Ulzanas Krieg

  • TraumFaenger
  • Erschienen: Januar 2011
  • 0
  • TraumFaenger, 2011, Titel: 'Josanie's War', Originalausgabe
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Annette Gloser
751001

Histo-Couch Rezension vonAug 2012

Apachen!!!

Kurzgefasst:

Zwangsumgesiedelt leben die Angehörigen der Chiricahua-Apachen im Jahr 1885 in der Reservation am Turkey Bach. Ihr Alltag ist von Hunger, Krankheit, Elend und Unterdrückung geprägt. Um diesen menschenunwürdigen Lebensumständen zu entgehen, verlassen am 17. Mai 1885 fünf kleine Gruppen mit insgesamt 35 Männern, 8 Jugendlichen und 101 Frauen und Kindern heimlich ihre Reservation. Die Flucht ruft profilierungssüchtige Politiker und Zeitungsreporter auf den Plan und es beginnt eine erbarmungslose Jagd auf die entflohenen Apachen., sowohl von den Vereinigten Staaten Amerikas als auch Mexikos. Immer wieder gelingt es den Apachen, ihre Verfolger abzuschütteln und zu überlisten, während die weiße Presse das Bild der grausamen und marodierenden Apachen über den Kontinent verbreitet.

 

Die Geschichte beginnt im Mai 1885 und endet im März 1886. Nach ihrer Zwangsumsiedlung leben die Chiricahua-Apachen unter großem Elend in einer Reservation in New Mexico. Hunger und Krankheiten bestimmen ihr Leben und ihren Tod. Von den Weißen unterdrückt, haben sie keine Möglichkeit mehr, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Im Mai 1885 fliehen fünf kleine Gruppen aus der Reservation, eine von ihnen unter Führung ihres Häuptlings Chihuahua und seines Bruders Ulzana (Josanie).

Die Flucht löst eine wilde Verfolgungsjagd aus. Es beginnt eine Hetzjagd durch New Mexico, Arizona und Mexico. Zeitungen schreiben wüste Berichte über die Grausamkeit der "Wilden", Generäle schreiben Kriegsberichte, Hysterie beherrscht die Städte der Weißen. Ulzana als Kriegshäuptling der Gruppe übernimmt den Schutz der Gruppe vor den Verfolgern. Nicht nur Soldaten sondern auch indianische Scouts, Apachen und Navaho, versuchen die Gruppe aufzustöbern und wieder in die Gefangenschaft zurück zu treiben.

Ulzana beweist immer wieder seine Klugheit und seinen militärischen Weitblick, lenkt die Verfolger ab, führt sie in die Irre. Aber auf Dauer ist die kleine Gruppe nicht in der Lage, der Übermacht zu widerstehen. Gehetzt über hunderte von Kilometern, durch Hitze und klirrende Kälte, dezimiert durch Überfälle der Soldaten müssen die verbleibenden Apachen erkennen, dass ihnen nur der Weg bleibt, sich ihren Feinden zu ergeben. Eines jedoch ist ihnen gelungen: Sie können ihrem Gegner einen Vertrag abringen, der ihnen eine ehrenvolle Kapitulation gestattet.

Im März 1886 ergeben sich Chihuahua und Ulzana und begleiten General Crook nach Fort Bowie. Damit endet der letzte Versuch der Apachen, sich Freiheit und Eigenständigkeit zu bewahren.

Keine Spur von Winnetou

Wer eine anrührende Story à la Karl May erwartet, der wird von diesem Buch enttäuscht sein. Schlesier hat akribisch recherchiert und bewegt sich so nah wie nur möglich an der Realität. So hat der Leser oft das Gefühl, keinen Roman sondern eher eine Dokumentation zu lesen. Verstärkt wird dies durch zeitgenössische Presseberichte, Meldungen des Militärs und andere zitierte Aussagen von Zeitzeugen. Gerade diese Berichte erschüttern in ihrer beiläufigen Brutalität und vermitteln einen sehr genauen Eindruck davon, welche Vorurteile gegen die Apachen herrschten und mit welcher Unmenschlichkeit weiße Siedler und das Militär gegen sie vogingen.

 

 

"Es gibt nur einen Weg, wie man gegen die Apachen Krieg führen kann. Sie müssen umzingelt, ausgehungert, überrascht oder - durch weiße Flaggen oder eine andere menschliche oder göttliche Methode - getäuscht und dann umgebracht werden. Falls diese Ideen einen verweichlichten Menschen, der sich für einen Philanthropen hält, entsetzen sollten, kann ich nur ohne Reue sagen, dass ich sein Mitgefühl bedaure. Genauso gut kann ein Mann Mitgefühl für eine Klapperschlange oder einen Tiger empfinden."

