Die Heilerin von London

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Rowohlt, 2011, Titel: 'The Apothecary's Daughter', Originalausgabe
Die Heilerin von London
Die Heilerin von London
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Histo-Couch Rezension vonApr 2012

Fernab der großen politischen Bühne

Kurzgefasst:

London, 1665. Von der Stiefmutter vertrieben, steht Susannah, die Tochter des Apothekers, vollkommen mittellos da. Notgedrungen fügt sie sich in die Heirat mit einem reichen Kaufmann. Henry ist weitgereist, charmant und weltgewandt, doch ein dunkles Geheimnis umgibt ihn. In dem fremden Haus wird Susannah zunehmend von Albträumen heimgesucht. Nur die Besuche von Henrys Cousin können sie ein wenig aufheitern. William ist Arzt, er weiß Susannhs medizinische Kenntnisse zu schätzen. Denn die junge Frau kennt sich aus mit den heilenden Kräften von Lavendel, Rosmarin und Süßholz. Als die Pest in der Stadt ausbricht und London kurz darauf in Flammen steht, wird Susannahs Wissen immer wertvoller. Bis zur Erschöpfung kämpft sie um die Menschen, die sie liebt. Aber kann sie auch ihr eigenes Herz heilen?

 

Susannah ist die Tochter des angesehenen Apothekers Cornelius Leyton. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat sie nicht nur den Haushalt übernommen, sondern hilft ihren Vater auch in der Apotheke. Ihr Wissen über Heilkräuter, Säfte und Medizin sind ebenso groß wie die ihres Vaters. Doch dann sollte sich plötzlich ihre Welt ändern, als der Vater erneut heiratet. Seine neue Frau Arabella bringt nicht nur drei Kinder mit in die Ehe, sondern vertreibt Susannah auch aus ihrem geliebten Elternhaus. Beinahe aus Verzweifelung heiratet sie den Kaufmann Henry Savage, doch ihn umgibt ein Geheimnis, das die Ehe belastet und Susannah zunehmend vereinsamt. Einzig Henrys Cousin Dr. Ambrose ist ein Lichtblick. Denn zu allem Überfluss hat die Pest London fest in der Hand.

Das Schicksal einer jungen, klugen Frau

Charlotte Betts Susannah ist eine von Wissen verwöhnte Frau. Fernab von den Dingen, die schicklich für eine Frau aus dem 17. Jahrhundert zu wissen sind, weiß sie mehr. Sie kann Latein. Sie kennt Dutzende von medizinischen Büchern und Abhandlungen. Sie weiß um die Zusammenstellungen von Salben, Tränken und Säften. Sie ist eine Vorreiterin ihrer Zeit, die ein eigenständiges Leben führt, ohne als Ehefrau degradiert zu werden. Doch es sollte sich alles ändern, als ihr Vater sich neu vermählt. Seine neue Ehefrau verdrängt sie als Haushälterin des Vaters und aus der Apotheke. Mit 27 Jahren steht sie plötzlich mittellos auf der Straße und muss leider feststellen, dass ihr Wissen ihr nichts nützt. Nur duldsam hinter einem Mann stehend kann sie überleben. Und sie trifft den Nerv der beschriebenen Zeit damit gut. So selbstständig Frauen auch sein wollten, ohne einen Mann an ihrer Seite gelingt ihnen dies nicht und dann auch nur, wenn der Mann sein Einverständnis gibt. So fühlt sich Susannah nach ihrer Heirat oft nutzlos. Völlig tatenlos und stumpf verbringt sie ihre Tage. Dazu kommt noch, dass sie völlig ungeliebt in einem riesigen Haus wohnt.

