Das Kreuz der Hugenotten
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2011
- 3
- Gmeiner, 2011, Titel: 'Das Kreuz der Hugenotten', Originalausgabe
Wie aus Refugiés Berliner wurden
Kurzgefasst:
Berlin um 1700. Die Stimmung zwischen eingewanderten französischen Calvinisten und deutschen Lutheranern ist angespannt, denn beide Gruppen müssen sich eine enge Kirche teilen. Der Handschuhmacher Paul Deschamps und seine Landsleute planen daher ein eigenes Gotteshaus. Kurfürst Friedrich stimmt dem Bau zu und gewährt auch der deutschen Gemeinde einen neuen prächtigen Dom direkt gegenüber dem Französischen Dom. Zwischen den beiden Kirchen soll eine Gendarmenkaserne entstehen, die dem Platz seinen Namen gibt. Doch während des Baus stürzt der Deutsche Dom ein und der Mob wendet sich gegen den Hugenotten Paul.
Berlin, um das Jahr 1700. Mittlerweile lebt in diesem hinterwäldlerischen Kaff eine große Gemeinde französischer Refugiés, unter ihnen auch der Handschuhmacher Paul Deschamps und seine Frau Claire. Paul, ein fleißiger und vorausschauender Mann, steht vor großen Problemen. Problem Nummer eins: Die Handschuhe, die er herstellen lässt, sind von minderer Qualität, weil das Leder, das er in Berlin kaufen kann, ebenso von schlechter Qualität ist. Nur mit dem aus der Heimat mitgebrachten Leder kann er gute Handschuhe herstellen und ins Ausland exportieren.
Problem Nummer zwei: Die Refugiés nutzen eine Kirche gemeinsam mit einer deutschen, lutherischen, Kirchgemeinde. Von den Deutschen sind sie nicht gern gesehen, sie werden drangsaliert und müssen sich regelmäßig die Hasstiraden des deutschen Pastors gegen die Reformierten anhören.
Problem Nummer drei: Seine Ehe mit Claire, denn Paul ist zwar ein aufrechter Christ und braver Ehemann, aber es fällt ihm schwer, seine Zuneigung zu Claire offen zu zeigen. Und da ist ja auch noch Lorenz Haeuser, der Gerber, der ganz offensichtlich ein Auge auf Claire geworfen hat und dessen Zuneigung von Claire erwidert wird.
Der pragmatische Paul sucht nach Lösungen für seine Probleme und schlägt zunächst dem Gemeinderat der Refugiés den Bau einer eigenen Kirche vor. Der Kurfürst erteilt die Erlaubnis zum Kirchenbau, was jedoch bei den Berlinern erneut auf Frust und Wut stößt, denn diese gehen davon aus, dass wieder einmal die deutsche Bevölkerung zur Kasse gebeten wird um den Kirchenbau zu finanzieren. Gleichzeitig bemüht sich Paul um besseres Leder für seine Handschuhe. Er kauft eine alte Gerberei und lässt sein eigenes Leder so gerben, wie es in Frankreich üblich ist. Dabei beruft er sich auf seinen Stand als Freimeister außerhalb der Zunft, ruft aber trotzdem sofort den Widerstand der mächtigen Gerberzunft auf den Plan. Zudem hat sich Paul die Kurfürstin Sophie Charlotte zur Feindin gemacht, die nach Kräften versucht, ihm das Leben zu vergällen.
Lorenz Haeuser bemüht sich in der Zwischenzeit um Claire. Seine Gefühle für die schöne Frau machen es ihm unmöglich, in die Wutausbrüche seiner Landsleute gegen die Fremden einzustimmen. Er bemüht sich um Vermittlung zwischen den Parteien, ist als Zunftmeister der Gerber jedoch auch verpflichtet, die Interessen der Zunft gegen Paul zu vertreten. Immer deutlicher wird für ihn, dass er gezwungen ist, gegen das eigene Gewissen zu handeln.
Als die Franzosen mit dem Bau ihrer Kirche beginnen und zeitgleich eine neue Kirche für die deutsche Gemeinde gebaut wird, stürzt das Dach der deutschen Kirche ein. Die Berliner geben den Franzosen die Schuld für das Unglück und ein wütender Mob versammelt sich vor Pauls Haus. Lorenz muß sich entscheiden, auf welcher Seite er steht.
Historische Realität - spannend und unterhaltsam erzählt
Wie schwierig der Prozeß der Integration für die Menschen war, findet heute kaum noch Erwähnung. Und genau das macht das Besondere an diesem Buch aus, denn es greift die schwierige Stuation der Hugenotten in Berlin in den Anfangsjahren auf. Es ging den Refugiés letztendlich nicht anders als all denen, die in den letzten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts aus.