 

Die Sprache wirkt oft unterkühlt und seitenweise wird beschrieben, wohin die kleine Gruppe der Verfolgten zog, wie lange sie dort blieb, wohin sie weiter zog. Anfänglich wirkt das befremdend, jedoch wird dem Lesenden dabei immer bewusster, wie gnadenlos Ulzana und seine Krieger gehetzt wurden und auch, welche Entbehrungen sie auf sich nahmen, um in Freiheit leben zu können. Dabei ist der Autor weit davon entfernt, die Apachen als die "edlen Wilden" zu beschreiben, die so viele Jahre durch das Bewusstsein deutscher Leser geisterten. Es wird nicht verschwiegen, dass auch Ulzana und seine Krieger hart vorgehen mussten und blutige Spuren auf ihrem Weg hinterließen in einem Krieg, der auf beiden Seiten ohne Pardon geführt wurde.

Gegen alle Klischèes

Schlesier vermittelt dem Leser genaue Kenntnis über die Wertvorstellungen und die Religion der Apachen. Dabei wird deutlich, wie tief bestimmte religiöse Vorstellungen im Leben der Menschen verwurzelt waren, welche Dinge ihnen heilig waren und ihr Leben bestimmten. Der Leser erlebt ein Gotàl mit (eine Zeremonie für ein Mädchen, das zur Frau wurde) und begleitet einen Jugendlichen auf seinem Weg, ein Krieger zu werden. Einige der Zwischentexte geben Aufschluß über die Legenden und die religiösen Vorstellungen der Apachen. Immer wieder gibt es Stellen im Text, die tief berühren. Dazu gehört auch die Erinnerung Ulzanas an seine Frauen und Kinder:

 

 

Als er zweiundzwanzig Jahre alt war hatte er zum ersten Mal geheiratet. Seine Frau war zwei Jahre jünger gewesen... Als sie ein Jahr später ... in einem Hinterhalt mexikanischer Truppen getötet wurde hatte sie noch kein Kind geboren. Seine zweite Frau und seine siebenjährige Tochter waren 1858... von mexikanische Truppen gefangen genommen worden... Man hatte nie wieder etwas von ihnen gehört. Eine dritte Frau und ein vier Jahre alter Sohn starben 1864 bei einem anderen Angriff auf das Lager... Und seine vierte Frau wurde 1868 bei Alamo Hueco... getötet.

 

Was zunächst in seiner emotionalen Zurückhaltung und akribischen Genauigkeit eher reportagenhaft anmutet, entpuppt sich als lange nachwirkendes Plädoyer für ein Volk, das wir mit vielen Klischées romantisiert aus Filmen zu kennen glauben, dessen Lebenswirklichkeit jedoch weitab von Winnetou liegt.

Der Autor, jahrelang selbst in der anthropologischen Forschung tätig, gibt hier an seine Leser weiter, was er selbst durch seine Forschungen und durch seinen persönlichen Kontakt zur Familie Ulzanas erfahren hat. Hier sei besonders auch der Epilog empfohlen, der die Geschichte der Gruppe von Chihuahua und Ulzana nach der Kapitulation schildert.

Ohne romantischen Ballast

Ulzanas Krieg ist ein interessantes und durchaus auch spannendes Buch. Vom Verlag mit zwei Karten und einem Nachwort des Herausgebers ausgestattet, lässt es kaum Wünsche offen. Ein wenig seltsam mutet die vom Verlag bewusst eingesetzte "Eindeutschung" der Ortsbezeichnungen an. Wortschöpfungen wie "Turkey Bach" erinnern ein wenig an moderne anglophile Firmennamen wie "Back Factory" und sind eher gewöhnungsbedürftig. Hier wäre "Ganz oder gar nicht" wohl das bessere Motto gewesen.

Wie wichtig jedoch dem Verlag das Anliegen ist, sich für die Belange der Indianer einzusetzen, belegen kurze Vorstellungen von Hilfsprojekten im Anhang des Buches.

Ein wenig irritiert, dass das Buch zwar Ulzanas Krieg heißt, der Betreffende jedoch immer mit seinem von den Weißen verliehenen Namen Josanie angesprochen wird. An dieser Stelle sei eindringlich auf das Vorwort verwiesen!

Auf jeden Fall sei dieses Buch allen jenen ans Herz gelegt, die sich für die reale Geschichte der amerikanischen Ureinwohner interessieren und auf phantasievolle Romanzen verzichten können. Sie werden hier ein Buch finden, das ausführlich recherchiert ist, aus den Originalquellen schöpft und informative Lesestunden beschert.

 

Ulzanas Krieg

Karl H. Schlesier, TraumFaenger

Ulzanas Krieg

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