Der Fluch der Totenleserin

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
  • 7
  • Droemer-Knaur, 2010, Titel: 'The Assassin's Prayer', Originalausgabe
Der Fluch der Totenleserin
Der Fluch der Totenleserin
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Annette Gloser
841001

Histo-Couch Rezension vonMär 2012

Mit Excalibur auf Reisen

Kurzgefasst:

1176: Außer sich vor Wut nimmt Adelia den Befehl Heinrichs II. entgegen, seine Tochter nach Sizilien zu begleiten. Die Reise ist lang und gefährlich. Doch mehr als Kriege und Pest beunruhigen Adelia die heimtückischen Morde, die in dem riesigen Tross passieren. Trachtet man der Prinzessin nach dem Leben? Weiß einer von dem geheimnisvollen, magischen Schwert, das die Prinzessin mit sich führt? Und warum versucht jemand, Adelia als die Mordverdächtige aussehen zu lassen? Die gewitzte Pathologin spürt, wie eine unsichtbare Gefahr ihr immer näher kommt, doch sie kann den wahren Mörder nicht enttarnen. Als Adelia aufgrund ihrer Arbeit in Frankreich von einem Bischof als Ketzerin bezeichnet und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wird, sieht sich ihr größter Feind in der Gefolgschaft der Prinzessin endlich am Ziel. Er wird sie leiden und sterben sehen...

 

England, 1178. Mit knapper Not entgeht Vesuvia Adelia Rachel Ortese Aguilar einem Mordanschlag. Mitten im Wald wird ein Pfeil auf sie abgeschossen. Zu dumm nur, daß besagte Dame davon gar nichts mitbekommt, ist sie doch gerade damit beschäftigt, sich mit einer Bäuerin um eine ziemlich unchristliche Trophäe zu prügeln. Alf und Will jedoch, Adelias selbsternannte Leibwächter, ahnen sofort, wer es auf das Leben der Totenleserin abgesehen hat: Scarry, jenes seltsame Zwittergeschöpf, das mit dem sadistischen Räuberhauptmann Wolf die Wälder rund um Glastonbury zur Todesfalle für Reisende machte. Zwei Jahre zuvor hatte Adelia Wolf getötet, König Henry Plantagenet hatte die Räuberbande verfolgen und ihre Mitglieder aufhängen lassen. Scarry aber scheint entkommen zu sein.

Der Mordanschlag kommt Adelias Liebhaber Rowley gerade recht. Schließlich soll er Adelia im Auftrag des Königs auf eine weite Reise schicken. Mit dem Wissen, daß Scarry ihr auflauert, kann er dem Befehl des Königs etwas mehr Nachdruck verleihen. Denn Adelia soll nach Sizilien reisen, König Henrys Tochter zu ihrer Hochzeit begleiten und dafür sorgen, daß auch das Brautgeschenk Henrys wohlbehalten auf der fernen Insel ankommt. Keinen geringeren Schatz als das berühmte Schwert Excalibur will Henry seinem zukünftigen Schwiegersohn überbringen lassen.

Ein Wunderschwert zum Mitnehmen? Leider möchte auch Henrys aufständischer Sohn Richard Löwenherz das Schwert an sich bringen. Denn was würde seinen geplanten Kreuzzug mehr legitimieren als das Schwert jenes berühmten Königs Artus, des Verteidigers der Christenheit?

Schweren Herzens trennt sich Adelia von England und von ihrer kleinen Tochter. Aber einem Befehl des Königs kann sie sich nicht widersetzen. Und Rowley, der liebende Bischof von St. Albans, glaubt Adelia nun vor den Nachstellungen Scarrys sicher. Niemand ahnt, daß Scarry zum Gefolge der englischen Prinzessin gehört. Und er kann nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn längst hat er sich der Unterstützung des revoltierenden Prinzen Richard versichert. Er kann Excalibur an sich bringen und es Richard übergeben. Und er kann, irgendwann auf der langen Reise nach Sizilien, seine Rache an Adelia üben.

Reisen durch ein großes Land

Der Fluch der Totenleserin führt die Leser in das Jahr 1178 zurück. Leider ist es das definitiv letzte Buch der Reihe um die kluge, ein wenig zickige Ärztin aus Salerno und ihren Liebhaber Rowley, denn die Autorin Ariana Franklin verstarb 2011. In diesem Roman reist Adelia durch halb Europa, um eine kindliche Braut zu ihrem künftigen Ehemann zu begleiten. Die Erzählung bietet tiefe Einblicke in die großen Unterschiede der Kulturen und macht auch deutlich, welche Schwierigkeit es war, das riesige Königreich Henry Plantagenets zu regieren - zumal Gattin und Söhne des regierenden Königs recht rebellische Zeitgenossen waren und ihr eigenes Süppchen kochten.

