Das Lied des Achill

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  • Erschienen: Januar 2011
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  • , 2011, Titel: 'The Song of Achilles', Originalausgabe
Das Lied des Achill
Das Lied des Achill
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonSep 2011

Der Trojanische Krieg entstaubt und spannend neu erzählt

Kurzgefasst:

Patroklos, ein in Ungnade gefallener Prinz im Knabenalter, wird ins Exil nach Phthia geschickt, wo er, als einer unter vielen, im Schatten des Königs Peleus und seines Sohnes Achill einsam und unbeachtet lebt, bis Achill sich eines Tages seiner annimmt. Die zaghafte Annährung entwickelt sich bald zu einer unerschütterlichen Freundschaft. Seite an Seite wachsen Achill und Patroklos zu jungen Männern heran, und bald erblüht eine zarte Liebe zwischen ihnen. Der Friede wird jedoch jäh zerstört, als Paris Helena aus Sparta entführt und sich die Männer Griechenlands zum Kampf gegen Troja versammeln. Verführt von der Prophezeiung seiner ruhmreichen Bestimmung, schließt sich Achill ihnen an. Patroklos, innerlich von Angst und Liebe zerrissen, folgt Achill in den zehn Jahre währenden Krieg, nicht ahnend, dass er das Schicksal seines geliebten Freundes in die Hände der Götter geben muss.

 

Als der Königssohn Patroklos aus Versehen einen Jungen tötet, wird er verbannt und nach Phthia an den Hof seines Onkels König Peleus geschickt. Dort befreundet er sich mit dessen Sohn, seinem Cousin: Achilles, dessen Mutter Thetis eine Göttin ist und die weissagt, dass Achilles einst der grösste Krieger seiner Zeit sein wird. Achill und Patroklos werden ein Liebespaar.

Erzogen werden sie von Cheiron, einem Zentauren, bis der Trojanische Krieg ausbricht: Paris hat Helena aus Sparta entführt und nach Troja gebracht, und die Verbündeten fahren an die Westküste der heutigen Türkei, um Helena zu befreien. Doch der Krieg dauert Jahre, bringt kein Ergebnis und wird zur Zerreißprobe für alle Beteiligten.

Achill wurde geweissagt, dass er sterben werde, aber nicht, bevor nicht Hektor, der beste der trojanischen Kämpfer, gefallen sei. So vermeidet er über Jahre eine Begegnung mit ihm und verweigert sogar das Kämpfen überhaupt, bis Patroklos die Initiative ergreift und das Kriegsgeschehen in die Hand nimmt.

Neuerzählung von Teilen aus Homers Ilias

Die amerikanische Autorin Madeline Miller hat sich des Stoffs der Ilias von Homer angenommen, ihn kräftig entstaubt und für ihren ersten Roman für ein breites Publikum lesbar gemacht. Aus der Sicht von Patroklos erzählt sie die Geschichte seines Cousins Achill, wie er aufwächst, bei seinem Lehrmeister Cheiron erzogen wird und schließlich als Königssohn und geweissagter größter Krieger seiner Zeit in den Krieg nach Troja zieht. Dabei findet sie ein klare Sprache, die es jedem Leser leicht macht, der Geschichte zu folgen und sie auch nachvollziehen zu können. Manche werden die Sprache für zu einfach befinden, aber damit geht sie konsequent ihren Weg und schafft eine südländische Atmosphäre, wie man sie sich vielleicht aus dem letzten Griechenlandurlaub vorstellt. Das muss nichts schlechtes sein.

Ein großes Plus des Romans ist es tatsächlich, dass man die griechischen Namen, die man vielleicht selbst noch aus der Schule oder nur aus Kreuzworträtseln kennt, zuordnen und wiedererkennen kann. Nach der Lektüre des Romans werden sich viele Rätsel um die klassischen Sagen Griechenlands gelöst haben, wenn auch nicht alle. Aber Namen wie Odysseus, Herakles, Paris, Hektor, Helena, Perseus, Apoll und natürlich Achilles, um nur einige zu nennen, werden in den bekannten Zusammenhang gesetzt und allgemein verständlich gemacht. Allein hiermit erweist das Buch seiner Leserschaft einen großen Dienst.

