Sturm über Sylt

  • Rütten und Loening
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Rütten und Loening, 2013, Titel: 'Sturm über Sylt', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
781001

Histo-Couch Rezension vonMär 2013

Von der Vergangenheit eingeholt

Kurzgefasst:

Aletta wird auf Sylt groß, doch ihren großen Traum, Sängerin zu werden, wollen ihre Eltern ihr nicht erlauben. Kaum ist sie volljährig, verlässt sie die Insel und wird eine gefeierte Künstlerin. Im Jahr 1914 wird sie vom Kurdirektor eingeladen. Das Konzert, das Aletta gibt, wird ein rauschender Erfolg - und eine große Enttäuschung, denn weder ihre Eltern noch ihre ältere Schwester Insa sitzen im Publikum. Erst am nächsten Tag erfährt sie, dass ihr Vater tot und ihre Mutter Witta sterbenskrank ist. Auf dem Sterbebett will ihre Mutter Aletta ein Geheimnis verraten, das diese schon seit langem umtreibt, doch Insa schreitet ein, bevor es zu diesem Geständnis kommt. Wenig später bricht der Krieg aus, und plötzlich ist Aletta auf Sylt gestrandet. Sie versucht alles, um hinter das Geheimnis ihrer Mutter zu kommen.

 

Es ist einige Jahre her, seit sie die Insel verlassen hat, als Aletta Lornsen 1914 Sylt erreicht, um dort ein Konzert zu geben. Die begnadete Sängerin verbindet den Aufenthalt auf der Insel, auf der sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hat, mit persönlichen Interessen. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als sich endlich mit ihren Eltern und ihrer unnahbaren Schwester Insa auszusöhnen. Denn mit ihrem Weggang von der Insel hat Aletta auch alle Verbindungen zu ihrer Familie gekappt. Damals musste sich das junge Mädchen entscheiden, ob es ihren Traum, als Sängerin Karriere zu machen, auch ohne den Segen der Eltern durchsetzen soll. Mit dem Entscheid für ihre Passion Singen hat Aletta aber den Zorn jener Menschen auf sich gezogen, die ihr einst viel bedeutete. Mit ihrem Konzert will sie ihnen beweisen, dass es für sie der einzige gangbare Weg war, von Sylt zu verschwinden, um ihr Talent zu nutzen. Doch Aletta kommt zu spät, denn einzig ihre Schwester Insa ist noch da. Die aber möchte von ihr nichts wissen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, muss Aletta auf Sylt bleiben, anstatt zurück nach Wien zu kehren. So begegnet sie nicht nur einer ganzen Reihe von Menschen, die fest zu ihrer Vergangenheit gehören, sie erkennt auch, dass es in ihrer Familie Dinge gab, über die nie gesprochen wurde, die aber Auswirkungen auf ihr ganzes Leben haben. Gegen den erbitterten Widerstand von Insa versucht Aletta, das Geheimnis aufzudecken.

Die Geschichte ist vorhersehbar

Es braucht nicht viel Spürsinn, um schon früh zu erkennen, mit welchem Geheimnis die verunsicherte Aletta konfrontiert sein wird. Autorin Gisa Pauly hat den Plot so aufgebaut, dass jeder mit ein wenig Fingerspitzengefühl darauf kommen muss, was einst passiert ist. Das ist etwas schade, denn die unzähligen Hinweise wären gar nicht nötig, hätte die Autorin sie weg gelassen, so hätte sie der Geschichte nicht so viel von der Spannung genommen. Dazu kommt, dass Gisa Pauly ihre Figuren in vielen Bereichen klischeehaft zeichnet und ihnen wenig Entfaltungsspielraum lässt.

Feinfühlig aufgenommen

Trotz seiner unbestreitbaren Schwächen ist der Roman aber alles andere als bloßer Durchschnitt. Denn die Autorin setzt ihre Stärken auf einem besonderen Gebiet ein: Sie beweist sich als feinfühlige Beobachterin, die selbst feinste Schwingungen zwischen den Figuren aufnimmt und zu einem sehr starken Gefüge verbindet. Schön und überzeugend geht Pauly auf die menschlichen Verknüpfungen ein, unter denen sich die Geschichte erst entwickeln kann. Sie schildert, in welchen Gedankensträngen die einzelnen Personen gefangen sind und welche Verrenkungen sie machen, um Gefühle zu vertuschen. Damit kommt Gisa Pauly einem sehr speziellen Inselvolk näher. Sie beschreibt die bärbeißigen Einwohnerinnen und Einwohner von Sylt mit einer solchen Intensität und Lebhaftigkeit, dass die Leser den Eindruck bekommen, mittendrin zu stehen. Ausgezeichnet schildert die Autorin auch die Tage vor Kriegsausbruch, das langsame Begreifen des Volkes, was der Krieg wirklich bedeutet und den Schmerz, den der Einzug der Soldaten bei den betroffenen Familien zurück lässt.

Gut gelöst

So hält Gisa Pauly letztlich also doch einen bestechenden Roman bereit, der weniger durch seine Geschichte überzeugt als mit der Atmosphäre, in die die Geschichte eingebettet ist. Vermag man Aletta und ihre Suche nach der Vergangenheit etwas in den Hintergrund zu schieben und sich den gesellschaftlichen wie politischen Entwicklungen zuzuwenden, die das Leben auf der Insel bestimmen, so wird man ein überzeugendes Zeugnis einer dunklen Epoche der europäischen Geschichte in Händen halten. Alleine dafür lohnt es sich durchaus, sich mit dem Roman auseinander zu setzen.

Sturm über Sylt

Gisa Pauly, Rütten und Loening

Sturm über Sylt

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