Die Landkarte der Zeit

  • Kindler
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
  • Kindler, 2008, Titel: 'El mapa del tiempo', Originalausgabe
Die Landkarte der Zeit
Die Landkarte der Zeit
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Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonJun 2011

Eine unwiderstehliche Reise durch die Zeiten

Kurzgefasst:

London, 1896: Andrew, ein wohlhabender Fabrikanten­sohn, reist in die Vergangenheit, um seine große Liebe wieder­zugewinnen. Die junge Claire macht eine Zeitreise aus dem viktorianischen London ins Jahr 2000 und trifft den Mann, den sie in der Zukunft lieben lernte, in ihrer Zeit wieder. Inspektor Garrett jagt einen Mörder, der seine Opfer mit ­Waffen tötet, die noch gar nicht erfunden wurden. Alle Fäden laufen bei einem dämonischen Bibliothekar ­zusammen. Nur er kennt das Geheimnis der Landkarte der Zeit. Man begegnet Jack the Ripper und H.G. Wells, den Erfinder der Zeitmaschine, in einer völlig überraschenden Rolle...

 

Was wäre, wenn man durch die Zeit reisen könnte? Diese Gedankenspielerei nimmt Félix J. Palma auf und nimmt den Leser gleich mit auf diese skurrile Reise. In der Rolle eines Erzählers, wie er vor einem Kaminfeuer sitzen und seine Erlebnisse zum Besten geben könnte, schildert Palma zunächst das Schicksal von Andrew, der seinem Leben ein Ende setzen möchte, um seiner Geliebten ins Grab zu folgen. Doch im letzten Moment kann diese unheilvolle Tat verhindert werden. Andrews Cousin Charles hat die Idee, der Trauernde könnte in der Zeit zurückreisen und den Mord an seiner Geliebten verhindern. Andrew lässt sich auf die abenteuerliche Reise ein. Mit einem überraschenden Ergebnis. Auch Claire will durch die Zeit reisen. Sie fühlt sich als Frau in ihrer Zeit - im London von 1896 - nicht verstanden. Bei einer Reise ins Jahr 2000 begegnet sie dem tapferen Hauptmann Shackleton und verliebt sich in ihn. Zurück in ihrer Zeit beginnt sie einen innigen Briefaustausch mit ihrem Schwarm. Auch Inspektor Garret beschäftigt sich mit den Zeitreisen. Er jagt einen Mörder, der über eine Waffe aus der Zukunft verfügen muss.

Diese drei Geschichten, die immer wieder an einzelnen Anknüpfungspunkten zusammen fließen, serviert der Erzähler, der dabei einen durchaus humorvollen Ton anschlägt. Es ist vor allem die Art des Erzählers, der die einzelnen Geschichten zu etwas Besonderem macht.

Unterhaltsame Illusion

Einem Magier gleich zaubert Palma eine eigene Welt. Die Illusion ist so perfekt, dass man sich nicht mehr sicher ist, durch welche Zeit und Dimension man sich nun tatsächlich bewegt. Ist alles nur Fiktion? Oder das Resultat von mehreren Parallelwelten, die nebeneinander existieren? Wie aber kommt es, dass Andrew dem Mörder Jack the Ripper begegnen kann, der doch längst tot ist? Die virtuosen Verknüpfungen und Gedankengänge des Autors laden dazu ein, hemmungslos in der fabelhaften Welt der Illusionen zu schwelgen und sich ganz und gar auf die einzelnen Geschichten einzulassen. Geschichten, von denen diejenige von Andrew allerdings mit Abstand die reizvollste ist. Auch die Begegnung mit einem phantastischen Schriftsteller namens Wells entbehrt nicht eines gewissen Reizes. Die prominente Figur ist optimal in den Reigen der Protagonisten eingepasst.

Sprachliche Feinheiten

Präsentiert wird der Roman in einer sehr eingängigen, schönen Sprache. Trotz Übersetzung kommt es immer wieder zu sprachlichen Feinheiten, die besondere Perlen im Geschmeide eines überzeugenden Romans ausmachen. Allerdings verlangt der Autor eine besondere Aufmerksamkeit von der Leserschaft, sollen sich die Perlen auch wirklich erschließen. Und hier liegt die Krux in der Sache: Die Geschichten haben da und dort die Tendenz, etwas einschläfernd zu wirken. Zwar durchaus in einem leichten Plauderton erzählt, weisen sie doch da und dort Längen auf, die die Stimmung zu drücken vermögen. Es mag durchaus sein, dass der eine oder andere Leser hier mit den Gedanken abschweift.

Gelungenes Gesellschaftsportrait

Sehr ansprechend ist das Gesellschaftsportrait von London im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auf den ersten Blick nur als Rahmen der Handlung wahrgenommen, macht dieses Portrait die Tiefe des Romans aus. Denn hier erschließt sich dem Leser eine Welt, in der der technische Fortschritt die Leute zum Staunen brachte, ihnen aber gleichzeitig auch abnötigte, an unmöglich Scheinendes zu glauben. Wer Die Landkarte der Zeit in die Hände bekommt, sollte ebenfalls die Bereitschaft mitbringen, an Unmögliches zu glauben. Nur so wird er den Roman in vollen Zügen genießen können. Wem sich die Geschichte allerdings in all ihren Facetten erschließt, der wird noch lange von den Gedankenspielereien von Félix J. Palma fasziniert sein.

Die Landkarte der Zeit

Félix J. Palma, Kindler

Die Landkarte der Zeit

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