Kaltes Herz

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2012
  • 2
  • Rowohlt, 2012, Titel: 'Kaltes Herz', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
891001

Histo-Couch Rezension vonSep 2012

Der Traum vom Perpetuum Mobile

Kurzgefasst:

Berlin 1900. Die wohlbehütete Hetti Keller verliebt sich in Charles, einen jungen Briten, der seine Heimat fluchtartig verlassen musste. Als Hettis Mutter von der heimlichen Beziehung erfährt, ist sie außer sich. Sie schickt das Mädchen aufs Land zu Verwandten. Während ihre Tante Hetti mit Ablehnung straft, bekommt sie Onkel Heinrich erst gar nicht zu Gesicht, denn er hat sein Leben einer Idee gewidmet: Wie besessen arbeitet er an seiner größten Erfindung, einem Perpetuum mobile. Doch Hettis Ankunft rührt an alte Wunden, und nicht nur sie gerät in größte Gefahr. Ihre einzige Hoffnung: Charles, der verzweifelt nach ihr sucht.

 

Warum musste die junge Sängerin Hetti Keller Berlin überstürzt verlassen? Wo ist sie? Verzweifelt macht sich Charlie auf die Suche nach Hetti. Denn obwohl er Hetti erst seit kurzer Zeit kennt, weiß er, dass sie die Frau seines Lebens ist. Doch Charlie stößt bei Hettis Mutter Ada Keller auf eine Mauer des Schweigens. Selbst als er sie auf den geheimnisvollen Mann anspricht, der Hetti in den letzten Monaten regelmäßig mit einem Opernglas beobachtet hat, wiegelt Ada Keller ab. Charlie ahnt nicht, dass seine große Liebe zu einer Tante aufs Land gebracht wurde. Dort ist Hetti aber alles andere als willkommen. Tante Johanne zeigt der jungen Frau die kalte Schulter und die Cousinen geben sich distanziert. Bis auf Ida, die Hetti sofort in ihr Herz geschlossen hat. Obwohl sich Hetti versucht anzupassen, fühlt sie sich in der Wäscherei ihrer Verwandten unwohl. Seltsames geht hier vor. Im Keller tüftelt Onkel Heinrich an einer Erfindung, die niemand außer dem etwas zwielichtigen Besucher Felix Regenmacher zu Gesicht bekommt: einem Perpetuum Mobile. Hetti, die nichts mehr herbei sehnt, als ihre Befreiung durch Charlie, gerät plötzlich in Lebensgefahr.

Charlie Chaplin und Alfred Hitchcock

Erneut konfrontiert Charlotte Freise ihre Leser mit den Abgründen der menschlichen Natur. Anders als in ihrem ersten Roman Die Seelenfotografin siedelt sie ihre zweite Geschichte jedoch nicht im Umfeld der Psychiatrie an. Vielmehr lässt sie das Berlin der Jahrhundertwende auferstehen. Ihre Protagonistin Hetti, oder wie sie richtig heißt Henriette, bewegt sich in einem überaus bekannten Milieu. Sie singt im "Wintergarten", jenem Etablissement, das um 1900 das kulturelle Leben in Berlin maßgebend prägte. Dort trifft die Sängerin auch auf den Briten Charlie, der seine Heimat nach dem Tod seines Vaters überstürzt verlassen hat, um dafür nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. In Berlin Fuß zu fassen fällt dem jungen Künstler erwartungsgemäß nicht so einfach und so gerät er schnell auf eine schiefe Bahn, wenngleich seine "Verbrechen" eher ein Grenzfall bleiben. Charlotte Freise stattet den jungen Helden mit einem großen Herzen und einem einigermaßen intakten Gewissen aus. So fällt es leicht, den Mann - den die Autorin gemäß Nachwort zum Teil dem berühmten Charlie Chaplin nachempfunden hat - zu mögen. Auch Hetti ist eine Sympathieträgerin, erst recht, da sie sich nicht zu einer Superheldin entwickelt, sondern über den ganzen Verlauf der Geschichte hinweg ein mehr oder weniger talentiertes, aber ansonsten gewöhnliches Mädchen bleibt.

Beeindruckend ist der Plot, dem Spannungselemente, wie man sie von Alfred Hitchcock gewöhnt ist, beigemischt sind. Die Autorin erzählt eine Geschichte, die stellenweise Thriller-Charakter hat und von düsteren Bildern begleitet ist.

Glaubwürdige Charaktere

Ausgezeichnet gelingt Charlotte Freise die Ausgestaltung ihrer Charaktere. Sie gibt den Figuren Tiefe und lässt sie auf eine Weise handeln, die stets glaubwürdig ist. Einzig den etwas schusseligen Gesangslehrer Altheim lässt die Autorin da und dort in einer Weise handeln, die nicht ganz nachvollziehbar ist. Doch am positiven Gesamtbild der Figurenzeichnung vermag diese leichte Irritation nichts zu ändern. Die feinfühlige Art, die Protagonisten darzustellen, macht es zum Schluss des Buches schwer, von den Figuren Abschied zu nehmen. Man möchte durchaus wissen, wie es mit den einzelnen Beteiligten weiter geht.

Wiederum hat Charlotte Freise einen historischen Roman vorgelegt, der durch eine spezielle Atmosphäre und eine ungewöhnliche Geschichte aus der breiten Masse heraussticht. Sie hat ein Faible für düstere Geheimnisse und präsentiert ein faszinierendes Werk voller Überraschungen. Mit intensiven Bildern und einem Blick für Details verwöhnt die Autorin ihre Leserschaft und nimmt sie mit auf eine spannende Zeitreise.

 

Kaltes Herz

Charlotte Freise, Rowohlt

Kaltes Herz

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