Der sixtinische Himmel

  • Scherz
  • Erschienen: Januar 2012
  • 6
  • Scherz, 2012, Titel: 'Der sixtinische Himmel', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
961001

Histo-Couch Rezension vonMai 2012

Ein beeindruckendes Porträt Michelangelos und der sixtinischen Kapelle

Kurzgefasst:

Italien, Anfang des 16. Jahrhunderts. Der junge Aurelio kommt nach Rom, um dort beim größten Bildhauer seiner Zeit in die Lehre zu gehen: Michelangelo Buonarroti. Gerade hat der Papst diesen gegen seinen Willen mit einem Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle beauftragt. Missmutig macht sich der Künstler ans Werk. Nachts jedoch erschafft er aus weißem Marmor das Bildnis der Frau, die keiner jemals sehen darf: die Kurtisane des Papstes. Aurelio verliebt sich unsterblich in die geheimnisvolle Schöne. Doch seine Liebe wird nicht nur ihm zum Verhängnis...

 

Italien, Forlì 1508. Die Familie des jungen Aurelio wird auf ihrem Lehen überfallen. Da sein älterer Bruder anschließend standesgemäß den Hof übernimmt, muß Aurelio die Familie verlassen. Sein Weg führt ihn nach Rom, wo er beim Bildhauer Michelangelo Buonarotti, den er bereits als Kind kennen erlernt hat, in die Lehre gehen will.

Michaelangelo erinnert sich an ihn und nimmt ihn auf. Doch arbeitet er gerade nicht am Grabmahl aus Marmor für Papst Julius II. Dieser hat ihn damit beauftragt, ein neues Deckenfresko in die sixtinische Kapelle zu malen und somit das Vorgängergemälde zu ersetzen. Widerwillig macht sich Michelangelo an die Aufgabe und sammelt ein paar Freunde zusammen, die ihm helfen.

Während er tagsüber an den Fresken arbeitet, deren Technik er auch erst kennen lernen muss, trifft er sich nachts mit Aphrodite, der Kurtisane des Papstes, die so geheimnisumwittert ist, dass niemand sie sehen darf. Er soll ihr Bildnis in Marmor meißeln, und als Aurelio dieses herausfindet, verliebt er sich unsterblich in sie. Währenddessen hadert Michelangelo mit seinem Werk und legt sich das eine ums andere Mal mit dem Papst an, der endlich das Gemälde sehen will. Da naht der erste Tag der Wahrheit: Die vertraglich vereinbarte Enthüllung der ersten Hälfte...

Ein Jahrhundertwerk entsteht

Leon Morell entführt die Leser seines ersten historischen Romans ins Rom der Renaissance und zu einem der berühmtesten Künstler der Zeit. Geschickt wechselt Morell die Perspektive von einem kleine Landgut hin zur Metropole Rom und dem Vatikan. Hier trifft der Protagonist Aurelio auf Michelangelo, der ihn sofort in seinen Bann zieht und der ihn in seine Künstlergruppe mit aufnimmt. Aurelio lernt durch seine geschickten Hände schnell das Handwerk, allerdings beansprucht der Meister den Löwenanteil der Arbeiten für sich. Allein, warum Aurelio diese Fähigkeit hat, ist über die Gesamtlänge des Romans nicht ersichtlich und hätte daher auch weggelassen werden können.

So werden die Leser in die Techniken der Freskenmalerei und der Farbmischung eingeführt. Natürlich gelingen diese Dinge nicht auf Anhieb, und so wird man auch in die auftauchenden Problematiken eingeführt. Dies wird vom Autor geschickt aufbauend und ohne erhobenen Zeigefinger erzählt, und plötzlich fühlt man sich als Leser, als liege man neben Michelangelo auf den Gerüsten unter der Decke und male mit ihm die Fresken. Auch die Entwicklung des Gesamtgemäldes in seiner Entstehung mit der Veränderung einzelner Motive und auch der Grundstruktur, wie sie in Michelangelos Kopf Gestalt annehmen, ist beeindruckend und nachvollziehbar dargestellt.

