1813 - Kriegsfeuer

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2013
  • 22
  • Droemer-Knaur, 2013, Titel: '1813 - Kriegsfeuer', Originalausgabe
1813 - Kriegsfeuer
1813 - Kriegsfeuer
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Eva Schuster
981001

Histo-Couch Rezension vonMär 2013

Die Völkerschlacht bei Leipzig - von allen Seiten beleuchtet

Kurzgefasst:

Frühjahr 1813: Europa stöhnt unter Napoleons Herrschaft. Nach der dramatischen Niederlage der Grande Armée gehen Preußen und das Zarenreich zum Gegenangriff über. Im ausgebluteten Sachsen müssen die Menschen Entscheidungen treffen, die ihr Leben unwiderruflich verändern werden: eine Mutter, die verzweifelt auf die Rückkehr ihrer Söhne hofft, ein General, der seinen Kopf riskiert, damit sich Sachsen den Alliierten anschließt, eine Gräfin, die aus Liebe zur Spionin Napoleons wird, zwei Studenten, die zu den Lützowern wollen, die junge Henriette auf der Flucht vor Plünderern. Die Menschen ersehnen den Frieden, während die Herrscher insgeheim Europa längst unter sich aufgeteilt haben und so eine gewaltige Schlacht heraufbeschwören ...

 

Frühjahr, 1813: Nach seiner Niederlage auf dem Russland-Feldzug hat Napoleon eine neue Armee zusammengestellt und stellt sich der preußisch-russischen Allianz. Eines der vielen Opfer der Kriegsumstände ist die siebzehnjährige Henriette, die als Waise mit ihrem zehnjährigen Bruder Franz aus dem sächsischen Weißenfels zu Onkel Friedrich und Tante Johanna Gerlach nach Freiberg flieht. Ihre Verwandten nehmen sie auf und Jette bemüht sich, sich in der Buchdruckerei des Onkels nützlich zu machen.

Kurz nach ihrer Ankunft wiederholt der König von Sachsen den Treuebund mit Napoleon - daraufhin hält die französische Armee in Freiberg Einzug und auch das Haus der Gerlachs wird besetzt. Jette schwebt in ständiger Angst, dass der Major de Trousteau von ihrem Notwehrangriff in Weißenfels auf einen Franzosen erfährt und Rache nimmt - und zugleich fürchtet sie sich vor seinen Zudringlichkeiten. Auch der Sohn des Majors macht Jette Avancen, ebenso wie der preußische Premierleutnant Maximilian von Trepte, den sie gesund pflegte.

Aber auch viele weitere Menschen erleben ein dramatisches Schicksal in jener Zeit - so etwa die Studenten Richard und Felix, die sich in den Freikorps melden, um gegen die Franzosen zu kämpfen; so wie Lisbeth, die Köchin der Gerlachs, die verzweifelt auf die Rückkehr ihrer vier Söhne wartet, die für die französische Armee in den Krieg gezogen sind und so wie der sächsische Generalleutnant Thielmann, der in einen schweren Gewissenskonflikt zwischen seiner Loyalität zum sächsischen König und den Plan der Alliierten gerät ...

Europa im Umbruch

Sabine Ebert hat sich zweifellos ein Mammut-Projekt vorgenommen: Die Völkerschlacht von 1813 gilt als Geburtsstunde des modernen Europas und zugleich als die bis dato größte Schlacht. Pünktlich zum zweihundertjährigen Gedenken der Schlacht erscheint ihr monumentales Werk, das auf über 900 Seiten die Vorgeschichte der Schlacht und die Schlacht selbst zum Leben erweckt. Rund 30.000 Seiten Literatur von Dokumenten und Protokollen bis hin zu Tagebüchern und Biographien hat die Autorin demnach konsultiert, um diesem Ereignis gerecht zu werden - und dieses ambitionierte und anspruchsvolle Projekt ist ihr fraglos auch geglückt.

Facettenreiche Charaktere im Mittelpunkt

Das eindrucksvolle Antikriegsepos konzentriert sich auf mehrere Handlungsstränge, die eng miteinander verwoben sind und es dem Leser ermöglichen, sich in ein paar repräsentative Gestalten jener Zeit einzufühlen. Am deutlichsten sticht dabei Henriette hervor, eine sympathische und zeitgemäß gestaltete junge Frau, die sich bemüht, auch in den schrecklichsten Umständen einen klaren Kopf zu behalten und ihr Schicksal zu meistern. Die Mutter von Jette und Franz verstarb bereits vor Jahren, jetzt haben die beiden auch noch ihren Vater durch das Lazarettfieber verloren. Neben der Angst vor dem Krieg und dem neuen Lebensabschnitt belastet Jette zudem ihr Notwehrangriff auf einen französischen Plünderer, den sie mit dem Schürhaken schwer verletzte und möglicherweise tötete - Jette schwankt zwischen Verzweiflung, weil sie vielleicht einen Menschen, Notwehr hin oder her, getötet hat - und der Angst, dass jener Franzose doch überlebt haben könnte und sie für ihre Tat zur Rechenschaft gezogen wird.

