Das Leuchten des Fieberbaums

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Ullstein, 2012, Titel: 'The Fever Tree', Originalausgabe
Das Leuchten des Fieberbaums
Das Leuchten des Fieberbaums
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Eva Schuster
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Histo-Couch Rezension vonMär 2013

Dramatisches Frauenschicksal im Südafrika des 19. Jahrhunderts

London Ende des 19. Jahrhunderts: Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat die 19-jährige Frances Irvine nur noch ihren Vater als nähere Bezugsperson. Als er stirbt, ist sie nicht bloß allein, sondern auch noch mittellos - erst jetzt erfährt sie, dass ihr Vater sich verspekuliert hat und das Erbe gerade mal die Schulden deckt.

Frances soll zur Familie ihrer strengen Tante kommen und sich dort um deren kleine Kinder kümmern. Einziger Ausweg ist der Heiratsantrag ihres entfernten Cousins Edwin Matthews. Edwin ist ein junger Arzt, der sich in Südafrika niedergelassen hat und sich dort in der Gesellschaft etablieren möchte. Dazu scheint ihm die attraktive und wohlerzogene Frances ideal geeignet. Seine steife, pedantische Art ist alles andere als attraktiv für die junge Frau - doch aus der Not heraus nimmt sie den Antrag an.

Auf der Überfahrt nach Südafrika lernt Frances den charmanten William Westbrook kennen. Erst rettet er sie aus einer Notsituation, dann kommen sie näher ins Gespräch. Bald schon fühlt sich Frances zu ihm hingezogen und William scheint ihre intensiven Gefühle zu erwidern. Er verspricht ihr eine gemeine Zukunft, doch in Südafrika kommt alles anders. Enttäuscht und verletzt heiratet Frances wie beschlossen Edwin, der zu ihrem Entsetzen ein äußerst abgeschiedenes und karges Leben fernab der Stadt führt. So gut es geht, versucht sich Frances in ihr neues Schicksal zu fügen - bis ihr plötzlich wieder William Westbrook begegnet. Während sich Edwin für die Rechte der Eingeborenen engagiert und sich mit seiner Warnung vor einer Pockenepidemie bei den Bürgern unbeliebt macht, scheint William in dubiose Diamantengeschäfte verwickelt zu sein ...

Zwischen Pockenepidemie und Diamantenschmuggel

Jennifer McVeighs Debütroman vereint große Gefühle, Leidenschaft mit einigen Einblicken in das Leben im Südafrika des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Eine Zwecke allein wäre schon deprimierend genug für die junge Frances Irvine, doch zu allem Überfluss führt sie ihr Schicksal auch noch in ein fremdes, gefährliches Land. Frances spricht kein Holländisch und hat nur eine vage Vorstellung von den klimatischen, vegetativen und politischen Bedingungen in Südafrika. Die Unterdrückung der Eingeborenen erschreckt sie und zugleich wird ihr bewusst, dass ihr eigener Status weit entfernt ist von ihrem früheren Leben in England.

Ursprünglich plante Edwin mit ihr im großstädtischen Kimberley zu leben und dort eine Praxis zu führen. Stattdessen leitet er nun eine Quarantänestation für Pockenkranke und Frances´ neues Zuhause ist die einsam gelegene Farm Rietfonstein. Edwin ist überzeugt, dass sich eine Pockenepidemie von Kapstadt nach Kimberley ausbreitet und will sein Bestes geben, um die Todesrate so gering wie möglich zu halten. Kimberley aber ist ein Zentrum des Diamantenhandels und eine Pockenwarnung würde drastische Einbrüche für die Wirtschaft und eine Massenflucht bedeuten. Laut Edwin will Südafrikas mächtigster Mann, der unangenehme und reiche John Baier, mit allen Mitteln die offizielle Bekanntgabe der Pockenepidemie verhindern - unter seinem Druck diagnostizieren die Ärzte die weniger gefährliche Krankheit Pemphigus. Edwins Beharren auf seiner Pockendiagnose und sein unermüdlicher Einsatz für die Schwarzen sorgen für immer mehr Widerstand - und zu Frances´ Verzweiflung ist ausgerechnet der einflussreiche John Baier Williams Cousin.

Frances ist zunächst hin- und hergerissen zwischen ihrem Respekt für Edwins mutigem Handeln und ihrer Angst vor John Baiers Einfluss. Mit der Zeit kommt ihr jedoch auch der Verdacht, dass Edwin sich irren könnte und sich in eine fixe Idee verrannt hat - und auch für den Leser ist nicht gleich offensichtlich, wie die Ereignisse einzuschätzen sind. Die abwechslungsreiche Handlung ist fesselnd gestaltet, hält bedrückende Momente und unvorhergesehene Entwicklungen bereit. Der Roman vermittelt, ohne allzu sehr in die Tiefe zu steigen, eine Ahnung von den komplexen Verhältnissen Südafrikas - angefangen bei der Unterdrückung der Eingeborenen über die politischen und gesellschaftlichen Zustände bis hin zum Diamantenschmuggel. Zugleich erfährt der Leser kleine Einblicke in die Schönheit und Vielfalt dieses Landes.

