Magisches Glas

  • Bebra
  • Erschienen: Januar 2013
  • 0
  • Bebra, 2013, Titel: 'Magisches Glas', Originalausgabe
Magisches Glas
Magisches Glas
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Carsten Jaehner
701001

Histo-Couch Rezension vonMär 2013

Neue Krimireihe im preußischen Berlin

Kurzgefasst:

Berlin 1797. Auf dem Koppenschen Armenfriedhof wird eine Leiche gefunden, doch es gibt keinerlei Hinweise auf die Todesursache. Bei der Sektion in der Charité findet sich im Magen des Toten eine Kette mit einem Pentagramm. Bevor Polizeisergeant Gustav Reiser der Sache weiter auf den Grund gehen kann, wird die Leiche gestohlen. Als wenig später auch noch die Nichte seiner Zimmerwirtin spurlos verschwindet - und mit ihr das mysteriöse Pentagramm - steht Reiser vor einer Bewährungsprobe. Gegen den Willen seiner Obrigkeit kommt er einem schier unglaublichen Geheimnis auf die Spur ...

 

Berlin im November 1797. Auf dem Kopperschen Armenfriedhof wird von einer Dame eine männliche Leiche unter einem Haselnussbusch entdeckt. Die Frau begibt sich sofort zum nächsten Polizeirevier, wo der junge Neuling Polizeisargeant Gustav Reiser seinen langweiligen Dienst schiebt, der hauptsächlich im Ausfüllen von Formularen besteht.

Die Frau führt Reiser zur Leiche, und mithilfe von zwei Friedhofsmitarbeitern wird die Leiche recht abenteuerlich in die Charité, dem nächstgelegenen Hospital gebracht, um sie untersuchen zu lassen. Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass der Tote ein Medaillon an einer Kette im Magen hatte.

Reiser hat sonst keinerlei Anhaltspunkte und beginnt trotzdem mit den Ermittlungen. Beim Rapport bei seinem Vorgesetzten wird er davon abgehalten, weiter zu ermitteln und sich mit belangloseren Fällen von Ruhestörung oder Diebstahl zu befassen. Doch Reiser lässt nicht locker und gerät auf die Spur von weitreichenden Verwicklungen...

Ein unbekannter Toter

Magisches Glas ist der erste Preußenkrimi aus der Hand Werner Münchows, der bei Bebra erscheint und somit neben Tom Wolf eine weitere Preußenreihe etabliert. Zeitlich spielt der Roman zwischen den beiden Wolf-Reihen im Jahr 1797 in Berlin, und Hauptermittler ist der junge Polizeisargeant Gustav Reiser, der von seinem Chef, der einen Faible für Papierkram hat, noch recht klein gehalten wird.

Eines Novembermorgens erscheint eine ältere Frau bei ihm auf dem Revier und führt ihn zum Kopperschen Armenfriedhof, wo sie bei ihrem täglichen Besuch auf einmal unter einem Busch eine Leiche entdeckt hat und sofort den Gang zur Polizei angetreten hat. Münchow fängt hier wunderbar die Berliner Schnauze ein, die er der Dame in den Mund legt, und auch andere Berliner werden so schön treffend und schnodderig charakterisiert. Überhaupt gelingt ihm ein hervorragendes Lokalkolorit, was sich nicht nur durch die Sprache, sondern auch durch die Atmosphäre zeigt.

 

Wie ick heut Mittag komm, seh ick zwee Schuhe unterm Strauch rauskieken. Erst denk ick, jemand stöbert nach runterjefallnen Nüssen. Ick hab ihm jesagt, an meenem Boom hat niemand watt valorn. Aber der hat keen Mucks von sich jejeben, und denn ist ma uffjefalln, datt die Schuhspitzen nach oben zeijen. Da ha'ck mer jedacht, wer lecht sich uffn Rücken, wenn er was uffm Boden sucht?

Zudem fällt auf, dass sich der Autor gut in seinem Berlin auskennt, weiß er doch realistisch über den Zustand der Stadt zu berichten, wie über die Charité, einer unbeliebten Bauruine mit katastrophalen hygienischen Zuständen, von denen man heutzutage allerdings anderes zu berichten weiß. Hier zeigt der Autor eine scharfe Beobachtungsgabe, weiß er doch generell die Figuren gut zu zeichnen und die Lokalitäten authentisch zu beschreiben.

Allerdings könnte man sich den Roman auch gut einhundert Jahre später vorstellen, denn letztlich gibt es nichts für das Ende des 18. Jahrhunderts typisches, das nicht auch gegen eine spätere Zeit hätte ausgetauscht werden können, ohne die Handlung ändern zu müssen. Hier könnte der Autor in kündigten Fällen Reisers noch mehr Augenmerk drauf legen.

Buntes Privatleben

Dem Kriminalfall steht Gustav Reisers Privatleben entgegen, über das der Leser auch einiges erfährt. Reiser wohnt zur Untermiete bei der Witwe Anna Straßberg und hat in Wilhelm von Künow einen weiteren Mitbewohner, der beim Militär ist. Besondere Aufmerksamkeit widmet Reiser der Nichte seiner Wirtin, Friederike Polley, mit der er eines Abends eine Vorstellung des Magiers Johann Georg Schrepfer besucht, was ihm durch die Hintertür einigen Ärger einbringt und ihn auf der anderen Seite noch mehr in den Fall verwickelt, den er laut seines Vorgesetzten gar nicht haben darf. Eine interessante Situation, die der Autor hier geschaffen hat, die durchaus Raum für mehr Geplänkel in diese Sinne bietet.

Der Mordfall ist verzwickt, und nur ganz allmählich kann Reiser die Puzzleteile zusammenfügen. Das Ende jedoch ist überraschend und unbefriedigend und man fragt sich unweigerlich, ob und was man überlesen hat und wird zwangsläufig noch einmal zurückblättern müssen. Zudem findet man auch Aussprüche im Roman, die vielleicht nicht zeitgemäß sind. "Das kommt nicht in die Tüte" ist einer dieser Aussprüche. Wenngleich man Tüten vielleicht heute anders definiert als damals, wo es allerdings schon tragbare Behältnisse in etwa dieser Form gab, so ist dieser Ausspruch, wenn nicht falsch, so doch wenigstens fraglich.

Auftakt mit Schwächen

An der Aufmachung des Romans merkt man deutlich, dass eine neue Kriminalreihe neben den beiden von Tom Wolf etabliert werden soll. Die Covergrafik kann man als "verwandt" bezeichnen, und auch im Buch selber sind mit der Personenliste der realen und fiktiven Personen sowie ein ausführlich erklärender und damit lobenswerter Anhang selbstgesetzter Standard bei den historischen Krimis aus dem Hause Bebra. Der Reihe um Gustav Reiser, die hiermit ihre Premiere erfährt, bietet viel Potenzial und besticht durch Lokalkolorit und einem jungen Ermittler, der erst in den Anfängen seiner Karriere steckt und dessen Privatleben ebenfalls noch nicht ausgereizt ist. Einzig in der Dramaturgie und in der (tatsächlich enttäuschenden) Auflösung des Falles muss der Autor künftig zulegen. Daher kann der Einstand nur als bedingt gelungen bezeichnet werden, allerdings ist die Spannung und Erwartung auf weitere Fälle Gustav Reisers geweckt. Wir warten gerne auf den nächsten Fall.

Magisches Glas

Werner Münchow, Bebra

Magisches Glas

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