Die Schädeljäger

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • Gmeiner, 2012, Titel: 'Die Schädeljäger', Originalausgabe
Die Schädeljäger
Die Schädeljäger
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonAug 2012

Durchwachsener Thriller um Serienmorde zur Schädellehre

Weimar, 1805. Dr. Franz Josef Gall ist in der Stadt und hält eine Vortragsreihe über seine Schädelkunde, die stets ausverkauft ist. Alles, was Rang und Namen hat, besucht die Vorträge. Der Weinhändler Adrian Dennfelder lehnt eine Vermessung seines Schädels aber ab und steht dieser "Wissenschaft” auch eher skeptisch gegenüber.

Zeitgleich wird auf einer gesellschaftlichen Feier eine Leiche gefunden, der der Kopf fehlt - wodurch ein Zusammenhang mit den Lehren Dr. Galls bereits nahe liegt. Die Polizei in Person des Kriminalinspektors Niemer tappt im Dunkeln, und auch seine Freundin Desdemona, eine an den Rollstuhl gefesselte Seherin, weiß keinen Rat.

Niemer verdächtigt den Weinhändler Dennfelder, denn immer wieder kommt dieser ihm bei den Ermittlungen in die Quere. Doch Niemers Assistent Weiland hat mehr Durchblick und versteift sich nicht auf eine Person. Doch es gibt weitere Tote, und die Polizei kommt nicht voran. Zu allen Übel hat Dennfelder auch noch geschäftliche Schwierigkeiten und Ärger mit seiner nervigen Schwiegermutter. Als es auch um sein Leben geht, überschlagen sich die Ereignisse.

Schädellehre

Der erste gemeinsame Roman von Christiane Gref und Meike Schwegmann entführt die Leser in das Weimar Goethes, ohne dass der Meister selbst auftaucht. Zu dieser Zeit macht sich die Schädellehre breit, nach der anhand der Vermessung des Schädels auf den Intellekt der jeweiligen Person schliessen lassen soll. Dies führt zu jahrmarktmässigen Vorträgen, bei denen Probanden vermessen und verblüfft werden, wobei nicht klar wird, ob es sich auch um Scharlatanerie handeln kann.

Die Vorträge werden hauptsächlich von Personen aus höheren Kreisen besucht, und als auf einer Feier eine kopflose Leiche im Garten gefunden wird, tappt die Polizei im Dunkeln. Einer der Hauptverdächtigen ist jedoch bald der Weinhändler Adrian Dennfelder, der von einigen für einen Schwindler in Sachen Weinkenntnis gehalten wird, und so gibt es auch eine Weinwette mit dem Adligen von Marbach, bei der er sein Wissen beweisen muss. Adrian passt das gar nicht, da er gerade Ärger mit Weinverschnitten in einer Filiale seines Kontors hat und zudem seine Schwiegermutter sein Leben verplant. Er hat es nicht leicht und muss seinen Kopf in verschiedenen Dingen haben.

Nervige Charaktere

Doch Adrian hegt den einen oder anderen Verdacht, was die Toten angeht, und trotz allem stellt er Nachforschungen an, und man fragt sich des öfteren, warum gerade Kommissar Niemer so borniert ist und ihn als Hauptverdächtigen ansieht, statt seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Doch ist dies nicht die einzige Frage, die man sich als Leser bei der Lektüre des Romans stellen kann.

Aktionen wie die Weinwette oder die Rettung seines Weinkontors in Halle sind zwar interessant, zeigen auch nette Facetten des Charakters Dennfelders, sind aber für den Verlauf der Handlung völlig unnötig. Überhaupt geht es nicht unbedingt stringent voran, gelegentliche Erzählteile aus Sicht des Täters frischen die Erzählung zwar auf, gerade in ihrer Brutalität, aber wirkliches Mitfühlen kommt beim Leser irgendwie nicht auf.

Unnötige Nebenstränge

Im Laufe der Handlung werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, der Täter kristallisiert sich schon relativ früh heraus, und eine Begründung für seine Taten wird nur in Ansätzen geliefert. Zu viele Nebenstränge, viele davon unwichtig, stören den Handlungsablauf, und gerade das Thema der Schädellehre hätte noch stärker herausgearbeitet werden können. Hier wurde eine Chance vertan, dieses Phänomen der Schädellehre näher und intensiver zu beleuchten, stattdessen bleiben die Autorinnen hier leider viel zu sehr an der Oberfläche.

Unübersichtlich wird der Roman auch durch sein zahlreiches Personal. Es werden Charaktere eingeführt, die unwichtig sind und später nicht wieder auftauchen, und das eine ums andere Mal verdächtigt man als Leser Personen, die nie wieder auftauchen. Dass Kommissar Niemer sich auf Dennfelder als Täter versteift, ist auch weder nachvollziehbar noch professionell, denn man sollte irgendwann erkennen, dass man den falschen verdächtigt und sich dann auch um eine gescheite Lösung des Falls kümmern, anstatt alles zu versuchen, recht zu behalten. Natürlich ist sein Assistent offener und schlauer und wird am Ende zum Helden, obwohl er vorher fast nie auftauchte.

Überladen und unlogisch

Am Ende des Romans hat man tatsächlich vergessen, wie viele Opfer es gegeben hat, da man zu den Figuren keine rechte Beziehung aufbauen konnte, obwohl man sie vorher alle kennen gelernt hat. Der Täter mutiert dabei am Ende zu einem comic-haften, durchgeknallten Wissenschaftler, was völlig unpassend im Zusammenhang mit dem Rest des Romans ist.

Die Autorinnen haben viel gewollt und die Absicht ist durchaus edel und erkennbar, in der Umsetzung hapert es jedoch leider. Es ist vieles durcheinander, es ist generell viel los, zu viel allerdings, so dass es den Leser mehr verwirrt, aber im negativen Sinn. Zugute halten kann man den Autorinnen, dass sie einen flüssig zu lesenden Sprachstil pflegen und auch die Zeit und die Stadt Weimar gut einfangen und dem Leser nahe bringen. Freunde Weimars werden bestimmt auf ihre Kosten kommen, der eine oder andere Wiedererkennungswert dürfte vorhanden sein.

Mehr Ordnung, bitte!

Doch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Roman letztlich überladen und auch streckenweise unlogisch ist. Die Charaktere wirken größtenteils egal, einzig Dennfelder wird näher beleuchtet. Seine Beziehung zu seiner Frau und vor allem zu seiner Schwiegermutter wird ausgiebig durchleuchtet, und am Ende freut man sich zumindest, dass selbst seine Frau seine Schwiegermutter in die Schranken weist. Das ist etwas klischeehaft und wohl dem Happy End geschuldet, aber immerhin bringt es ein wenig private Würze in den Roman.

Letztlich bleibt ein durchwachsener Roman, der mehr Struktur hätte vertragen können und sich mehr mit seiner eigentlichen Thematik, der im Titel angedeuteten Phrenologie, der Schädellehre, hätte widmen können. Die Autorinnen haben viel riskiert, aber nicht alle Risiken sind aufgegangen. Mehr Ordnung, weniger unwichtige Nebencharaktere und generell mehr Zug im Geschehen würden Wunder wirken und den Roman kompakter gestalten. Einen nächsten Versuch der beiden Autorinnen würde man auf jeden Fall gerne in die Hand nehmen.

Die Schädeljäger

Christiane Gref, Gmeiner

Die Schädeljäger

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