Englische Lady zwischen zwei Männern

Hervorzuheben ist vor allem die Vermeidung von Schwarz-Weiß-Darstellung der beiden Männer in Frances´ Leben. Als Resultat ist lange Zeit nicht vorhersehbar, welcher der zwei Männer der richtige für Frances ist, sollte es überhaupt einer von ihnen sein. Edwin wirkt anfangs alles andere als anziehend auf Frances. Er sieht durchschnittlich aus, ist eher ernst und kühl und pflegt einen anspruchslosen, beinah asketischen Lebensstil. Sein Ehrgeiz und sein Idealismus bringen ihn und Frances teilweise in große Gefahr und meist fühlt sie sich ihm fremd. Allerdings gibt es auch immer wieder Momente der Annäherung zwischen ihnen. Edwin nimmt viel Rücksicht auf seine ungeschickte junge Frau, die weder kochen noch nähen kann und im Haushalt daher keine Hilfe ist. Als sich Frances dem Zeichnen widmet, unterstützt er ihr Hobby und zeigt sich ungewöhnlich sensibel. Auch sein mit Bedacht ausgewähltes Hochzeitsgeschenk, ein edles Klavier, zeigt sein Bemühen, Frances das Leben so schön wie möglich zu machen.

Auf der anderen Seite steht der reizvolle Abenteurer William Westbrook - ein charmanter, attraktiver Mann, der Frances mehr als nur körperliche Leidenschaft entgegen zu bringen scheint und sie heiraten möchte. In fast allen Punkten ist er Edwins Gegenteil und über weite Strecken hinweg möchte man Frances raten, die Verlobung zu lösen und mit William ein neues Leben zu beginnen. Dann aber kommen wiederum seine dubiosen Geschäfts ins Spiel, und ob er es mit der Treue so genau nimmt, ist auch nicht immer eindeutig und Frances missfällt oft sein Tonfall, wenn er über die Eingeborenen spricht. Keiner der beiden Männer wird explizit dem anderen überordnet, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Frances´ Verhältnis zu ihnen hält einige Wendungen und Überraschungen bereit und man darf gespannt sein, wie sich ihre Charaktere entwickeln und welche Entscheidungen sich am Ende als richtig und falsch erweisen.

Frances ist eine sympathische Figur, deren Schwierigkeiten gut nachvollziehbar sind. Nach dem Tod ihres Vaters ist es keine Frage, dass die Zweckehe mit Edwin eine vernünftige Lösung ist und dem Regiment ihrer strengen Tante vorzuziehen ist. Ihre Gedanken bezüglich der beiden Männer in ihrem Leben sind ebenfalls realistisch - einerseits die Faszination, die von William ausgeht, andererseits die Unsicherheit, ob sie wirklich ihr gesichertes Leben mit Edwin aufgeben soll.

Ein paar Schwächen im Gesamtbild

Ein bisschen übertrieben wirkt allerdings Frances´ mangelnde Lern- und Anpassungsfähigkeit. Es ist noch gut verständlich, dass sie weder kochen noch nähen oder sonstige hausfrauliche Fertigkeiten gelernt hat - schließlich verkehrte sie in England in besseren Kreisen und sah ursprünglich einer ganz anderen Zukunft entgegen. Jedoch ist nicht so ganz realistisch, wie ungeschickt sie sich in Südafrika auf Dauer anstellt. Anstatt sich zu bemühen, zumindest kochen zu lernen und sich im Haushalt nützlich zu machen, verhält sie sich teilweise zu unreif und zeigt nur sehr langsam Fortschritte.

Weiterhin fällt auf, dass sich die Schilderung der Überfahrt nach Südafrika überproportional zum Rest des Buches verhält. Gut ein Drittel des Romans vergeht, ehe Frances überhaupt in Kapstadt von Bord geht - dementsprechend spielt nicht ganz so viel von der Handlung tatsächlich in Südafrika, wie sich anhand des Umfangs vielleicht erwarten lässt. Zweifellos wird das Leben auf dem Schiff reizvoll und informativ dargestellt, von den Klassenunterschieden bis hin zu den dramatischen Stürmen. Dennoch ist vor der Lektüre nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Schiffspassage einen so großen Teil einnimmt, was manche Leser enttäuschen kann.

Als Fazit bleibt ein kurzweiliger und spannender Roman über Südafrikas Verhältnisse im 19. Jahrhundert und eine dramatische Liebesgeschichte mit interessanten Protagonisten. Das Ende lässt die Möglichkeit einer Fortsetzung offen, die durchaus willkommen ist. 

 

Das Leuchten des Fieberbaums

Jennifer McVeigh, Ullstein

Das Leuchten des Fieberbaums

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