Die gefangenen Seelen

  • Ammianus
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Ammianus , 2012, Titel: 'Die gefangenen Seelen', Originalausgabe
Die gefangenen Seelen
Die gefangenen Seelen
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Volker Faßnacht
891001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2012

Von Einer, die auszog, ihr Glück zu suchen

Kurzgefasst:

Merode, ein Bauerndorf unweit von Aachen, Anno 1312: Eva besitzt besondere Geistesgaben, die sie in den Augen vieler Dörfler sonderbar erscheinen lassen. Fragen der Philosophie sind ihr so vertraut wie die Arbeit auf den Feldern. Evas große Liebe heißt Falk. Ihre Heirat ist längst beschlossen. Doch eine Intrige, angezettelt von Evas Kusine Magda, entzweit das Paar. Eva verlässt ihre Heimat bei Nacht und Nebel, um Meister Eckhart von Hochheim, einem bekannten Mystiker, als Jüngerin zur Seite zu stehen. Vierundzwanzig Jahre sollen vergehen, bis Eva und Falk sich erneut begegnen. Ein Leben voller Schicksalsschläge liegt hinter ihnen. Aber hat ihre Liebe die Stürme der Zeit überdauert?

 

Wie die meisten von Günter Krieger's Romanen spielt auch Die gefangenen Seelen wieder im Rheinland. Er kann sogar als - allerdings völlig unabhängiger - Nachfolgeroman von Das zweite Lebengesehen werden. Der Autor bezeichnet beide Werke als zu seiner mittelalterlichen Merode-Roman-Reihe zugehörig. Die gefangenen Seelen spielt jedoch rund ein halbes Jahrhundert später.

Eine Liebesgeschichte als eine von zwei starken Säulen des Romans

Der Autor nimmt eine Vielzahl verschiedener Handlungsstränge auf, die zunächst unabhängig von einander zu sein scheinen. Was sollte auch eine durch ein Muttermahl am Hals entstellte Bauerstochter im Rheinland, die in Liebe zu einem Bauersjungen aus der Nachbarschaft entbrannt, ihrer Hochzeit entgegenfiebert und ein hinterhältiger Mord auf einem Gehöft in Schlesien und der anschließende Verkauf des einzigen Überlebenden des Massaker - ein junger Bauersbub - an einen fahrenden Händler, dem man aus heutiger Sicht pädophile Neigungen bestätigen müsste, gemein haben?

Zeit im Wandel - Geschichtsstunde ohne lehrerhaft erhobenen Zeigefinger

Es ist eine interessante Zeit, in die der Autor den Leser mit seinem Roman entführt. Der Papst war nicht mehr die überragende Person. Der Kirchenbann machte nach wie vor einen "Gang nach Canossa" erforderlich, jedoch kam Heinrich VII. nicht im Büßergewand, sondern mit einem ganzen Heer zum Papst und ließ sich unter Gewaltanwendung zum Kaiser krönen. Genützt hat es ihm trotzdem nicht, weil er auf dem Heimweg an Malaria starb. Mehrere Herrscherhäuser stritten sich um die Nachfolge. Auch das Papsttum ging bald darauf sonderbare Wege: Zuerst zogen die Päpste für etliche Jahre nach Avignon um, später gab es dann noch mehrere Päpste gleichzeitig. In Rom, Avignon und Pisa.

Die letzte echte Ritterschlacht wurde 1322 bei Mühldorf zwischen dem Wittelsbacher Ludwig IV. und dem Habsburger Friedrich ("der Schöne") geschlagen. Spätere Schlachten wurden dann von Schusswaffen dominiert. Das Ende der wahren Ritterschaft. Die Habsburger waren noch nicht die ganz große europäische Dynastie. Deren Zeit kam später (fast durchgehend ab 1438 stellten sie den Kaiser bis zum Ende des 1. Weltkrieges 1918).

Mit Eckhart von Hochheim, einem zunächst hoch angesehenen Dominikaner und Philosophen, keimten nach den Albigensern weitere Versuche, die kirchliche Lehre für jedermann verständlich zu machen. Predigten in der Sprache des Volkes - eine Provokation! Und vielleicht auch Basis für die später folgenden Reformer, wie Luther, Hus, Calvin oder Zwingli?

Beide Aspekte zusammen ergeben eine rasante Erzählung, die durch das Mittelalter in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts führt. Gekonnt webt Günter Krieger einen bunten Teppich aus Politik und Zwischenmenschlichem zusammen. Langweilig wird es dem Leser also nie.

Eine niveauvolle historische Lektüre mit spannender Unterhaltung

Wer den Autor kennt, weiß dass seine Romane mit sorgfältig recherchierten Geschichtsdaten gespickt sind. Die Liebesgeschichte ist oft mit einer Intrige verknüpft, ohne jedoch schwülstig daher zu kommen, zumal Günter Krieger auch bei Die gefangenen Seelen wieder interessante Figuren erschaffen hat. Figuren, die zwar oftmals nicht in allen Details wie Körpergröße, Augenfarbe usw. beschrieben sind, jedoch eine unglaubliche Tiefe innehaben. Es gibt sie einfach nicht, die abgrundtief Bösen oder die nur allzu guten "Gutmenschen". Es ist das, was zwischendrin ist, aber auch die Wandlungsfähigkeit einiger Protagonisten. So ist das Findelkind "Clara" wohl eine der Figuren, die zu nennen wäre, wenn es um die Entwicklungsfähigkeit der Handelnden im Roman geht.

Die gefangenen Seelen werden den meisten Leserinnen und Lesern Spaß und einige kurzweilige und spannende Stunden bereiten. Und das ist ja das, was ein historischer Roman leisten können muss.

Schade ist, dass übermäßig viele Fehler vom Lektorat vor Drucklegung nicht bemerkt wurden: Wortwiederholungen, Schreibfehler, Silbenverdoppelungen, Buchstabendreher, ... Ein kleiner Misston im sonst doch sehr ansprechend gestalteten Stück. Wobei es die groben Fehler, wie z.B. Sinn entstellte Sätze glücklicherweise nicht gibt.

Die gefangenen Seelen

Günter Krieger, Ammianus

Die gefangenen Seelen

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