Der Maler des Verborgenen

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1

Kurzgefasst:

Am 16. September 1920 wird Amerika zum ersten Mal in der Geschichte des Landes zur Zielscheibe des Terrors. Es ist ein strahlender Herbsttag, als Unbekannte mehrere Sprengsätze auf der New Yorker Wall Street deponieren. Während Dutzende Menschen in der Mittagspause aus ihren Büros strömen, detonieren um exakt 12.01 Uhr die Bomben. Unzählige Menschen finden den Tod. Jimmy Littlemore, Hauptermittler der New Yorker Polizei, sieht sich einem schwierigen Fall gegenüber. Nicht nur pfuscht ihm von Anfang an das FBI in seine Ermittlungen, sondern auch die Regierung in Washington legt ein besonderes Interesse an den Tag. Littlemore lässt sich jedoch nicht beirren. Mit dem befreundeten Arzt Stratham Younger an der Seite, stößt er bald auf eine erste Spur. Doch die Umstände des Anschlags werden immer rätselhafter, bis Littlemore und Younger die erschreckende Wahrheit aufdecken.

 

Internationaler Terror oder hausgemachter Kampf um die Macht? Als am 16. September 1920 auf der Wall Street vor dem Bankhaus J.P. Morgan eine Bombe detoniert, wird Amerika zum ersten Mal in seiner Geschichte Opfer eines Terroranschlages. Vor Ort bei einem Treffen mit Jimmy Littlemore, dem bereits aus Morddeutung bekannten Detective der New Yorker Polizei, werden auch der Arzt Stratham Younger und seine Begleitung Colette Rousseau in das Geschehen hineingezogen. Stratham Younger hat nach den Ereignissen aus Morddeutung im großen Krieg in Europa als Arzt gedient und traf dort auf Colette Rousseau, eine Schülerin Marie Curies und Radiumexpertin. Nach dem Bombenattentat versinkt New York im Chaos und die Polizei in Person von Jimmy Littlemore nimmt die Ermittlungen auf.

Untersuchungen im Schatten von FBI und der Regierung

Alsbald stößt der Detective jedoch auf Widerstand und das FBI in Gestalt von Billy Flynn, den aktuellen Direktor, versucht die Ermittlungen an sich zuziehen. Rasch wird die Untersuchung der Ereignisse auch von der Regierung in Washington begleitet und überwacht. Für Jimmy Littlemore gestaltet sich die Arbeit zunehmend schwierig. Gerade als er der Hilfe seines Freundes Stratham Younger am meisten bedarf, hat dieser mit eigenen Problemen zu kämpfen. Colette, die von ihrem jüngeren Bruder, der seine Stimme verloren zu haben scheint, begleitet wird, soll in New York einen Vortrag zur Bedeutung von Radium halten und Gelder für die wissenschaftliche Nutzung des Radium sammeln. Dann aber wird sie aus einem Hotelzimmer entführt und, kaum befreit, will sie Amerika wieder verlassen und nach Europa zurückkehren, denn dort hat sie noch eine Aufgabe zu erledigen. Ihr Weg führt sie zu Sigmund Freud in Wien und über Prag zurück nach Amerika. Unterdessen muss Jimmy Littlemore erkennen, dass die Hintergründe des Anschlages immer rätselhafter werden. Als es ihm mit Hilfe von Stratham Younger gelingt, die Wahrheit zu begreifen, hat sich Amerika verändert und er ist in seinen Grundfesten erschüttert.