Detaillierte Beobachtungen

Dass Morells Roman mehr als gelungen ist, zeigt sich nicht nur in der Genauigkeit seiner Beobachtungen. Er weiß auch genau zu beschreiben, wie das Leben zur Zeit des Renaissance ablief, obwohl der Hauptfokus des Romans natürlich im Vatikan liegt. Er erzählt nie zu ausschweifend und aus einem Guss, zudem ist die Sprache unkompliziert und die Geschichte nicht überladen mit Unwichtigkeiten.

Gelungen sind auch die Charakterstudien der beiden vermeintlichen Kontrahenten Michelangelo und Papst Julius II. Michelangelo ist ein eigenbrötlerischer, kunstbesessener, akribischer Arbeiter, der auch vor Autoritäten nicht zurückschreckt. Diese ist im Vatikan natürlich der Papst, der Michelangelos Auftraggeber ist und ständig wissen will, wie es vorangeht und warum es nicht schneller geht. Dass Michelangelo den ursprünglichen Plan Julius´, ein Fresko mit den zwölf Aposteln zu malen, komplett über Bord wirft, ist da nur das kleinste Problem. Die Gratwanderung zwischen Respekt und "Ich lasse mir nicht ins Handwerk pfuschen" ist überaus gelangen, zumal Michelangelo noch andere "Baustellen" zu umsorgen hat.

Die liebe Familie als gehasste Nebenbaustelle

Nicht nur der Konflikt mit seiner Familie stört seine Tätigkeit. Auch der Auftrag der Kurtisane des Papstes, von ihr ein Porträt in Marmor zu erstellen, nimmt seine Zeit in Anspruch. Davon darf der Papst natürlich nichts erfahren, darf doch niemand Kontakt zur Kurtisane haben. So muss er nachts und an einem anderen Ort arbeiten. Auch hier beweist Morell Überblick und hält den Leser mit seiner geschickten Dramaturgie immer bei der Stange.

Der Höhepunkt des Romans ist zweifellos der Moment, in dem die erste Hälfte der Fresken für Papst und Obrigkeit enthüllt werden und der noch beeindruckender beschrieben wird als der der Gesamtenthüllung. Minutiös beschreibt Morell den Vorgang und die Gesichter und Gefühle der Anwesenden Schar Geistlicher ausgewählter Persönlichkeiten und auch seines Gegners Bramante, der zeitgleich den neuen Petersdom baut. Es ist als wäre man selbst dabei, und man muß tatsächlich erst einmal tief einatmen, nachdem die Enthüllung gelungen ist. Das ist große Erzählkunst und in dieser Intensität nicht häufig zu lesen. Gut, dass sich Morell hier Zeit und Raum nimmt und nicht einfach darüber hinweggeht.

Leon Morell ist ein eindrucksvoller Roman gelangen, der den Leser nicht nur in die Renaissance führt, sondern auch in die Welt der Kunst entführt. Sprachlich nicht zu überfrachtet und mit angenehm kurzen Kapiteln behält er stets den Überblick und weckt im Leser den Wunsch, mal wieder selbst nach Rom zu fahren und die Sixtina zu besuchen. Das besondere Highlight des Romans ist allerdings der Umschlag des Hardcovers. Wenn man ihn abnimmt, kann man ihn auf doppelte Größe aufklappen und hat somit eine Fotografie des kompletten Gewölbes in Händen. Es ist schön, dass es noch Verlage gibt, die sich und ihren Lesern gelegentlich einen kleinen Luxus gönnen. Allein hierfür lohnt sich die Anschaffung des Romans, der nicht nur kunstliebenden Lesern unbedingt zu empfehlen ist, sondern auch rechtzeitig zur 500. Wiederkehr der Fertigstellung im November 2012 erscheint. Man darf auf den nächsten Roman aus der Feder Leon Morells gespannt sein.

Der sixtinische Himmel

Leon Morell, Scherz

Der sixtinische Himmel

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