Mozarts letzte Arie

  • C.H. Beck
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • C.H. Beck, 2011, Titel: 'Mozart's Last Aria', Originalausgabe
Mozarts letzte Arie
Mozarts letzte Arie
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonFeb 2012

Mozarts Schwester untersucht seinen Tod

Kurzgefasst:

Wien 1791. Vor sechs Wochen hat Wolfgang Amadeus Mozart den Verdacht geäußert, vergiftet worden zu sein. Nun, am 5. Dezember, ist er tot, Diagnose: "hitziges Frieselfieber". Fast vierzig Jahre später überreicht seine Schwester "Nannerl" ihrem Neffen Franz Xaver, Mozarts Sohn, das Tagebuch einer Reise nach Wien kurz nach Mozarts Tod. Es erzählt die Geschichte ihrer Suche nach der Wahrheit, die sie in die Salons des Wiener Hochadels, in Geheimlogen und Konzertsäle, Palais und Opernsäle führt und mit den Komplotten österreichischer und preußischer Geheimdienste konfrontiert. Im Zentrum steht Mozarts letzte Oper "Die Zauberflöte", die den Schlüssel für das Geheimnis um Mozarts Tod enthalten mag.

 

Im Oktober 1829 sitzt die gealterte Maria Anna Berchtold, geborene Mozart und genannt "Nannerl", in ihrem Heim in St. Gilgen und überreicht ihrem Neffen Franz Xaver Wolfgang einen Stapel Notizen. Dieser enthält ihren Bericht über ihre Nachforschungen nach dem Tod ihres berühmten Bruders im Jahr 1791. Wolfgang Amadeus Mozart soll vergiftet worden sein.

Drei Jahre hatte sie keinen Kontakt mehr zu Wolfgang, als sie die Nachricht des Todes erreicht. Sofort packt sie ihre Sachen und reist nach Wien, um Mozarts Witwe Constanze beizustehen und selbst an seinem Grab zu beten. Noch in Constanzes Haus wird der Verdacht geäußert, Wolfgang sei keines natürlichen Todes gestorben, und so sucht Nannerl seine Weggefährten auf, um dem Geheimnis seines Todes auf die Spur zu kommen. Dabei gerät sie tief in Machenschaften der Freimaurer, in grenzübergreifende Staatsangelegenheiten und bringt sich selbst in äußerste Gefahr. Schließlich tritt auch der Kaiser selbst auf den Plan...

Wurde Mozart ermordet?

Schon oft musste Mozarts Tod für Kriminalromane herhalten, ist die Todesursache doch immer noch unbekannt, was auch daran liegt, dass man nicht weiß, wo genau seine sterblichen Überreste sind, um dies mit heutigen Methoden nachprüfen zu können. Spekulationen schießen ins Kraut, zumal in Zusammenhang mit Mozart Oper "Die Zauberflöte", die freimaurerische Symbole und Handlungen enthalten soll, wodurch Motive ausreichend vorhanden sind. Dieser Ausgangssituation bedient sich Matt Beynon Rees ebenfalls, setzt aber in seinen Forschungen viel früher an, indem er Mozarts fünf Jahre ältere Schwester selbst ermitteln lässt und so einen viel persönlicheren Bezug herstellt.

Natürlich spielen geheime Botschaften eine Rolle, aber dafür war ja der Kindskopf Mozart sowieso bekannt. Da Mozarts Witwe Constanze kein Geld hat, sieht sie sich gezwungen, Handschriften ihres Mannes zu veräußern, Nannerl besteht jedoch darauf, zuvor noch Abschriften davon zu machen. Sie untersucht die ausgewählten Werke und findet tatsächlich Hinweise auf eine Verschwörung. Sie spricht nicht nur mit Constanze, sondern auch mit Emanuel Schikaneder, dem Librettisten der "Zauberflöte", und freundet sich mit Baron Gottfried van Swieten an, dem Direktor der kaiserlichen Bibliothek und Freund Mozarts. Weitere Persönlichkeiten aus Mozarts Umfeld säumen Nannerls Weg, der sie schnell in den Bereich der Freimaurerei führt, und sie findet heraus, dass Mozart eine neue Loge gründen wollte. Grund genug für einen Mordanschlag?

Wer ermordete Mozart?

