Das Böse im Blut

  • Liebeskind
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Liebeskind, 1997, Titel: 'In the Rogue Blood', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonSep 2013

Ein eindrucksvoller Western

Die beiden Brüder John und Edward Little wachsen gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Maggie bei ihren verkommenen Eltern auf.  Man schreibt das Jahr 1842, die Familie lebt in Georgia, und der Vater ist brutal und kennt keine Kompromisse, wenngleich er seinen beiden Jungs viel über die Natur und das Handwerk beibringt. Die Mutter ist eine verkrachte Person und wird gezüchtigt, wie auch die Tochter vom Vater geschlagen wird und noch andere Dinge mehr. Als der Vater eines Abends einen Mann ersticht, der bei einem Tanzfest wagte, seine Frau aufzufordern, flieht die Familie in die Sümpfe Floridas, wo sie von nun an einsam und versteckt leben.

Nach einem furchtbaren Streit flieht die Tochter, und John tötet seinen Vater, während die Mutter die Maultiere schnappt und sowohl die Tochter als auch die Söhne belügt und auf nimmer Wiedersehen verschwindet. John und Edward ziehen los, um ihr Glück an der Grenze zu Mexiko zu finden, wo gerade Texas auf dem Weg ist, ein Staat der USA zu werden und die Chancen auf einen Neuanfang besonders groß sind. Mithilfe ihres Verstandes und ihrer Waffen schlagen sie sich durch, stets heimgesucht von Alpträumen über ihren Vater.

Unglücklicherweise trennen sich ihre Wege zufällig in New Orleans, und jeder der beiden erlebt nun seine eigene Geschichte. Immer wieder rohe Gewalt anwendend und erleidend, verschlägt es sie auf gegnerische Seiten im Mexikanisch-Amerikanischen Bürgerkrieg. Plötzlich stehen sie sich gegenüber und dürfen nicht zu erkennen geben, dass sie Brüder sind. Doch der Krieg kennt kein Erbarmen.

Nichts für schwache Nerven

Schon das Cover der Neuauflage des Romans im Liebeskind-Verlag verspricht einen knallharten Western, und der Inhalt des Buches wird dem auch auf jeder Seite gerecht. James Carlos Blake ist ein Meister der Worte und spart nicht mit realistischen Darstellungen von Gewalt und dem Leben der Zeit. Keine Karl-May-Romantik, sondern eine Beschreibung des tatsächlichen Lebens der kleinen Leute, der Gauner und Betrüger, und einigen Gründen, warum sie so sind, wie sie sind.

Zu Beginn des Romans führt der Autor die Familie und vor allem die Geschichten der Eltern von John und Edward ein, an denen man ablesen kann, dass Brutalität und häusliche Gewalt einfach dazugehören in dieser Zeit. Man trägt eine Waffe, die recht locker sitzt und mit der man sich auch gelegentlich zur Wehr setzt, einfach die natürlichste Sache der Welt. Gewalt wird nicht verherrlicht, sie gehört einfach zum Alltag dazu, und das ist ein großer Unterschied.

Das Schicksal zweier Brüder

Als John mehr oder weniger im Affekt seinen Vater tötet und die beiden Brüder auf einmal allein sind, merken sie, dass sie zudem frei sind und tun und lassen können, was sie wollen. Dabei sind beide noch keine zwanzig Jahre alt, Edward als der jüngere noch ein Teenager und beide letztlich noch grün hinter den Ohren. Doch ihr Vater hat ihnen das Handwerk beigebracht, und so sind sie beide als Zimmermänner oder Schlachter unterwegs und verdienen sich so Geld, Essen und einen Schlafplatz. Auch die eine oder andere Hure ist mal im Budget enthalten, was genauso dazugehört wie alles andere auch. Die Realitäten waren anders als heute.

