Zu feindlichen Ufern

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Lübbe, 2012, Titel: 'A Ship of War', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
891001

Histo-Couch Rezension vonSep 2013

Ein stürmischer Roman, spannend und unterhaltsam

England, 1793. Während in Frankreich, dem Erzfeind Englands, die große Revolution tobt und gelegentliche Schreckensnachrichten auf die Insel gelangen, wartet Charles Hayden mit seinem Schiff Themis darauf, endlich wieder auslaufen zu dürfen und die eine oder andere Prise zu machen. Er ist hoch verschuldet, und zu Hause wartet seine Henrietta darauf, dass er ihr einen Heiratsantrag macht.

Da erhält Hayden den geheimen Auftrag, in Le Havre nachts einen Spion an Bord zu nehmen und dessen Informationen entgegen zu nehmen. Dieser berichtet, dass Frankreich unmittelbar vor der Invasion Englands steht. Hayden soll die Botschaft der britischen Admiralität überbringen, wird jedoch auf der Rückfahrt von mehreren französischen Schiffen gestellt. Ein sturmartiges Unwetter sorgt für weiteres Unbehagen, und so zerschellt sein Schiff und er wird gemeinsam mit seinen Offizieren an Bord eines französischen Schiffes gebracht.

Währenddessen sorgt sich seine fast-Verlobte an Land um Hayden, doch Hayden ist nicht der einzige, der um sie wirbt. Ein Jugendfreund aus alten Tagen, Frank Beacher, macht ihr den Hof und bittet um ihre Hand. Als Henrietta von dem Sturm erfährt, bei dem die Themis zerschellte und Hayden nicht gefunden wurde, ist sie am Boden zerstört. Ist das die große Chance für Beacher, und wird Charles rechtzeitig nach England zurückkehren können, um seine Geliebte in die Arme zu schließen? Und dann ist da ja noch sein Auftrag&

Gelungene Fortsetzung

Sean Thomas Russell hat mit seinem dritten Roman aus der maritimen Reihe um den Kapitän zur See Charles Hayden erneut einen spannenden Roman vorgelegt, der Freunden des Genres die Finger lecken lässt. Es gibt ergreifende Szenen auf See, vor allem im Ärmelkanal, dich in diesem Roman gibt es mit dem Geschehen in England um Henrietta einen zweiten, nahezu gleichberechtigten Schwerpunkt.

Russell lässt seinen Helden alles miterleben, was ein Seemann nur ertragen kann. Verfolgt von einem, dann zwei, am Ende fünf französischen Schiffen und der unmöglichen Aussicht, vielleicht doch in einem Nebelfeld untertauchen zu können, wird die Flotte von einem Sturm schwer getroffen und Hayden und sein Schiff Themis gerät in aussichtslose Situation. An diesen maritimen Stellen erweist sich Russell als hervorragender Beobachter, der es versteht, dem Leser das Leben an Bord mit seinen Möglichkeiten, seiner Hierarchie an Bord und dem entsprechenden britischen Understatement nahe zu bringen. Gebannt verfolgt der Leser das Geschehen an Bord und leidet mit, auch wenn es der Autor gelegentlich mit nautischen Fachbegriffen sehr gut meint und der Leser ein ums andere Mal im Glossar nachschlagen muss, wenn er alles verstehen will. Hier wären Fußnoten weniger mühsam für den Lesespaß gewesen, vielleicht eine Anregung für weitere Abenteuer. Doch auch wenn der Leser nicht alle Handgriffe sofort versteht, so ist ihm doch die Not nur zu bewusst, in der sich die Mannschaft befindet.