Bekannte Charaktere entwickeln sich weiter

Die bereits aus Morddeutung bekannten Charaktere Jimmy Littlemore und Stratham Younger stehen wieder gemeinsam vor der Aufklärung undurchsichtiger Vorgänge und werden dabei konsequent weiterentwickelt. Younger, der der Psychoanalyse endgültig der Rücken gekehrt zu haben scheint, ist durch den großen Krieg desillusioniert und nun auf der Suche nach neuen Aufgaben. Die Beziehung zu Colette und sein Verhältnis zu Frauen allgemein scheint schwierig und gibt Anlass zu interessanten Diskussionen mit Freud. Younger ist keine einfache, aber sehr spannende Figur, die im Laufe des Geschehens immer vertrauter und deren Handeln nachvollziehbar wird. Der verlässliche Freund Littlemore, der auf Recht und Ordnung der Regierung und der Bürger vertraut, muss erkennen, dass die Menschen, angetrieben durch Macht- und Gewinnstreben, zu entsetzlichen Gräueltaten fähig sind. Trotz allem bleibt er sich in seinen Grundsätzen treu und wird somit zu einem aufrechten Gegenpol dieses Strebens.

Durchgehender Spannungsbogen trotz verschachtelter Erzählweise

Das Romangeschehen verläuft in unterschiedlichen Handlungssträngen und ist geprägt von vielen Ortwechseln und Rückblenden. Dadurch wird die Handlung nicht stringent erzählt, sondern entwickelt sich in Schleifen, die aber dem Höhepunkt zustreben und somit letztendlich einen anhaltenden Spannungsbogen bilden. Die Handlungsstränge werden aufgenommen, miteinander verbunden und zu einem überraschenden Ende geführt.

Die verschachtelte Erzählweise erfordert einen stets konzentrierten und aufmerksamen Leser, der dann aber mit einem vielschichtigen, atmosphärisch dichten Roman belohnt wird. Die Gespräche zwischen Younger und Freud sind prägend für das Handlungsgeschehen und scheinen die Verhaltensweisen der Beteiligten erklären zu wollen. Der Titel des Romans mutet wie eine Hommage an Freud an, auch wenn dieser von Todestrieb spricht.

Die Romanhandlung beruht auf realen Ereignissen, die bis heute nicht endgültig aufgeklärt sind. Der Autor bietet eine spannende, erstaunliche Auflösung der Ereignisse an. In den Nachbemerkungen des Autors wird die Verbindung von Realität und Fiktion näher beleuchtet. Abgerundet wird der Roman durch ein Personenverzeichnis.

Insgesamt ein sehr reizvoller und spannender Roman, der aufregende Lesestunden bietet und die Geschehnisse aus Morddeutung weiterführt. Ein Roman mit einer in sich abgeschlossenen Handlung, der für sich allein gelesen werden kann, der aber in der Verbindung mit dem Vorgänger einen reicheren Lesegenuss bereitet. Eine eindeutige Leseempfehlung.

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Bettina Weiß
881001

Histo-Couch Rezension vonMai 2011

Der Traum vom Perfektionismus

Ein Universalgenie – zur falschen Zeit am falschen Ort oder erster Wegbereiter der Moderne? Der neue Roman von John Vermeulen zeichnet die Lebensgeschichte von Leonardo da Vinci abseits seines umfassenden Werkes nach. Im Mittelpunkt steht der Mensch Leonardo mit all seinen Ängsten und Unzulänglichkeiten, aber auch seiner Genialität. Geboren wurde er im Jahr 1452 in der Nähe von Vinci als uneheliches Kind eines Notars und einer Magd. Die Mutter wird mit einem Handwerkes verheiratet und Leonardo wächst im Haus seines Vaters auf. Schon in der Kindheit zeigen sich seine vielfältigen Interessen und sein Wissensdurst, der jedoch nicht durch die Schule gestillt werden kann. Als die Familie nach Florenz umsiedelt, geht Leonardo bei Andrea dei Verrocchio, einem berühmten Maler, Bildhauer und Goldschmied in die Lehre. Nach Abschluss der Lehre bleibt Leonardo in der Werkstatt seines Meisters tätig und arbeitet, wie es zu dieser Zeit üblich ist, mit anderen Gesellen an den Aufträgen seines Meisters.