Brutal und beeindruckend

Als sich die Wege der beiden trennen, ist das Leben eigentlich nicht schlecht zu ihnen gewesen. Sie haben ein bisschen Geld und wollen sich ein Stück Land kaufen und dort eine Sägemühle bauen, denn das ist es, was einen Mann zu einem Mann macht: Wenn er etwas eigenes hat, das ihm keiner nehmen kann und das aus seiner eigenen Hände Kraft stammt. Doch hat das Schicksal für beide andere Pläne.

Wie Blake beschreibt, was sie alles getrennt voneinander erleben, Das ist spannend und packend und doch auch zugleich abstossend und sicher nichts für zarte Gemüter. Er spart in seinen Beschreibungen nicht mit Details, aber ohne Wertung, sondern einfach nüchtern realistisch, wie man den Mann gegenüber abknallt, jemandem ein Messer ins Auge treibt oder den Indianern den Skalp abschneidet. Einfach so, wie es ist, manchmal mit den passenden Geräuschen dazu, nüchtern, brutal, wie im echten Western, wie ihn Karl May nie gesehen hat. Das ist bestimmt nicht jedermanns Sache, und man sollte vor der Lektüre wissen, worauf man sich einlässt, aber wenn man dies tut, wird man einen Wilden Westen kennen lernen, wie man ihn höchstens aus den alten Filmen aus den 50ern und 60ern kennt, mit Steigerungspotenzial.

Und wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, setzt irgend jemand immer noch einen drauf, wie eine Szene zeigt, in der John zu fünfzig Peitschenhieben verurteilt wurde:  

 

"Wie Riley war John nach dem fünfzigsten Hieb geschwächt, doch noch bei Sinnen. Will verdammt sein, wenns nicht so aussieht, als hätten Wölfe von dem Rücken des Jungen da gefressen," sagte ein Mann in Edwards Nähe, dessen Arm beim Ellbogen endete.

"Verdammt noch mal, so schlimm isses gar nicht", meinte ein anderer. "Ich hab Männer gesehen, die wurden bis aufs offene Rückgrat ausgepeitscht, und man konnte alle ihre Rippen sehen. Ich seh nicht viel Knochen an den Burschen hier. Die werden kaum ausgepeitscht, wenn du mich fragst."

 

Eine etwas andere Geschichtslektion

Neben der überall gegenwärtigen Realität Brutalität ist es aber auch die Historie, die diesen Roman lesenswert macht. Blake beschreibt einige Ereignisse, die im europäischen Geschichtsunterricht nicht erwähnt werden, wie den Beitritt von Texas zu den USA oder dem Mexikanisch-Amerikanischen Bürgerkrieg, der 1846 begann und zwei Jahre dauerte. Innerhalb dieses Krieges sind die Brüder unterwegs, in verschiedenen Banden, die entweder Mexikaner töten oder Indianer töten oder Indianer gegen vom Gouverneur ausgelobte Prämien skalpieren oder Yankees töten oder diejenigen töten, die einfach im Weg stehen oder einen blöden Kommentar abgeben. Es werden Bordelle aufgesucht, Gefängnisse beschrieben, Städte und Ortschaften durchritten und dabei schafft der Autor die passende Atmosphäre.

Die Denver Post urteilte: Die Romane von James Carlos Blake sind einzigartig, niemand schreibt so einfühlsam und zugleich so brutal. Und genau das ist es. Wer Western mag, die mehr im Stil von Deadwood von Pete Dexter sind als von Karl May, der wird hier hoch zufrieden gestellt werden. Allzu zarte Gemüter sollten allerdings ihre Finger von dem Roman lassen, denn er beschreibt schon sehr detailgenau über die Abgründe der menschlichen Seele. Denn die Brüder schiessen nicht wild um sich, sondern haben auch Gefühle und beeindruckende Situationen, die die Zeit und das Verhalten der Menschen einordnen und erklären. Ein Buch für Jungs, ganz klar, leider ohne jeglichen Anhang. Großartig für die, die es mögen, alle anderen sollten gar nicht erst zugreifen.

Das Böse im Blut

James Carlos Blake, Liebeskind

Das Böse im Blut

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