Begehren

  • Insel
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • Insel, 2008, Titel: 'Wanting', Originalausgabe
Begehren
Begehren
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Rita Dell'Agnese
571001

Histo-Couch Rezension vonApr 2011

Von den Abgründen des Kolonialismus - So düster wie ein Roman von Dickens

Kurzgefasst:

1839: Der Gouverneur von Tasmanien und Polarforscher Sir John Franklin und seine Frau holen das Aborigine-Mädchen Mathinna zu sich ins Haus. Sie wollen "die Wilde" durch strenge Erziehung zivilisieren. Während Lady Jane ihre mütterlichen Gefühle unterdrückt, kann sich Sir Franklin Mathinnas "wilder" Anziehungskraft nicht entziehen. Als Franklin Jahre später nach England zurückbeordert wird, bleibt das Mädchen entwurzelt und zutiefst verstört zurück ... Zwanzig Jahre später: Im Überlebenskampf im ewigen Eis soll Sir Franklin dem Kannibalismus verfallen sein. Als Charles Dickens dessen Ruf und Ansehen retten will, entdeckt er an sich plötzlich eine "wilde" unbezwingbare Seite.

 

Ist Sir John Franklin im Ewigen Eis dem Kannibalismus verfallen? Charles Dickens versucht alles, um diesen Gerüchten Einhalt zu gebieten und den Helden von diesem ungeheuerlichen Verdacht reinzuwaschen. Bei diesem Kampf entdeckt der englische Schriftsteller dunkle Seiten an sich. Er geht damit einen ähnlichen Weg wie Sir John Franklin, der als Gouverneur von Tasmanien einst ebenfalls einen "Wilden" in sich entdeckte - und zum Leidwesen von Mathinna, einem verwaisten Aborigine-Mädchen, auslebte. Lady Jane, Sir Franklins Frau, verschloss davor ebenso die Augen, wie vor anderen Schwächen ihres Mannes. Sie wollte ihre Pläne, ihrem Mann zu einem Heldenstatus zu verhelfen - in die Tat umsetzen.

Nicht ganz so begehrenswert

Der Plot, dem Richard Flanagan in seinem Roman Begehren folgt, hört sich zunächst bestechend an. Zwei bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit - der Roman spielte in der Mitte des 19. Jahrhunderts - sind durch den Ehrgeiz einer Frau miteinander verbunden. Dickens, bekannt für seine eher düsteren, gesellschaftskritischen Romane über das viktorianische London, will den Mythos um Sir John Franklin aufrecht erhalten und steuert Gerüchten entgegen, die den wagemutigen Entdecker als Kannibalen sehen. Dies wird in einer schleppenden und schwerfälligen Art erzählt, die von der Düsterkeit zwar durchaus an Dickens Romane erinnert, die aber streckenweise nur mit Mühe zu ertragen ist. Erschwerend kommen die vielen Szenenwechsel hinzu, die vom Leser einiges an Kombinationsgabe abverlangen.

Kein angenehmer Zeitgenosse

Auf jeden Fall entthront Flanagan sowohl Sir John Franklin - er stellt ihn mehr oder weniger als weichlichen und unehrenhaften Waschlappen dar - als auch Charles Dickens, den er grantig seinen Weg verfolgen lässt. Dass Dickens sich dabei immer mehr über seine Familie ärgert und seine Frau wie auch die gemeinsamen Kinder letztlich nur noch als Ballast empfindet, macht den Schriftsteller nicht eben sympathisch. Auch sein Kampf für die Ehre des berühmten Entdeckers hat kaum etwas Bewegendes an sich. Schnell wird klar, dass es dem Schriftsteller nicht um die Wahrheitsfindung geht, sondern nur darum, den Ruf Franklins zu wahren. Genau dies verursacht aber beim Lesen ein schales Gefühl und mehr als einmal kommt der Wunsch hoch, das düstere Machwerk beiseite zu packen und es nicht wieder in die Hand zu nehmen.

Zu viel verknüpft

Richard Flanagan wollte wohl etwas zu viel. Sehr schön gelungen ist ihm die Darstellung der Schrecken, die der Kolonialismus mit sich brachte. Anhand des Beispiels von Mathinna, jenem Aborigine-Mädchen, das von den Franklins adoptiert wird, wird dargestellt, wie zerrissen die Seelen der Kolonialismus-Opfer letztlich sind. Hätte sich der Autor auf diesen Teil der Geschichte konzentriert und nicht noch den Handlungsstrang von Dickens eingeflochten, so hätte der Roman durchaus brillieren können. Doch Flanagan hat sich für einen anderen Weg entschieden und mutet damit den Lesern schwere Kost zu.

Schönes, aber unpassendes Cover

Der Roman ist als Taschenbuchausgabe erschienen und wird von einem schönen Cover geziert. Doch ist dieses leider nicht ganz stimmig, geht es beim Objekt der Begierde doch um ein Aborigine-Mädchen und nicht um eine weiße Frau. Schade, dass hier nicht etwas mehr Sorgfalt auf die Ausgestaltung verwendet worden ist. Leider gibt es auch weder eine Zeittafel noch ein Personenregister, was beides dem Roman gut getan hätte.

Zu empfehlen ist Begehren vor allem jenen Lesern, die die düstere Atmosphäre des viktorianischen Zeitalters schätzen und die Verknüpfung der Leben von bekannten Persönlichkeiten einiges abgewinnen können. Es ist schwere Kost, die hier serviert wird, und es braucht einiges an Durchhaltevermögen, um an der streckenweise eher wirren Story dranzubleiben.

 

Begehren

Richard Flanagan, Insel

Begehren

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