Dabei gelingt es Ariana Franklin, den oft unheilvollen Einfluß des Klerus auf die Menschen sehr eindrucksvoll darzustellen. Man bekommt eine Vorstellung davon, warum es so fortschrittliche Einrichtungen wie die Medizinschule in Salerno irgendwann nicht mehr geben durfte und das Licht, welches diese und ähnliche Stätten der Wissenschaft entzündet hatten, auf Jahrhunderte verlosch. Dabei ist die Totenleserin Adelia vielen Menschen suspekt und die Autorin zeigt mit Fingerspitzengefühl und gut dosiert, wie unterschiedlich die Reaktionen auf die logisch und wissenschaftlich denkende Frau waren.

Da die Reise den Hochzeitszug an das Mittelmeer führt, werden auch Aquitanien und die Gebiete der Katharer durchquert. Und es ist ein Lesevergnügen der besonderen Art, wenn Ariana Franklin das Hofleben in Aquitanien und die Reaktion englischer Priester darauf schildert. Auch die ersten Anzeichen für den Kreuzzug gegen die Katharer fließen in den Roman mit ein und sorgen für spannungsgeladene, zum Teil auch tragische Momente.

Wer ist Scarry?

Die Autorin schreibt in einer recht modernen Sprache. Trotzdem hat man nie das Gefühl, in einer anderen Zeit als im Mittelalter zu sein. Ariana Franklin spart sich ausschweifende Beschreibungen. Sie beherrschte die Kunst, ihre Protagonisten mit nur wenigen Worten zu charakterisieren. Natürlich sind gerade jene, die in allen vier Romanen der Reihe auftauchen, besonders schillernd. Aber auch viele Teilnehmer des Hochzeitszuges, allen voran die Hofdamen, nehmen für den Leser schnell Gestalt an und werden mehr als nur bloße Namen auf dem Papier. Sehr angenehm auch, daß Adelias Liebhaber Rowley endlich Konkurrenz bekommt. Die von der Autorin geschilderte Szenerie ist bunt und vielfältig, lädt oft zum Schmunzeln ein und vermittelt dem Leser ein plastisches Bild der Zeit.

Es fällt schwer, den Bösewicht Scarry unter den Mitgliedern der Reisegesellschaft auszumachen. Nur wenige Hinweise liefert die Autorin. Diese sind allerdings eher verschwommen und treffen auf mehrere der Reisenden zu. Dazu kommt, daß offenbar Adelia selbst nicht wirklich nach Scarry sucht, sondern irgendwie versucht, die Gefahr für sich selbst zu ignorieren. So ist bis zu den letzten Seiten offen, von wem denn nun die Bedrohung ausgeht und es bleibt spannend bis zum Schluß. Angesichts der abschließenden Ereignisse im Roman bleibt nur, zu bedauern, daß es keine Fortsetzung geben wird. Der Leser muß sich selbst überlegen, wie die Geschichte weiter gehen könnte. Was für eine Herausforderung!

Spannend und bunt

Der Verlag Droemer hat nicht den Fehler gemacht, diesen Roman als Krimi zu deklarieren. Auch wenn die ersten drei Bände der Reihe tatsächlich Histo-Krimis waren: dieses Buch bietet fesselndes Abenteuer und gute Unterhaltung, eine Kriminalgeschichte ist es aber nicht.

Die umfangreichen Anmerkungen der Autorin seien an dieser Stelle zur ergänzenden Lektüre empfohlen, denn sie geben nochmals eine ganz andere Perspektive auf das Romangeschehen frei und versehen den Leser mit einigen nützlichen Kenntnissen.

Mit Der Fluch der Totenleserin kann man sich an den kommenden langen Abenden gut in den Lesesessel kuscheln und einen spannenden, interessanten Abstecher in die mittelalterliche Welt machen. Hier wird wohl so mancher Leser vergessen, daß er längst im Bett sein müsste - und er wird es nicht bedauern.

Der Fluch der Totenleserin

Ariana Franklin, Droemer-Knaur

Der Fluch der Totenleserin

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