Geheimsache Luther

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  • Erschienen: Januar 2012
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  • , 2012, Titel: 'Geheimsache Luther', Originalausgabe
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Annette Gloser
711001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2013

Die Liebe zu den Büchern und ein Mordkomplott

Kurzgefasst:

Mit Luthers Thesen verändert sich die Welt. Im Land gärt es - der Reichstag in Worms 1521 soll Klarheit bringen. Inmitten dieser turbulenten Zeit begegnen sich in Worms zwei junge Frauen: Mara, eine Christin von ungeklärter Herkunft, welche Speyer verlassen hat nachdem sie zur heimlichen Mitwisserin eines geplanten Mordanschlages auf Luther wird und Nahel, eine Jüdin, die nach einem Pogrom gegen die Juden in Regensburg fliehen musste und nun ihre judische Identität aus Angst vor neuer Verfolgung leugnet. Obwohl beide Frauen langsam lernen, einander zu vertrauen, bleibt ein Rest von Misstrauen. Nahel fuhlt sich zu dem Buchhändler Christo hingezogen, glaubt aber, er würde sie als Judin verstoßen. Mara hingegen versucht Luther vor dem geplanten Anschlag zu schützen. Hilfe erhält Sie dabei von dem jungen Novizen Eckbert, fur den das alles bloß ein großes Abenteuer ist. Ihre Nachforschungen bleiben nicht lange geheim und Mara gerät selbst in tödliche Gefahr. Der Beginn der Reformation - eine turbulente Zeit.

 

Im 16. Jahrhundert. Zwei Mädchenschicksale verweben sich in diesem Buch. Mara wächst in Speyer auf. Sie lebt in Armut und hat nur einen großen Wunsch: Sie möchte lesen lernen. Nahel dagegen lebt behütet bei ihrer Großmutter in Cordoba, bis ihr Vater sich vor der Inquisition in Sicherheit bringen muß. So gerät sie mit dem Vater nach Regensburg, in eine Welt, die ihr bisher eher fremd war.

Während Nahel lernen muß, sich in die Gepflogenheiten der jüdischen Gemeinschaft in Regensburg zu fügen, wird Mara Magd bei den Beginen in Speyer und dort erfüllt sich auch ihr großer Wunsch. Sie lernt lesen und schreiben und darf der Schulmeisterin bei deren Arbeit zur Hand gehen. Bei einem Gang in die Stadt lernt sie den Novizen Eckbert kennen, der mit seinem Leben im Kloster nicht glücklich ist. Gemeinsam werden die beiden Zeugen dafür, daß ein Mordanschlag auf den Reformator Luther geplant ist, der in wenigen Wochen auf dem Reichstag in Worms seine Thesen vor dem Kaiser verteidigen soll. Obwohl Mara bisher kaum etwas über Luther weiß, beschließt sie, ihn zu warnen. Ein Menschenleben ist in Gefahr und sie möchte alles tun, um den Mord zu verhindern.

In der Zwischenzeit ist auch Nahel in Worms angekommen. Einem Pogrom gegen die Juden in Regensburg ist sie mit knapper Not entkommen. Nun sucht sie Hilfe und Unterkunft bei Christo, einem Buchhändler, der Geschäftspartner ihres Vaters war. Sie lernt Christo schätzen und auch lieben, aber sie wagt es nicht, ihm zu erzählen, daß sie Jüdin ist. Hier in Worms begegnen sich Nahel und Mara zum ersten Mal. Sehr schnell bemerken sie, daß sie weitaus mehr verbindet als nur die Liebe zu Büchern. Aber Mara hat auch noch eine Aufgabe: Sie muß Luther warnen und einem Mörder das Handwerk legen.

Spaß und Spannung vorhanden

Die Handlung umfasst den Zeitraum von 1515 bis 1521, wobei jedes Kapitel mit einer Zeitangabe versehen ist. Birte Jacobs erzählt ihre Geschichte mit einfachen Worten, recht geradlinig trotz der wechselnden Orte und Protagonisten. Insgesamt entspricht der Duktus eher einem Jugendbuch.

Dabei hat sich die Autorin einen interessanten Plot ausgedacht und schafft es auch, den Spannungsbogen vom ersten bis zum letzten Kapitel zu halten. Allerdings haben die Protagonisten nur wenig Tiefe und bleiben - bis auf Mara und Nahe l- eher schemenhaft. Das ist schade, denn insbesondere bei einem Buch, welches verheißungsvoll mit dem Namen Luther im Titel winkt, erhofft man sich doch ein wenig mehr über diesen illustren Herrn zu erfahren. Nicht jede Wendung in der Handlung lässt sich nachvollziehen, was den Spaß am Lesen allerdings nicht mindert. Und auch wenn man weiß, daß Luther nach dem Reichstag in Worms noch viele Jahre gelebt hat und somit keinem Mordanschlag zum Opfer gefallen sein kann, so bangt man doch mit Mara und Eckbert und hofft auf ein glückliches Ende ihrer Mission.

