Der Glasmaler und die Hure

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  • Erschienen: Januar 2005
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  • , 2005, Titel: 'Der Glasmaler und die Hure', Originalausgabe
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Vanessa Brinker
851001

Histo-Couch Rezension vonJul 2006

Das Deutschland des Dreißigjährigen Krieges wird wieder lebendig!

Magdeburg 1631. Während die Truppen des katholischen Feldherrn Tilly in der Stadt wüten, wird der Glasmaler Martin Fellinger von Unbekannten überfallen und dessen Frau getötet. Die Hure Thea, seine Jugendliebe, rettet ihn aus der brennenden Stadt. Mit ihr macht Martin sich daran, die Mörder zu finden.

Magdeburg 1631. Die protestantische Stadt an der Elbe wird schon seit einiger Zeit von dem katholischen Feldherrn Tilly und seinen Truppen belagert. Während die Bevölkerung noch auf eine Rettung durch die schwedischen Truppen hofft, welche sich auf dem Weg befinden sollen, bricht das Chaos über Magdeburg herein: Tillys Söldner stürmen die Stadt und verwandeln sie in ein flammendes Inferno.

Noch während der katholische Terror in der Stadt tobt, stürzt das Leben des Glasmalers Martin Fellinger wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Als Tillys marodierende Söldner durch die Straßen ziehen, üben seine Vettern – Rupert und Bertold – üble Rache. Seit Jahren schon neiden sie Martin sein Glück, welches sie nun nachhaltig zerstören. Sie erschlagen seine Frau Sophia und schießen Martin nieder.

Auf ihrer Flucht durch die Stadt findet die Hure Thea den verletzten Glasmaler. Sie rettet sich und ihre Jugendliebe aus der brennenden Stadt und pflegt ihn gesund. Doch der seelische Schaden sitzt zu tief. Sie kann ihn von seinem Vorhaben, die Mörder Sophias zu finden, nicht abhalten.

Krieg und Terror im 17. Jahrhundert

Mit ";Der Glasmaler und die Hure"; ist es Michael Wilcke gelungen, ein Stück deutsche Geschichte lebendig werden zu lassen. Anschaulich schildert er den Dreißigjährigen Krieg und die Zerstörung Magdeburgs und schreckt auch vor grausamen Bildern nicht zurück. Szenen wie ";Die Straßen waren voller Leichen. Mit weichen Knien trat Thea über die verrenkten Leiber hinweg und wich den starren Blicken der vor Schreck und Todesangst geweiteten Augen aus."; oder ";Erschüttert beobachtete sie, wie sich junge Mütter mit ihren Kindern vom Wall in die Tiefe stürzten,…Die Frauen zogen den Tod einer grausamen Behandlung durch die Plünderer vor"; führen dem Leser die dramatischen und traumatisierenden Zustände deutlich vor Augen.

Starke Story vs. schwache Charaktere

Dank der klaren Sprache, in der der Autor diesen Roman verfasst hat, liest sich die Geschichte sehr flüssig. Hintergrundinformationen, die zum Verständnis des Buches unumgänglich sind, wurden direkt in die Geschichte eingearbeitet.

Leider sind die Charaktere zum Teil sehr farblos gehalten, eine Tatsache, die leider sogar für die Hauptfiguren gilt. So ist während der Lektüre nicht immer klar ersichtlich, wieso die Protagonisten nun gerade so handeln, wie sie es tun. Es wäre schön gewesen, hätte Michael Wilcke dem Leser öfter erlaubt, in die Gedankenwelt seiner Figuren einzutauchen. Auch bleiben viele Fragen offen. Ein gutes Beispiel bieten die Brüder Rupert und Bertold. Wieso Rupert Bertold in der Form liebt, wie er es tut, wird in keinem Moment ersichtlich. Es hätte der Geschichte sicherlich nicht geschadet, wäre Wilcke auf solche Details mehr eingegangen.

Dafür wird das Leben, welches die Trossleute führen, sehr lebendig geschildert. Gerade die vielen kleinen und großen Alltagsfragen und Probleme werden deutlich hervorgehoben. Thea und Martin reisen mit dem schwedischen Tross von Schlacht zu Schlacht, nachdem sie im Wald zufällig auf einen der Heilkundigen des Zuges stoßen. Conrad nimmt die beiden auf seinem Wagen mit und bietet sowohl Martin als auch Thea die Möglichkeit, ein einigermaßen erträgliches Leben innerhalb des Trosses zu führen. Um für die Behandlung Martins aufkommen zu können, muss sie allerdings ihren alten Beruf wieder ausüben. Für eine Frau an sich war das Leben im Tross schon nicht einfach. Vieles musste improvisiert werden, außerdem bestand ständig die Gefahr, von einem Soldaten oder Rumtreiber ausgeraubt zu werden. Für eine Hure jedoch konnte so eine Gruppe wenigstens ein gewisses Auskommen sichern.

Massaker enden im Feldlazarett

Die Schlachten, in die die schwedischen Soldaten verwickelt werden, werden ebenfalls sehr detailliert beschrieben. Ob es sich nun um das Massaker auf dem Schlachtfeld handelt, oder um die meist doch sehr katastrophalen Zustände in den provisorischen Feldlazaretten, Michael Wilcke beschwört eindrucksvolle Bilder herauf. Oft sind es keine leicht Verletzten, die den Weg in die Lazarette finden, und je länger die Schlacht dauert, desto weniger Medikamente sind vorhanden. Dem Leser wird auch hier einiges geboten. Operationen, offene Brüche und nicht selten sogar Amputationen von Gliedmaßen ohne Narkosen. Als dann aber Martin, der sich nach seiner Genesung als Arztlehrling bei Conrad in der Ausbildung befindet und tatkräftig seinen Lehrherrn bei seinen Aufgaben unterstützt, in einem der Verwundeten einen alten Bekannten wiedererkennt, setzt Wilcke allem die Krone auf: Er lässt einen Mann zu einem Mörder werden, von dem der Leser das genaue Gegenteil erwartet.

Als klares Plus für diesen historischen Roman wäre die Story zu nennen, die keine Hänger oder Längen aufweist. Allerdings ist sie oftmals sehr schnelllebig, so dass der Leser sich plötzlich mit Gegebenheiten abfinden muss, die im Vorfeld der Geschichte gar nicht oder kaum zur Debatte standen. Als Beispiel wäre da die Hochzeit von Thea und Martin zu nennen. Ganz nebensächlich wird kurz über dieses Ereignis gesprochen, welches der Leser den beiden Hauptfiguren auch von ganzem Herzen gönnt. Die Geschichte spitzt sich mit jeder Zeile auf genau dieses Fest zu. Und dann wird die Hochzeit der Leserschaft vorenthalten. Von Michael Wilcke weiß ich, dass er niemals vorhatte dieses doch einschneidende Erlebnis ausführlich zu behandeln. Trotzdem kommt man sich als Leser betrogen vor.

";Der Glasmaler und die Hure"; ist unterm Strich gesehen ein sehr interessanter Roman, der Lesevergnügen pur bietet. Er ist vielseitig geschrieben und spannend bis zur letzten Seite. Auch wenn einige Szenen nichts für schwache Nerven sind, sollte man sich nicht scheuen, dieses Buch zur Hand zu nehmen.

Der Glasmaler und die Hure

Michael Wilcke, -

Der Glasmaler und die Hure

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