Der brausende Kessel

  • Triga
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Triga, 2010, Titel: 'Der brausende Kessel', Originalausgabe
Der brausende Kessel
Der brausende Kessel
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Eva Schuster
431001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2012

Eintauchen in die Zeit der Cherusker

Das Römische Reich kurz nach Christi Geburt: Tiberius, Adoptivsohn des Kaiser Augustus, übernimmt als Heerführer das Kommando in Germanien. Neben einigen gewaltsamen Unterwerfungen kommt es auch zur Unterwerfung der Cherusker, die mit Tiberius einen Vertrag zur Unterstützung eingehen - Tiberius fordert daraufhin zehn Hundertschaften ein.

Die Söhne des Cheruskerfürsten Sigmar, Arminius und Flavus, treten in römische Dienste ein. Interessiert beobachtet der junge Arminius das taktische Vorgehen des Tiberius. Tiberius wiederum schätzt die offene Art des Cheruskers, der sich selbstbewusst zeigt. Nach und nach werden die beiden zu Vertrauten - doch eines Tages wird sich Arminius gegen die Römer stellen ...

Rund 2000 Jahre später: Ein Mann namens Paul Hugo wird in einem Wald aufgefunden und in eine Klinik eingeliefert. Offenbar hat er sein Gedächtnis verloren. Er erzählt von einem Aufenthalt bei den Nornen, die ihm Geschichte über die Cherusker diktieren und zitiert aus der Edda, der mittelalterlichen Sagensammlung. Zur Verzweiflung des Patienten hält man ihn nicht nur für verrückt - ihm wird auch vorgeworfen, seine Schwester ermordet zu haben ...

Tiberius und Arminius neu beleuchtet

Antike Geschichte trifft deutsche Gegenwart, so lässt sich das Vorhaben S. Paul Hugos zusammenfassen, der dem Protagonisten und Ich-Erzähler der Gegenwartshandlung kurzerhand seinen eigenen Namen gibt.

Der historische Handlungsteil führt den Leser zurück ins frühe 1. Jahrhundert nach Christi Geburt. Mit dem späteren Kaiser Tiberius und dem Cheruskerfürst Arminius stehen zwei reizvolle und vielschichtige Personen im Fokus des Geschehens. Beide Gestalten wurden und werden in der Geschichtsforschung kontrovers diskutiert: Tiberius erlangte vor allem vor seiner Zeit als Kaiser bedeutende militärische Erfolge; indes stellten antike Historiographen ihn hauptsächlich als tyrannischen Herrscher dar, der auf seinem Alterssitz Capri minderjährige Knaben missbrauchte. In der modernen Zeit folgten teils radikale und teils ausgewogene Rehabilitierungsversuche, die die ursprünglichen negativen Urteile zu erklären versuchen.

Nicht weniger gegensätzlich sind die Meinungen zum Cheruskerfürst Arminius. Bekannt ist er vor allem für seinen Sieg bei der Varusschlacht im Teutoburger Wald des Jahres 9. n. Chr., der dem Römischen Reich eine ihrer größten Niederlagen beibrachte. Nur spärlich sind antike Quellen zu Arminius auszumachen, umso intensiver wurde seit jeher der Mythos gepflegt: Als Befreier Germaniens hat ihn die Frühe Neuzeit dargestellt, als Hermann der Cherusker wurde er als deutsches Vorbild vereinnahmt. Seit dem 19. Jahrhundert werden Zusammenhänge zum Nibelungenlied und eine Identifikation mit dem Drachentöter Siegfried diskutiert - obgleich der germanische Name des Arminius aus keiner Quelle bekannt ist, liegt eine Namensgleichheit nah, basierend auf dem Wortstamm Sieg-, der in seiner Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Auch in Der brausende Kessel wird der Cheruskerfürst zunächst Sigfrid genannt, ehe ihm sein römischer Name verliehen wird.

Grundsätzlich wird das zwiespältige und komplexe Verhältnis zwischen Arminius und Tiberius recht interessant beleuchtet. Arminius wird von den Römern in Rhetorik und der Fechtkunst geschult; vor allem aber führt er immer wieder tiefgehende Gespräche mit Tiberius über Philosophie, über die Götter und über Heldenverehrungen; er erläutert ihm militärische Schritte und debattiert mit ihm über die unterschiedlichen Kulturen von Römern und Cheruskern. Dabei sticht insbesondere Tiberius als reizvoller und facettenreicher Charakter hervor; fraglos erscheint der spätere römische Kaiser in diesem Werk als vielschichtige Figur, auf deren weiteres Leben und Wirken ein unbedarfter Leser sicher neugierig wird. Tiberius zeigt sich hier als intelligenter Feldherr mit einem Hang zur leisen Ironie und bildet einen ergänzenden Gegensatz zum oft ungestümen Arminius. Zu kurz kommt allerdings die Wandlung des Cheruskerfürsten zum Römerfeind, auch die legendäre Varusschlacht erhält hier deutlich weniger Raum, als viele Leser erwarten dürften.

Schwache Gegenwartshandlung, gewöhnungsbedürftiger Stil

Es ist generell kein leichtes Unterfangen, eine in der Gegenwart angesiedelte Handlung mit antiken Ereignissen zu verknüpfen - in diesem Fall ist dies ambitionierte Unterfangen nur sehr mäßig geglückt. Immer wieder werden zwischen die historische Handlung Kapitel geschaltet, in denen der Ich-Erzähler Paul Hugo von seinem Schicksal berichtet. Drei Jahre zuvor soll er seine Schwester erstochen haben, schließlich ereignen sich während seines Klinikaufenthaltes noch zwei weitere Todesfälle unter seinen Besuchern, die er durch Vergiftung herbeigeführt haben soll. Sein einziger Vertrauter in dieser scheinbar hoffnungslosen Lage ist der Arzt Dr. Klasen, der ihm beisteht. Nicht nur für den Protagonisten, auch für den Leser sind diese Ereignisse zunächst sehr verwirrend. Die Verbindung zur Vergangenheit besteht in den Visionen, die Paul Hugo durch die Schicksalsfrauen eingegeben werden; diese Verknüpfung wirkt jedoch zu gewollt mit der historischen Handlung verbunden. Das Mordkomplott, in das der Ich-Erzähler verwickelt ist, läuft gewiss nicht ohne Spannung ab, schließlich ist vollkommen offen, wer ihm die Morde anhängen möchte und warum sie begangen wurden. Allerdings lenkt dieser kriminalistische Teil stark von den antiken Ereignissen ab; bisweilen ergibt sich für den Leser dadurch das Gefühl, zwei unterschiedliche Romane parallel zu lesen.

Passagenweise lässt sich der Roman zwar recht flüssig lesen, doch immer wieder fließen unnötig komplizierte und übertrieben pathetische Sätze ein, die den Lektürefluss hemmen. Altmodische Worte, rhetorische Fragen des Erzählers und eine hochgestochene, umständliche Ausdrucksweise gehören zu den Stolpersteinen, mit denen das Werk den Leser konfrontiert.

So bleibt unterm Strich ein sicherlich ambitionierter Roman, der einige interessante historische Aspekte präsentiert, insgesamt aber nur mäßig überzeugen kann. 

Der brausende Kessel

S. Paul Hugo, Triga

Der brausende Kessel

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