Die Pest kriecht durch die Straßen

Der sichere Hafen der Ehe ist für Susannah ein Martyrium. Sie kann ihrem Vater nicht mehr in der Apotheke helfen. Dabei werden doch dringend heilwissende Leute gebraucht, denn die große Pest von 1665 hat London fest im Würgegriff. Nur noch wenige Ärzte und Apotheker sind in der Stadt verblieben, entweder sind sie gestorben oder sie haben die Flucht aufs Land ergriffen. Betts gelingt es außerordentlich gut, ein Bild von einer Stadt zu zeichnen, die vom Tod gebeutelt wird. Wahnsinn breitet sich in den Straßen aus. Jeder verdächtigt jeden, die böse Saat der Pest in sich zutragen. Ein leichter Husten genügt schon und sofort wird ein ganzes Haus verrammelt und die Menschen darin eingeschlossen. Es sind beängstigende Szenen, die Betts beschreibt, wie Pestkranke einfach in ihren Häusern zum Sterben eingeschlossen werden. Wer nur in der Nähe eines Pestkranken war, wird ebenfalls sofort unter Quarantäne gestellt. Jeden Abend ziehen Wagen durch die Stadt mit dem Aufruf "Bringt eure Toten raus". Diese werden dann wie Müll auf den Karren gehievt und in einer Pestgrube gekalkt und vergraben. Das ist menschenunwürdig, doch leider nah dran an der Wahrheit. Bei Betts spürt man die Angst, riecht den fauligen Geruch des Todes. In den Beschreibung der Pest und des Todes ist der Roman immer am stärksten, denn er vermittelt einen Blick auf eine Stadt, die verzweifelt versucht zu überleben.

Eine Stadt in Flammen

So stark Betts bei der Beschreibung der Lebensumstände ist, so sehr schwächelt sie in Sachen der Liebe. Es langweilt zuweilen, Susannahs Eheleben zu verfolgen. Susannah dümpelt naiv und stolz dahin, sie jammert viel, ohne ihr Leben selbst wieder in die Hand zu nehmen. Das ändert sich erst mit dem Tod ihres Mannes. Und der kam leider etwas zu vorhergesehen. Doch das ist Betts schnell verziehen, als es wieder zu Sache geht. Denn nicht nur die Schreckensbilder der großen Pest gelingen ihr gut, sondern auch wie London von den Flammen des großen Brandes vernichtet wird. Wie das Feuer zwar die Pest letztlich ausrottet, aber auch eine ganze Stadt entblößt. Wie verzweifelt versucht wird, das Feuer einzudämmen indem Häuser gesprengt werden und Hoffnung auf Regen Tausende von Menschen antreibt.

Ein "Mohr" in London

Betts greift in ihrem Roman auch das Thema der Sklaverei auf. Sicherlich war die Sklaverei in den USA am weitesten verbreitet, aber das heißt nicht, dass es nicht ebenso schwarzen Sklaven in Europa gab. So stammt Betts Henry Savage eigentlich von Barbados, dort hat seine Familie ein riesige Plantage und auch Sklaven. Eines von diesen schwarzen Kindern, in dieser Zeit "Mohren" genannt, lebt bei dessen Tante in London als Page. So etwas kam nicht oft vor, aber es gab sie. Susannahs Ehemann holt auch drei weitere Sklaven nach England, eine Frau mit ihrem Bruder, der die Überfahrt nicht überlebt, und einen Jungen. Susannah ist wie vor dem Kopf gestoßen. Sie kann ihre Ablehnung der Sklaverei nicht in Worte fassen, aber Betts lässt sie eine deutliche Abneigung spüren. Sie kratzt hier und da an der aufkommenden Idee der Unantastbarkeit der Menschenwürde, die sowohl für schwarze als auch weiße Menschen gilt. Natürlich war diese Idee im 17. Jahrhundert noch nicht ausgereift. Aber sie ist da.

Alles in allem hat Betts einen spannenden Blick in ein gebeuteltes London der Jahre 1665 und 1666 geworfen. Sie beschreibt, wie die Mittelschicht den Kampf gegen die Pest geführt hat oder doch lieber die Flucht ergriff. Das Zwischenmenschliche fernab der großen Politik spielt die tragende Rolle in diesem Roman und das ist auch gut so. Einzig bei dem doch sehr klischeehaften und auch kitschigen Happy-End tropft ein bisschen zu sehr der Schmalz. Aber für eine kurzweilige Abendlektüre ist es verzeihlich.

 

Die Heilerin von London

Charlotte Betts, Rowohlt

Die Heilerin von London

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