Ausgerechnet in jenen schweren Tagen wird Henriette zum ersten Mal mit ihrem Wandel zur jungen Frau konfrontiert, in Gestalt gleich mehrerer Männer. Da ist zum einen der charmante, aber auch zynische und höchst gefährliche Major, der keine Gelegenheit auslässt, um Jette intensiv zu betrachten und in Verlegenheit zu bringen. Da ist sein Sohn Etienne, der Seconde-Lieutnant, seinem Vater äußerlich sehr ähnlich, aber weniger berechnend. Höher schlagen lässt Jettes Herz der preußische Premierleutnant Maximilian von Trepte, der sie als Lebensretterin betrachtet und ihr vor seinem Aufbruch verspricht, sie nach seiner Rückkehr zum Tanz auszuführen und sie schon bald per Brief an sein Versprechen erinnert. Auch der junge, etwas linkische Student Felix schwärmt für Jette, ohne zu wagen, ihr seine Gefühle zu gestehen und schließlich begegnet Jette bei den vom Major aufgezwungenen Tanzstunden auch noch dem jungen Sebastian von Treba, der Gefallen an ihr gefunden hat. Angenehmerweise verfällt der Roman niemals in plakative Erotik, sondern hält sich diesbezüglich sehr zurück; umso intensiver lässt es sich mit Jettes ersten und verwirrenden Gefühlen identifizieren, während der Leser genannt verfolgt, wie sich diese Gefühle entwickeln und welche Rolle welcher Mann in Zukunft bei ihr einnehmen wird.

Mag auch Jette sicherlich der Hauptcharakter des Buches sein, dessen Schicksal den Leser am meisten fesselt, so stehen auch die anderen Figuren dem nur wenig nach. Bewegend ist etwa die Verzweiflung der Köchin Lisbeth, die sich an die Möglichkeit klammert, dass ihre vier Söhne aus dem Krieg heimkehren werden und ihre Hoffnung mehr und mehr schwinden sieht - und deren beiden verbliebenen Söhne, der klein gewachsene Anton und der hinkende Karl, sich auch mit dem Gedanken tragen, in die Armee einzutreten. Es fällt leicht, mit diesen Charakteren zu fühlen und unweigerlich hofft man auf ein gutes Ende, wenngleich man stets damit rechnen muss, dass die eine oder andere Figur den Krieg nicht überlebt. Von Friedrich von Colomb, Rittermeister des Preußischen Husarenregiments, zeichnet die Autorin ein charmantes Porträt, das Bild eines gewitzten und zugleich tapferen Mannes, der schon bald zu einer der Lieblingsfiguren des Lesers wird. Auch weitere historische Gestalten erscheinen klar und facettenreich vor Augen, seien es der machtbesessene Napoleon, der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III, General Blücher, Fürst von Metternich oder die glühende Napoleon-Verehrerin und Spionin Gräfin von Kielmannsegge, bei der Lektüre bleibt stets das Gefühl zurück, einen treffenden Eindruck von ihnen gewonnen zu haben.

Ausführliche Beschreibungen

Natürlich bleibt es bei einem solchen Werk nicht aus, dass auch über viele Seiten lang Verhandlungen und Schlachten geschildert werden. Angenehmerweise verfällt der Stil dabei nie in reines Dozieren und es gelingt der Autorin, auch bei diesen teils etwas trockeneren Passagen den Leser bei der Stange zu halten. Die ausgiebige und intensive Recherche wird auf jeder Seite offenkundig und bei vielen Lesern wird das Bedürfnis geweckt werden, sich anschließend auf die Lektüreempfehlungen zu stürzen. Vorkenntnisse über die politischen und historischen Verhältnisse sind hilfreich, aber nicht zwingend notwendig, um die Entwicklungen in ihrer Tragweite zu begreifen. Besonders intensiv und bewegend geraten die Schilderungen der Schlachten und der Zustände in den Lazaretten, die die Schrecken des Krieges annähernd erahnen lassen. Dabei wird glücklicherweise stets von voyeuristischen Szenen Abstand genommen - weder sexuelle Schilderungen noch ausführliche grausame Details bekommt der Leser präsentiert, stattdessen setzt die Autorin auf wirkungsvolle Andeutungen. Hoffnung und Schrecken, zarte Liebesbande, romantische Momente, Diskussionen, Erlässe und Verhandlungen wechseln sich miteinander ab, stets sind die positiven und dramatischen Augenblicke gut gegeneinander abgewogen. Das Ende beantwortet zwar nicht alle offenen Fragen, das ist allerdings ohnehin nicht notwendig, denn die Fortsetzung ist bereits in Arbeit und bietet viel Stoff für einen weiteren Schmöker.

Eindrucksvolle Ausstattung

Die Klasse des Romans wird durch die aufwendige Gestaltung unterstrichen und ergänzt: Der Schutzumschlag lässt sich aufklappen und enthüllt dabei ein farbenprächtiges Poster der Schlacht bei Leipzig im Oktober 1813 von Vladimir Ivanovich Moshkow sowie eine detaillierte Karte zu "Europa unter Napoleon". Im Innenteil befinden sich Karten zum Frühjahrs- und Herbstfeldzug 1813 bis zur Völkerschlacht und zu Leipzig und Umgebung in der damaligen Zeit. In einem mehrseitigen Nachwort gibt die Autorin zudem einige interessante und bisher wenig beachtete Informationen zum Hintergrund preis, weitere Literaturempfehlungen zum Thema, eine Aufstellung der wichtigsten Personen mit Kennzeichnung der historischen Persönlichkeiten und schließlich noch ein Glossar zu zeitgenössischen Begriffen.

Entstanden ist schließlich ein monumentales Antikriegsepos mit faszinierenden Charakteren, eindrucksvoller Hintergrundrecherche und umfangreicher Ausstattung - ein würdiges Werk zur Gedenkfeier zweihundert Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig.

1813 - Kriegsfeuer

Sabine Ebert, Droemer-Knaur

1813 - Kriegsfeuer

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