In Nomine Diaboli

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2013
  • 0
  • Gmeiner, 2013, Titel: 'In Nomine Diaboli', Originalausgabe
In Nomine Diaboli
In Nomine Diaboli
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Yvonne Schulze
651001

Histo-Couch Rezension vonSep 2013

Auf, dass der Leser etwas lerne!

Als im Herbst 1414 die damalige geistliche und weltliche Machtelite des christlichen Abendlandes zum größten kirchenpolitischen Konzil des Mittelalters am Bodensee eintraf, kamen mit ihr auch die kleinen Leute nach Konstanz, die sich im Schatten dieses Großereignisses gute Geschäfte und Verdienstmöglichkeiten erhofften. So trifft im Herbst 1414 auch der Bäckergeselle Cunrat Wolgemut in Konstanz ein, um seinem Onkel, dem Bäckermeister Katz, während des Konzils zur Hand zu gehen. Cunrat sieht sich bald den Nachstellungen seiner heiratswütigen Base Bärbeli ausgesetzt, und als er die Begine Gretli kennenlernt und sich in sie verliebt, muss Cunrat das Haus seines Onkels verlassen. Er trifft den Deutsch-Venezianer Giovanni Rossi, der mit ein paar Bäckergesellen von Venedig nach Konstanz gekommen ist und dem sich Cunrat anschließt. Als Cunrats väterlicher Freund, der Weinhändler Tettinger, erhängt in seinem Keller aufgefunden wird, glaubt Cunrat nicht an einen Selbstmord. Als bald darauf weitere Konzilsbesucher Opfer von Mordanschlägen werden, steht recht schnell fest, dass in Konstanz ein Serienmörder sein Unwesen treibt. Gemeinsam mit Giovanni versucht Cunrat den Mörder zu finden. Unterstützung bekommen sie von Poggio Bracciolini, dem Sekretär des Papstes und Simon Ringlin, dem Vater der Prostituierten Luisa, einer temperamentvollen Mailänderin, in die sich Giovanni verliebt und die eines Tages auf mysteriöse Weise verschwindet.

Wenig Krimi viel mittelalterliches Leben

Mittelalterliche Marktszenen, Ritterturniere, opulente Bankette, Schankstuben- und Badestubenszenen, öffentliche Hinrichtungen und Ketzerverfolgung - die Autoren zeichnen einen kunterbunten Bilderbogen prallen mittelalterlichen Lebens, hier hauptsächlich aus Sicht der kleinen Leute. Man trifft auf eine Schar unterschiedlichster, teilweise skurriler Charaktere, und während die Nebencharaktere alle ziemlich schablonenartig bleiben, sind Cunrat und seine Freunde interessante und vielschichtige Figuren, an deren Fersen man sich gerne heftet und sie kreuz und quer durchs mittelalterliche Konstanz begleitet.

Detektivische Ermittlungsarbeit sollte man aber nicht erwarten, die Krimihandlung beschränkt sich eher auf diverse Bedrohungen und Gefahren, denen Cunrat und seine Freunde ausgesetzt sind, die Suche nach dem Mörder verläuft ziemlich dilettantisch, was den Charaktereigenschaften der Protagonisten geschuldet ist. Gerade Cunrat verkörpert mit seiner Tollpatschigkeit und Naivität eher den Typus Antiheld. Bei der Auflösung helfen dann hauptsächlich Mr. Zufall und ein jüdisches Orakel.

Historischer Roman oder Geschichtslehrbuch?

Ein interessantes Stück Geschichte, ein stimmungsvolles Setting, ortskundige Autoren, vielseitige Hauptcharaktere - das sind die Zutaten für gute historische Romane. Doch die besten Zutaten taugen nichts, wenn man sie nicht in das richtige Mischungsverhältnis bringt und sie mit einer guten Portion Spannung, Empathie und sprachlicher Finesse in Szene setzt.