Ein ereignisloser Krieg

Dabei ändert die Autorin die Geschichte nicht, sondern bleibt so nah wie möglich an der Ilias von Homer, auch wenn man einige Punkte wie die Sache mit der Ferse des Achill vielleicht anders in Erinnerung hat. (Die Sache mit dem Pferd geschah erst nach dem Tod des Achill und nimmt daher nur den Raum eines Nebensatzes gegen Ende des Romans ein.) Madeline Miller beschreibt den Krieg so, wie man eigentlich täglich zur Arbeit geht, aber nach der ersten Euphorie und den mangelnden Ergebnissen wird das Kämpfen zur Routine, und über die Jahre (!) werden viele auch vergessen haben, warum man eigentlich da ist.

 

 

Es war ein sonderbarer Krieg. Ohne Landgewinn, ohne Gefangene. Allein um Ehre wurde gekämpft, Mann gegen Mann. Mit der Zeit entwickelte sich auf beiden Seiten ein erkennbarer Rhythmus. An sieben von zehn Tagen wurde gekämpft, die restliche Zeit blieb festlichen Riten und Begräbnissen vorbehalten.

 

Der Autorin gelingt der Spagat zwischen Mythos und Geschichte, indem sie sie einfach miteinander kombiniert. So treten Götter und Halbgötter auf, mit Cheiron, dem Lehrer der beiden Jungen, sogar ein Zentaur. Aber dies wird einfach wie selbstverständlich erwähnt und nicht unnötig aufgebauscht, auch wenn manche Götter das gerne so hätten (wie beispielsweise Achills Mutter Thetis, eine wunderbar böse, grantige und unzufriedene Figur). Ohne Götter funktioniert die Geschichte um Troja nicht, doch bekommen sie nicht mehr Bedeutung als nötig, lassen sie doch die Menschen für sich gegeneinander kämpfen. Die griechische Mythologie war nie besonders menschenfreundlich.

Götter gegen Menschen

Die Erzählperspektive aus Patroklos' Sicht bringt dem Leser die Geschichte an sich und natürlich besonders Achill sehr nahe, auch die Gefühle der beiden füreinander. Zudem hat Achill immer wieder Kontakt zu seiner Mutter Thetis, der Nymphe, die Patroklos nicht mag und das auch immer wieder zeigt (sollte man es sich mit einer Göttin verscherzen...?). Man lernt viel über Achill und Patroklos und kommt beiden und somit der Mythologie um Troja und den Krieg näher, als man es bislang konnte. Auch hierin liegt ein Verdienst der Autorin: Sie macht die homerischen Helden menschlich, man versteht ihre Stärken und Schwächen, und auch die Götter können das Verständnis der Leser erwarten. Interessant gelöst ist das Problem, dass Patroklos noch vor Achill getötet wird, und doch ist er der Erzähler der Geschichte. Doch das soll hier nicht verraten werden. Dass Patroklos vor Achill stirbt, ist auch kein Spoiler, denn so steht es in der Ilias und ist keine neue Idee. Wen überrascht es, wenn in einem Buch über die Titanic das Schiff sinkt?

Madeline Miller schafft mit Das Lied des Achill eine gelungene Atmosphäre und führt den Leser in das antike Griechenland, ohne dass er verwirrt und angestaubt durch unverständliche Mythen geführt wird. Wer diesen Roman liest, wird sich für mehr Geschichten und Sagen aus dem antiken Griechenland interessieren. Leider gibt der deutsche Buchmarkt nicht sehr viel in diesem Bereich her, wenn es um Belletristik geht. Möge sich Autorin beeilen und bald einen weiteren Roman vorlegen, in dem sie wieder die Sagen entstaubt. Wäre der Roman Schullektüre, würden sich bestimmt mehr Leute für die griechische und auch römische Mythologie interessieren. Vielleicht ein Hinweis Richtung Buchmarkt? Alte Geschichten neu erzählt, das muss nicht unmöglich sein, wie Das Lied des Achill beweist.

Einziges Manko des Romans ist vielleicht, dass es keine Karte gibt, und auch ein Personenregister könnte helfen, die bekannten und unbekannten griechischen Namen besser den Parteien zuordnen zu können. Vielleicht wird dies ja noch in kommenden Auflagen ergänzt. Lesenswert.

Das Lied des Achill

Madeline Miller, -

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