Der Gaukler

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2013
  • 10
  • Lübbe, 2013, Titel: 'Der Gaukler', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonSep 2013

Gelungene Vierecksgeschichte während des Dreißigjährigen Krieges

Man schreibt das Jahr 1622, der Dreißigjährige Krieg ist in vollem Gange. In Handschuhsheim in der Kurpfalz wachsen die protestantische Schneiderstochter Susanna und der katholische Bauernsohn Hannes gemeinsam auf, und als sie älter werden, verlieben sie sich ineinander und wollen auch heiraten. Doch Susannas Eltern sind strikt dagegen. Als Hannes in die Armee eingezogen wird, werden Treffen schwieriger, aber die Liebe der beiden hält an.

Als der Krieg die beiden noch weiter voneinander entfernt, geht Susanna nach Heidelberg, während Hannes in der weiten Welt Soldat ist. Als sie von seinem Tod erfährt, ist sie zutiefst betrübt und schließt sich bei einem Sturm auf die Stadt einer Gauklertruppe an. Der Gaukler David hat sie bereits beobachtet und sich in sie verliebt, und so stellt er ihr nach und schafft es, sie aus der brennenden Stadt zu retten. Fortan zieht sie mit den Gauklern als Schneiderin durch die Lande.

Doch hat sich auch Maximilian von Herzenburg in die Frau verliebt, als er eine Komödie der Truppe gesehen hat. Er zerstörte einst mit seinen Truppen ihr Heimatdorf Handschuhsheim, wobei auch Hannes seine Familie verloren hatte. Durch Zufall erfährt Hannes während seiner Kriegszüge davon und will nur noch Rache für den Tod seiner Familie. Und dann erfährt er, dass auch Susanna noch am Leben ist, doch die wurde inzwischen vom Gaukler David geheiratet ...

Von Gauklern und Schauspielern

Es geht ordentlich rund in Thomas Ziebulas Debütroman Der Gaukler. Mühelos schafft er es, den Leser in seinen Bann zu ziehen und die Zeit des Dreißigjährigen Krieges auferstehen zu lassen. Dabei beschreibt er nicht die brutalen Schlachten der Zeit, sondern beschränkt sich vielmehr auf das Volk, vor allem auch auf das fahrende. Nachdem David zunächst bei einer Gauklertruppe war, wo er auch einen Tanzbären hatte, wechselt er zu einer englischen Schauspieltruppe, wo er sein Talent besser zum Tragen kommen lassen kann. Er nimmt Susanna mit, und durch die Fahrten durch die Lande bekommt der Leser ein ansprechendes Bild der Zeit geliefert, quer durch Europa, unter den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges.

Der Roman hat eigentlich vier Protagonisten. Neben Susanna, die sehr unter dem Verlust von Hannes leidet und sich David nur sehr zögerlich annähert, sind dies eben Hannes, der eine Karriere in der Armee macht und der immer weiß, dass Susanna noch lebt, wenngleich er sie nicht finden kann, was nicht nur mit seiner Armeetätigkeit zu tun hat. Er erkennt in Maximilian von Herzenburg den Mann, der sein Heimatdorf zerstört hat und somit auch alle Familien. Nach und nach schafft er es, einige Schuldige zu töten, doch Maximilian steht weiter ganz oben auf seiner Liste.

Ein vielschichtiger Bösewicht

Maximilian von Herzenburg hingegen ist ein junger Mann, dessen Vater ein hohes Tier in der Armee ist und dessen Cousine auch seine Geliebte ist. Dennoch gehen ihm die blauen Augen Susannas nicht aus dem Kopf und er schwört sich, dass sie irgendwann ihm gehören wird. Somit hat Ziebula einen völlig unsympathischen Antagonisten für die drei anderen geschaffen, in dem sich der Zorn der drei unwissend voneinander vereint. Ziebula schafft hiermit eine interessante Ausgangssituation für seinen Roman.

Durch den häufigen Perspektivwechsel zwischen den vier Figuren bleibt die Gesichte immer lebendig und wird nie langweilig. Allerdings sind durch viel ausformulierte Geschichte und einiges an Schlachtenerklärung und Kriegsverlauf auch einige Längen auszumachen, die vielleicht in dieser Ausführlichkeit nicht hätten vorkommen müssen. Das gibt dem Autor zwar die Möglichkeit, Leute wie Tilly und Wallenstein persönlich auftreten zu lassen, allerdings wäre das in dieser Breite für die Handlung nicht nötig gewesen, auch wenn der historische Hintergrund sehr lehrreich ist.

Auch sprachlich bemüht sich der Autor, die Zeit einzufangen, und so gibt es immer wieder Formulierungen und Satzkonstruktionen wie zur damaligen Zeit, was es dem Leser das Eintauchen in Handlung und Charaktere enorm erleichtert, wenngleich es für manche Leser vielleicht ungewohnt und gewöhnungsbedürftig ist. Daher sollte man als Leser unbedingt am Ball bleiben, und das gilt nicht nur aus sprachlichen Gründen. An manchen Stellen sind die Sprünge der Erzähleben doch verwirrend und man weiß nicht sofort, wo man gerade ist und was mit der betreffenden Person als letztes passiert ist. Wer in der Lektüre zu lange pausiert, der könnte leicht den Faden verlieren.

Das fahrende Volk

Interessant sind auch nicht nur die Lebensarten der Zeit, sondern auch die Einblicke in das Leben des fahrenden Volks, hier anhand einer englischen Theaterwandertruppe, denen der Autor mit diesem Roman ein Denkmal setzen wollte. Auch wenn deren Leiter Thomas Greenley keine historische Figur ist sondern wohl mehr eine Zusammenstellung aus mehreren Truppenführern, so bietet der Roman doch eine bunte Palette an Situationen, wie so ein Leben vor sich ging, von den Erfolgen und Misserfolgen an verschiedenen Orten über finanzielle Sorgen und die Strukturen der Programmplanung bis zu den Bearbeitungen der Stücke und den Reiseplanungen und Aufführungsorten. Daher kann die Intention des Autors, den Schauspielern ein Denkmal zu setzen, als gelungen betrachtet werden.

Der Roman wird ergänzt durch eine Karte der Reiseroute der Gaukler und einem dreiseitigen Nachwort. Ein Personenverzeichnis, gerade im Hinblick auf die Kriegsschauplätze, hätte dem Leser sicherlich an der einen oder anderen Stelle geholfen. Kleinere Tippfehler sind dem Lektorat anzulasten.

Insgesamt ist Thomas Ziebula ein erstaunliches Debüt gelungen, das allerdings einige militärische Längen aufweist. Durch eine spannende und bunte Vierecksgeschichte gelingt es dam Autor, den Leser in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu versetzen und ihm das Leben der Zeit und das der Theatertruppen insbesondere in den Fokus zu rücken. Man darf auf weitere Romane aus der Feder des Autors gespannt sein.

Der Gaukler

Thomas Ziebula, Lübbe

Der Gaukler

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