Dass die Autoren tief in die scheinbar unerschöpflichen Quellen Konstanzer Konzilsgeschichte abgetaucht sind, akribisch recherchiert und ein immenses Wissen zusammengetragen haben, verdient Respekt und Anerkennung. In ihrem Bestreben, möglichst vieles davon auch an den Leser zu bringen, sind sie aber weit über das Ziel hinausgeschossen, denn dieser Roman ist heillos überfrachtet. Das literarische Gericht, dass die Autoren ihren Lesern hier kredenzen, verursacht eher Völlegefühl als Hochgenuss. So wird die eigentliche Handlung um Cunrat und seine Freunde immer wieder unterbrochen, um dem Leser eine Runde Geschichtsunterricht zu erteilen. Der Leser muss sich durch seitenlange Briefe des Papstsekretärs Poggio an seinen Freund Niccolo arbeiten, in denen ausführlichst über die Abläufe des Konzils und seine politischen Verwicklungen und Intrigen berichtet wird. Diese Briefe haben den Charme staubtrockener Geschichtsreferate und so lesen sie sich auch, ständiges Namedropping macht das Ganze nicht besser. Zu allem Überfluss sind sie gespickt mit Wiederholungen, denn vieles, was der Leser bereits live miterlebt hat, darf er dann nochmals in Poggios Briefen lesen. Diese Redundanz verursacht eher Lesefrust als Leselust und hat den faden Beigeschmack von überflüssigem Füllmaterial.

Detailverliebtheit auf die Spitze getrieben

Auffallend ist auch die Detailversessenheit der Autoren. Alles wird ausführlichst und bis ins kleinste Detail beschrieben, erklärt, zerredet, nichts der Phantasie des Lesers überlassen. Immer wieder schweifen die Autoren von der eigentlichen Handlung ab, sie verrennen sich in Nebensächlichkeiten und verlieren damit eins ums andere Mal die eigentliche Geschichte aus den Augen. Damit reißen sie den Leser nicht nur ständig aus dem Lesefluss, diese Art der Dramaturgie macht auch einen durchgehenden Spannungsbogen unmöglich.

So wird beispielsweise der Weihnachtsgottesdienst 1414 minutiös ausgewalzt, werden die zig verschiedenen Gänge eines Festbanketts bis ins kleinste Detail beschrieben, gibt es eine sich über mehrere Seiten ziehende haarkleine Berichterstattung über das Hochwasser im Frühjahr 1415, die mit ihrem Sprachduktus eher an die Katastrophenberichte heutiger Boulevardblätter erinnert. Poggios Jagd nach einer Cicero-Ausgabe ist so spannend wie ein durchschnittlicher Schüleraufsatz und als Simon Ringlin auf sage und schreibe 18 Seiten über seine Erlebnisse als Sklave im Orient schwadroniert und sich dabei unter anderem genauestens über die einzelnen Kirchen in Jerusalem oder die Trink- und Essgewohnheiten der Muselmanen auslässt und das nur, weil die Autoren auch noch den Bericht eines gewissen Johann Schiltberger über seinen 30jährigen Aufenthalt in der Türkei und Ägypten sowie die Reisebeschreibungen des Dominikaners Felix Fabri ins Heilige Land im Roman mit unterbringen wollten , wird auch der geduldigste Leser verzweifelt nach dem Lektor rufen, wenn er wie Cunrat im Roman nicht schon längst eingenickt ist.  

Weniger wäre mehr gewesen

Dieser Roman ist ein bunter Flickenteppich aus einer Unmenge von Fakten, Episoden, kleinen Geschichten und Momentaufnahmen, die von der Handlung um Cunrat und seine Freunde wie ein loser Faden zusammengehalten werden. Um das Interesse des Lesers aber durchgehend aufrechtzuerhalten, fehlt es diesem Kaleidoskop streckenweise an Esprit, Empathie und sprachlicher Finesse und es wird mehr als einmal deutlich, dass der Roman das Werk zweier in ihrer Art des Erzählens nicht harmonierender Autoren ist.   

In Nomine Diaboli

Monika Küble & Henry Gerlach, Gmeiner

In Nomine Diaboli

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