Rees spinnt die bekannten Geschichten um Mozarts Tod weiter und stellt Zusammenhänge her, die durchaus nachvollziehbar sind und so den Fall in neue Dimensionen vordringen lässt, die nicht einmal abstrus erscheinen. Dazu fängt er die Atmosphäre Wiens im Dezember 1791 gut ein. Das Wetter ist schlecht, die Stimmung im Winter immer etwas bedrückend, und ein weiterer Mordfall kann leicht in den selben Zusammenhang gebracht werden. Der Selbstmord des Musikers Hofdemel, der seine Frau verstümmelt hat, nachdem er ihr eine Affäre mit Mozart vorgeworfen hat, ist historisch belegt und dient als Nebenhandlung. Manche Dinge kann man sich nicht ausdenken, die müssen tatsächlich passieren.

Die Charakterisierungen der Personen sind treffend und nicht übertrieben. Mozart selbst taucht natürlich auf, schwebt aber immer über dem Roman, vor allem dann, wenn seine Musik gespielt wird, sei es von Nannerl selbst oder bei ihrem Besuch der "Zauberflöte". Hier lohnt es sich, zu Hause bei der Lektüre des Romans vielleicht in den eigenen Musikschrank zu greifen und sein Werk zu genießen, oder, falls möglich, selbst zum Instrument zu greifen und den Meister auferstehen zu lassen.

Weite Dimensionen

Einige Details sind dann allerdings doch auffallend. Zum einen ist die Zauberflöte nicht Mozarts letzte Oper, sondern "La Clemenza di Tito" (wenngleich deren Uraufführung vor der der Zauberflöte lag), zum anderen steht die Ouvertüre der "Zauberflöte" nicht in E-Dur, wie im Roman behauptet, sondern in Es-Dur. Nicht so wichtig, mag man meinen, aber gerade wenn es um die Symbolik von Tonarten geht (E-Dur hat vier Vorzeichen, Es-Dur nur drei, und die Zahl drei ist in der Zahlensymbolik eine starke Zahl), von entscheidender Bedeutung. Ob hier der Autor falsch liegt oder es eine Fehler in der Übersetzung ist, kann hier nicht geklärt werden, aber ärgerlich ist es trotzdem. Auch die Übersetzungen der Originalzitate aus Opern hätten gerne den gängigen Aufführungspraktiken folgen können und nicht einfach wörtlich übersetzt werden können. So wird aus der Arie der Königin der Nacht "Der Hölle Rache kocht im meinem Herzen" schnell "Der Hölle Rache brennt in meinem Herzen", was durch gründlichere Recherche hätte verhindert werden können. Das ist letztlich nicht entscheidend, aber jeder Musiker wird darüber stolpern und sich ärgern.

Im Fall selber gerät Nannerl immer mehr in Gefahr, je näher sie der Lösung kommt. Schnell steht fest, dass Mozart ermordet wurde, fragt ich nur, warum und von wem. Die Spur führt bis zu einer Reise Mozarts nach Berlin zum preußischen König und erhält somit Dimensionen, mit denen vorher nicht zu rechnen war. Etwas wirr wird es schon gegen Ende, aber bleibt nachvollziehbar und hält sich in Grenzen.

Starker Geschwisterbezug

Sehr gut gelungen ist der persönliche Bezug Nannerls zu Wolfgang, die seit drei Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Ihre Gefühle zu ihrem Bruder werden gut und glaubhaft geschildert, immer wieder bestätigt durch ihre starke äußere Ähnlichkeit mit ihm, worauf sie auch gelegentlich angesprochen wird. Von ihren starken Gefühlen, vor allem auch durch die Musik wieder heraufgeholt, beeinflusst, verliebt sie sich auch, wobei es diesen Aspekt in dem Roman eigentlich bedurft hätte, zumal er historisch nicht haltbar ist. Dieser Teil wurde in den Roman hineinkonstruiert und wirkt doch etwas störend.

Ein Nachwort des Autors, eine Auflistung der im Roman aufgeführten Musik und eine Karte von Wien in dem Buchklappen mit Herausstellung der beteiligten Orte ergänzen den Roman von Matt Beynon Rees. Insgesamt kann der Roman trotz kleiner Schwächen, die auf der Übersetzung beruhen können, als gelungen bezeichnet werden. Nicht nur Musiker dürfen sich auf einen spannenden Roman um Mozarts Tod freuen, der ein paar neue Aspekte in der Gerüchteküche aufweist und die vielleicht genauso unhaltbar oder haltbar sind wie alle anderen auch. Wir werden es nie erfahren.

Mozarts letzte Arie

Matt Beynon Rees, C.H. Beck

Mozarts letzte Arie

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