Der zweite Handlungsstrang des Romans allerdings, die Verbindung von Mara und Nahel, löst da dann doch schon eher mal Ungeduld und gelegentliches Kopfschütteln aus. So hat Nahel zum Beispiel eine genaue Beschreibung Maras, einschließlich des damals eher unüblichen Namens. Und Mara aus Speyer mit bernsteinfarbenem Haar und tief grünen Augen spaziert direkt in Christos Buchladen, wird aber von Nahel erst Tage später erkannt. Insgesamt ist die Story um Hermann von Regensburg und seine Tochter Nahel auch dann nicht immer logisch und nachvollziehbar, wenn man sich ein wenig mit jüdischer Geschichte auskennt. Für andere Leser dürfte es noch schwieriger sein. So lebt Nahel zunächst als Conversa in Cordoba, danach jedoch mit ihrem Vater in der jüdischen Gemeinschaft in Regensburg. Niemand stellt hier ihren Status als Jüdin in Frage, obwohl Nahel doch als Conversa getauft sein müsste. Später geht die junge Frau immer davon aus, daß sie Jüdin sei und wagt nicht, davon zu erzählen. Und Christo, der als engster Freund und Geschäftspartner ihres Vaters vorgestellt wird, hat keine Ahnung, daß sein Freund Jude ist? Eher unwahrscheinlich. Und damit wirken auch die Probleme Nahels um ihre Herkunft eher unwahrscheinlich.

Sehr wahrscheinlich ist dagegen, daß die Autorin diesen Teil der Recherche nicht wirklich tiefgründig absolviert hat. Hierfür nur ein Beispiel: Nahel besucht mit ihrer Tante und den Cousinen den Gottesdienst am Shabbat. Die Tante hat nichts Besseres zu tun, als einen trejfenen Topf zur Synagoge zu tragen und nach dem Gottesdienst mit Nahel in die Mikweh zu gehen um den Topf wieder koscher zu machen. Und das soll eine fromme Jüdin getan haben? Wohl kaum. Tragen ist Arbeit, kaschern ist Arbeit, beides am Shabbat streng verboten. Abgesehen davon: (Koch-)Töpfe werden nicht in der Mikweh gekaschert.

Sprachlich schwierig

Sprachlich ist der Titel des Buches offenbar Programm. Klingt "Geheimsache Luther" schon nicht nach einer Geschichte, die Anfang des 16. Jahrhunderts spielt, sondern eher nach Spionagethriller aus der Zeit des Eisernen Vorhangs, so finden sich im Roman immer wieder verbale Anachronismen. Wenn eine Siebzehnjährige im Jahr 1521 erklärt, ihr Vater habe noch eine weitere Tochter "aus einer außerehelichen Beziehung", dann wirkt das einfach nur deplatziert. Auch Worte wie "unkonventionell" oder "Geschäftsidee" entstammen einer anderen Zeit.

Ein wenig Sorgfalt bei der Durchsicht des Textes vorab hätte hier gut getan. So wird aus der Wirtin Bella plötzlich eine Berta, die sich im nächsten Kapitel wieder in eine Bella, dann wieder in eine Berta verwandelt. Das ist sehr irritierend. Mara fehlt auf Seite 199 zum Betrachten der Stoffe "die Zeit und die Muse". Und rein sprachlich stellt sich auch die Frage, ob "Borde" an der Kleidung und Ausdrücke wie "war gestanden" verbales Lokalkolorit beisteuern sollen oder vom Lektor einfach übersehen wurden.

Gelegentlich vergaloppiert sich die Autorin auch ein wenig im Bemühen, ihr Wissen an die Leser zu bringen. Es ist schon anstrengend, wenn der Novize Eckbert auf die simple Frage "Wo wollen wir hin?" zunächst einmal den Lageplan seines Klosters erläutert ehe er das Zimmer des Abtes als Ziel benennt. Weniger ist manchmal tatsächlich mehr.

Es tauchen auch Situationen auf, in denen der Leser erst einmal etwas ungläubig auf die Buchseiten schaut. Wenn z.B. ein Novize ständig das Kloster verläßt, sich in der Stadt herum treibt, sich am Abend mit Mara verabredet - und bei den gestrengen Dominikanermönchen weder vermisst noch für sein unerlaubtes Entfernen bestraft wird. Da kann Eckbert sein Abendbrot nicht aufbessern, weil die Klosterküche immer verschlossen ist, aber Eckbert und Mara kommen bei ihrem heimlichen Ausflug durch die Küche ins Kloster. Solche Ausrutscher lassen stutzen und stören den Lesefluß.

Viel versprechender Erstling

Trotz all der genannten Probleme ist Geheimsache Luther ein durchaus viel versprechendes Erstlingswerk und es bleibt zu hoffen, daß die Autorin so schnell nicht die Feder aus der Hand legt. Geheimsache Luther macht nämlich Spaß beim Lesen, auch wenn nicht alles perfekt gelungen ist.

Leider sind auch die beiden Karten, mit denen das Buch ausgestattet ist, nicht perfekt. So ist die Karte von Speyer nicht beschriftet und der eigentliche Stadtkern viel zu klein, um sich gut zu orientieren. Die Karte von Worms dagegen prangt mit reichhaltiger Beschriftung, umfasst allerdings rund zweihundert Jahre. Dabei wird in dieser Karte ausdrücklich erwähnt, daß es noch eine weitere Karte aus dem Jahr 1521 gibt, die daher zeitlich perfekt zur Handlung des Buches gepasst hätte. Aber zumindest hat der Leser eine Orientierungshilfe und damit mehr als in manch anderen Buch. Der Kleine Buch Verlag hat das Taschenbuch mit einer zauberhaften Coverzeichnung versehen lassen und die Kapitelüberschriften erinnern an Frakturschrift. Ein wirklich erfreulicher Anblick und eine liebevolle äußere Ausstattung.

Geheimsache Luther ist ein Buch, an dem vor allem junge Leser ihre Freude haben dürften. Alles in allem ein spannendes und unterhaltsames Buch.

Geheimsache Luther

Birte Jacobs, -

Geheimsache Luther

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