Zwei Erzählhandlungen

Als Kontrast zu den Geschehnissen auf See und den weiteren Geschichten um Charles (mehr soll hier nicht verraten werden) beleuchtet der Autor in diesem dritten Band das Leben der Daheimgebliebenen an Land umso ausführlicher. Während Charles um sein Leben und das seiner Männer kämpft, kämpft Henrietta Carthew um ihre Liebe zu Charles. Als die Nachricht seines vermeintlichen Todes eintrifft, sieht ihr Freund aus Jugendtagen Frank Beacher seine Zeit gekommen, nach der Zeit des Anstands seinen lange gehegten Gefühlen Ausdruck zu verleihen und Henrietta um ihr Hand anzuhalten. Gleichermaßen überrascht wie geschockt erbittet sie sich Bedenkzeit und kann sich erst nicht dazu durchringen, den Antrag anzunehmen. Doch Charles scheint für immer verloren, und Beacher wäre ihr bestimmt ein guter Mann, den sie vielleicht sogar irgendwann lieben würde, man wird sehen. Umrahmt von vielen Familienmitgliedern wie ihren mit Rat und Tat zur Seite stehenden Cousinen fällt sie eine Entscheidung, verwirft sie wieder und alles wieder von vorn. Beinahe übertreibt es der Autor ein wenig damit, die Entscheidung knapp mit Charles Wiederauftauchen zusammenzubringen. Doch wie fällt ihre Entscheidung aus?

Mit den zwei gegensätzlichen Erzählsträngen Hat Russell zwei Situationen geschaffen, die dem Leser wohl bekannt sein dürften, die aber wohl selten so intensiv geschildert werden. Da wirkt das Geschehen um Henrietta zunächst als völlige Bremse gegenüber der Not auf See, und das Ganze wirkt noch umso schleppender, als dass das Leben in England in besagten Kreisen an sich nicht sehr spannend ist, die Sprache gestelzt und der Sinn für Moral und Anstand über jeglicher zeitlichen Vorstellung liegt. Seitenweise passiert nichts bis gar nichts, man verabredet sich für Spaziergänge, mit und ohne Anstandsdame, und so plätschert alles irgendwie vor sich hin. Umschalten, Unwetter, Sturm auf See, Schiffe mehrerer Länder in Lebensgefahr. Die See fordert Opfer, bekannte wie unbekannte. Ein Kontrast wie im Film. Ein Buch wie ein Film.

Gute Historiendarstellung, feine Sprache

Mögen die Szenen um Henrietta zu Beginn auch zäh und langweilig wirken, so zeigen sie doch das Leben der englischen Gesellschaft auf, und dies versteht Sean Thomas Russell hervorragend. Wer mehr über britische Sitten und Gebräuche um das Ende des 18. Jahrhunderts erfahren will und zudem eine spannende maritime Geschichte dazu haben will, der wird mit dieser Lektüre zufrieden gestellt werden.

Die Lektüre der beiden Vorgängerromane ist nicht zwingend notwendig, kann aber generell empfohlen werden. Grundsätzlich bewegt sich der Autor geschickt und gekonnt in den Fußstapfen eines C. S. Forester, dem Schöpfer der legendären Hornblower-Reihe. Sprachlich fühlt man sich als Leser wohl und geborgen und kann die feine Übersetzung voll geniessen. Ein vierter Teil ist bereits erschienen, was Hoffnung auf noch mehrere weitere macht. Ein ausführlicher Glossar bereichert den Roman um ein Notwendiges. Auch das passende und ansprechende Coverbild soll hier lobend erwähnt werden,, kommt es doch dem Inhalt und Originalcovern nahe und steht damit in erfreulichem Kontrast zu den derzeit im deutschsprachigen Raum sich häufenden Covern mit halben realen Menschenabbildungen.

Man merkt dem Autor an, dass in seinen Beschreibungen der Teile des Romans, die auf See spielen, sein Herzblut liegt. Doch auch der Rest ist, wenngleich sehr kontrastreich, umso beeindruckender, wenn man die Kombination als solche betrachtet. Spannend und äußerst unterhaltsam. Mehr davon!

Zu feindlichen Ufern

Sean Thomas Russell, Lübbe

Zu feindlichen Ufern

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