Claudius Crönert fängt in seinem Roman das Leben der Berliner zur damaligen Zeit ein. Hier geht es von den Stuben der kleinen Handwerker in die Kneipen, in die Werkstätten, in die Sümpfe der Lausitz und in kleine märkische Dörfer, sogar in die Empfangsräume des Kurfürsten. Für den heutigen Leser wird plastisch erzählt, wie Berlin aussah, auch wenn es vielleicht schwer fällt, sich Gerberwerkstätten am Spreeufer und weite Felder anstatt des Trubels rund um den Hackeschen Markt vorzustellen.
Crönerts Protagonisten sind bis in die Nebenrollen ausgesprochen gelungen. Keiner ist mit der Schablone gemalt, jeder hat seine eigenen Konflikte, Träume und Gefühle. Der Leser bekommt die Chance, jede der Hauptpersonen in diesem Roman gut kennen zu lernen und ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Obwohl sich durch die zahlreichen Konflikte diverse Handlungsstränge auftun, gelingt es dem Autor, diese immer wieder zusammenzuführen und nicht zerfasern zu lassen. Dadurch gibt es auch keine Längen in der Erzählung. Die Handlung bleibt immer straff und der Spannungsbogen wird auch dann gehalten, wenn es um die innere Auseinandersetzung eines Protagonisten mit seinen Emotionen geht.
Und auch wenn es schwer fällt, sich die kluge und hoch gebildete Kurfürstin Sophie Charlotte (nach der das Schloß Charlottenburg benannt wurde) als nachtragende, beleidigte Zicke vorzustellen, so bleibt doch das Bild, das Crönert von ihr entworfen hat, in sich stimmig. Allerdings hätte die historisch reale Sophie Charlotte vermutlich die Bemühungen des Hugenotten Paul Deschamps in ihrem Bemühen um Fortschritt und Weltoffenheit eher unterstützt als ihn mit ihrer billigen Rache zu verfolgen.
Kleine Macken - tolles Buch
Schade, dass der Verlag diesem Buch nicht ein wenig mehr Liebe geschenkt hat. Eine genaue Durchsicht des Textes vor dem Druck hätte vielleicht die kleinen Stolperfallen beseitigt, die sich eingeschlichen haben. Da erzählt ein Gerber seinem Chef - 1700! - dass die Bakterien aus dem Mist für das Gerben wichtig sind. Da taucht plötzlich ein Kaiser von Frankreich auf und im Berliner Schloß hängen taube Spiegel. Schönheitsfehler, die mit ein wenig Sorgfalt hätten vermieden werden können. Es wird auch nicht klar, warum das Buch Das Kreuz der Hugenotten heißt, denn mit dem berühmten Kreuz an sich hat das Buch nichts zu tun. Hier läßt sich nur vermuten, daß der Titel im übertragenen Sinne (Jeder hat sein Kreuz zu tragen!) gemeint ist.
Auch ein Nachwort oder zumindest eine kurze Richtigstellung am Ende des Buches wäre sinnvoll gewesen, denn der realhistorische Danckelmann wurde keineswegs so nett vom Kurfürsten außer Dienst gestellt, wie es im Buch geschildert wird. Vielmehr verbrachte der Ex-Premier viele Jahre ohne Urteil in Festungshaft und hätte so am Ende des Buches gar keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Dagmar spazieren zu gehen und die Ereignisse zu kommentieren. Schließlich saß er zu diesem Zeitpunkt unabkömmlich auf der Festung Peitz ein.
Hier wäre es wichtig gewesen, dass der Autor die Möglichkeit bekommt, den Leser auf gewisse Freiheiten hin zu weisen, die er sich genommen hat um die Geschichte rund zu machen. Auch hätte sich ein Nachwort angeboten um den Leser ein wenig über die weitere Geschichte der Hugenotten in Brandenburg und Berlin zu informieren. Unglücklich gewählt ist auch, daß auf dem Umschlag der sattsam bekannte Französische Dom abgebildet ist, denn so sah der ja erst fast 100 Jahre später aus. Die beiden Kirchen sind ursprünglich ohne Türme gebaut worden, diese kamen erst 1785 dazu. Aber das ist eher eine Marginalie, schließlich ist die Kirche ja heute mit diesem Aussehen bekannt.
Dem Roman an sich tut dies jedoch keinen Abbruch. Er ist spannend, unterhaltsam und informativ. Ganz sicher nicht nur für diejenigen unter den Lesern, die sich für die Geschichte Berlins interessieren.
Claudius Crönert, Gmeiner
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