfordert, das Sanftleben annimmt, obwohl er noch nie in einem Segelboot gesessen hat. Trittin taucht auch immer wieder auf, als Sanftleben in ein Netz aus Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus eintaucht.

Über die Deutsche Kolonialausstellung treffen sie auf einen Herero-Prinzen und auf Igraine, eine alte Bekannte von Sanftleben, der nach seiner letzten Episode wieder Single ist. Verliebt er sich wieder in eine Zeugin? Da wird ein zweites Opfer eines Ritualmordes gefunden, und plötzlich ist Eile geboten, wenn man verhindern will, das weitere Morde geschehen.

Spannender zweiter Fall

Nach Mord unter den Linden schickt Tim Pieper seinen Kriminologen Dr. Otto Sanftleben sechs Jahre später ein zweites Mal im Berlin der Kaiserzeit auf Ermittlungstour. Angefragt durch die Berliner Polizei in Form von Kommissar Funke, gerät Sanftleben schnell in Kreise, die den Antisemitismus mit Leib und Seele leben. 

Tim Pieper verschont den Leser nicht und lässt Herren mit Parolen um sich werfen, bei denen man heute bestenfalls nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Auch in den eigenen Reihen der Polizei finden sich Antisemiten, und da deren Anhänger aus dem Boden wachsen wie die Pilze, ist es schwer, ihrer Herr zu werden. Sanftleben weiß letztlich nicht, wo er genau ansetzen soll, doch dann beleidigt Professor von Trittin seinen Freund Moses, und nachdem ein Wort das andere gegeben hat und Sanftleben nicht aufgibt, sieht er sich unverhofft zu einem Segelduell eingeladen, obwohl er selber noch nie gesegelt ist. Fortan werden seine Gehversuche im Segeln seine Untersuchungen begleiten.

Wechsel in der Erzählperspektive

Immer im Wechsel zu den Ermittlungen von Sanftleben oder auch Kommissar Funke gibt es Kapitel, die aus der Sicht des Täters erzählt werden. Man merkt schnell, dass dieser in einer anderen Welt lebt und seinen Wahnvorstellungen folgen muss. Allerdings wird nicht aufgelöst, wer er ist. Geschickt stellt Pieper dem Leser die eine oder andere Falle und präsentiert eine handvoll Verdächtiger, wobei man bei jedem überlegt, ob er denn der Mann aus der anderen Erzählperspektive sein kann. Doch sollte man sich seines Urteils nie zu sicher sein.

Kommt der Mordfall, der sich bald zu einer Mordserie ausweitet, schon recht spannend und aufreibend daher, so versteht es der Autor vor allem auch, den Leser in die Zeit des Endes des 19. Jahrhunderts zu holen. Pieper malt ein authentisches und hervorragendes Bild der Zeit, in die man sich gut hineinversetzen kann, ob man will oder nicht. Allein die Kolonialausstellung, die heutzutage mehr Kopfschütteln als Anerkennung hervorruft, ist ein interessantes Detail.

Otto und die Frauen

Otto Sanftleben hat aber nicht nur einen Fall zu lösen und ein Segelduell auszusegeln, sondern auch noch ein Privatleben auszufüllen. Er trifft mit Igraine Raab eine alte Bekannte wieder, die auch scheinbar irgendwie in den Fall verstrickt zu sein scheint, oder auch nicht, das bleibt sich herauszufinden. Hatte sich Otto bereits im Vorgänger in eine Zeugin verliebt, mit der er dann zunächst liiert war, zu Beginn des Romans aber wieder getrennt ist, besteht hier erneut die Gefahr, dass er sich verbotenerweise in eine Zeugin verliebt. Er hat auch das Fahrradfahren aufgegeben oder betreibt es nicht mehr mit der Energie, die ihn noch im ersten Roman ausgezeichnet hat. Nun, man wird älter und reifer, und man hat dazugelernt. Doch hilft ihm das auch bei den Ermittlungen?

Tim Pieper hat mit Mord im Tiergarten erneut einen spannenden und kurzweiligen Kriminalroman vorgelegt, der den Leser in das Berlin der Kaiserzeit holt und der ein diffiziles Sujet zum Thema hat. Pieper fasst ein heisses Eisen an, aber er präsentiert es dem Leser gekonnt und lässt die "Bösen” auch entsprechend dafür büßen - wenngleich die Geschichte gezeigt hat, dass das Ende der Fahnenstange leider noch lange nicht erreicht war. Aufgrund der "nur” 250 Seiten legt Pieper ein hohes Tempo vor und kann dies auch durch den gesamten Roman halten, Spannung inklusive. Dabei muss man den ersten Fall nicht gelesen haben, aber dessen Wissen erhöht die Gelegenheit auf einige Wiedererkennungswerte.

Mehr davon!

Allerdings wären ein paar historische Anmerkungen für den Leser interessant gewesen, um das eine oder andere Thema etwas mehr beleuchten zu können. Die wenigen Anmerkungen im Anhang sind zwar aller Ehren wert, aber in keinem Fall ausreichend. 

Bleibt zu hoffen, dass Tim Pieper sein Ermittlergespann um Dr. Otto Sanftleben noch einige weitere Male ins Feld schicken darf. Historische Krimis aus der Kaiserzeit und aus der Zeit der Weltkriege sind derzeit "in”, und das Sujet bietet noch eine Fülle von Möglichkeiten. Hier darf der Emons-Verlag gerne nachlegen. Lobenswert auch die zeitgenössische Abbildung auf dem Cover, die dem Leser gleich zeigt, in welchem Rahmen hier ermittelt wird. Hervorragend, spannend, mehr davon!

Mord im Tiergarten

Tim Pieper, Emons

Mord im Tiergarten

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