Von Fürsten hofiert ...

Bald erwirbt er sich auch einen eigenen Ruf als Zeichner und Maler, was auch Anfeindungen mit sich bringt. So sieht er sich einer Anklage wegen homosexueller Kontakte ausgesetzt, der er sich nur knapp mit Hilfe seines Meisters erwehren kann. Er genießt andererseits bald die Gunst der Herrschenden und vor allem Lorenzo de Medici versorgt ihn mit Aufträgen. Seine wachsende Bekanntheit führt ihn sodann nach Mailand an den Hof der Sforzas. Leonardo ist inzwischen nicht nur als Maler, sondern auch als Ingenieur, Brückenbauer und Erfinder von Kriegsgerät geschätzt. Politische Veränderungen und kriegerische Umstürze führen ihn schließlich wieder nach Florenz und über die Anstellung bei Cesare Borgia auch in den Dienst für den französischen Hof. Nach einer kurzen Tätigkeit für den Vatikan in Rom zieht sich Leonardo begeleitet von seinem Sekretär und Schüler nach Amboise an der Loire zurück. Das Schlösschen Cloux soll sein Alterssitz werden.

... hadernd mit sich selbst ...

Diese reiche Lebensgeschichte zeichnet Vermeulen in seinem ruhigen und fließenden Roman nach. Der Fokus liegt immer auf der Persönlichkeit Leonardos, die dem Leser im Laufe der Zeit sehr vertraut wird und all seine Sorge um Perfektionismus in der Malerei und Wissenschaft sowie die Unzufriedenheit mit seinem eigenen Werk. So behält er viele Arbeiten jahrelang bei sich oder er hält die Termine nicht ein, um diese immer wieder zu ergänzen und für seinen Blick zu perfektionieren. Deutlich wird aber auch die Zerrissenheit, so viele Ideen und Fragen zu haben und doch an der Umsetzung zuweilen zu scheitern. So beherrscht der Traum vom Fliegen von Kindheit an sein Denken und Planen. Er entwickelt Flugmaschinen und einen ersten Hubschrauber, den er aber nie bauen wird. Auch seine anatomischen Studien stoßen immer wieder an die klerikalen Grenzen und führen zu Anfeindungen.

... und leidend unter seiner Attraktivität.

Selbst seine Lebenssituation stellt Leonardo immer wieder vor Schwierigkeiten. Zeit seines Lebens leidet er darunter, dass die Mutter ihn nicht bei sich behalten wollte, sondern er in den Haushalt des Vaters abgeschoben worden ist. Dort fehlte es ihm materiell an nichts, aber eine gute Beziehung zu seinem Vater konnte er nicht aufbauen. So wird das Bild der Mutter zum Ideal. Er selbst wird nie heiraten, obwohl er von Frauen umschwärmt wird, sondern er wird immer Männerfreundschaften pflegen.

In diese sehr persönliche Nachzeichnung des Lebens von Leonardo ist die Entstehung seiner berühmtesten Werke wie das Abendmahl oder die Mona Lisa eingebettet. Der Leser schaut ihm nahezu beim Malen über die Schulter und kann an seinen Gedanken teilhaben. Der Roman zieht seinen Reiz aus eben diesem Blick auf die Persönlichkeit und die Gedanken des Meisters. Sein Charakter ist Mittelpunkt und trägt den Roman, die anderen Protagonisten dagegen bleiben blass und im Hintergrund. So entsteht ein ganz eigener Blick auf eine bewegte Epoche und die Fürsten ihrer Zeit.

Insgesamt ist der Roman ein farbenprächtiges Bild eines wissbegierigen Kindes, eines eigensinnigen jungen Mannes und schließlich eines mit dem Alter und den Beschwerden hadernden müde gewordenen alten Künstlers.

Der Maler des Verborgenen

John Vermeulen, Diogenes

Der Maler des Verborgenen

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