Im Labyrinth der Fugger

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2011
  • 6
  • Gmeiner, 2011, Titel: 'Im Labyrinth der Fugger', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
801001

Histo-Couch Rezension vonMär 2011

Aus dem eindrucksvollen Leben einer Großfamilie

Kurzgefasst:

Augsburg Ende des 16. Jahrhunderts. Nach dem Tod des mächtigen Anton Fugger wird dessen Millionenvermögen gleichmäßig auf alle Nachkommen verteilt. Christoph Fugger, ein Egoist und Frauenfeind, will die Kinder seines Bruders Georg Fugger ins Kloster bringen lassen, um die Zahl der Erben zu dezimieren. Dazu verbündet er sich mit dem Jesuiten Petrus Canisius. Nur Georg Fuggers Tochter Anna ahnt, welch perfides Spiel der Augsburger Domprediger treibt...

 

Augsburg im Jahr 1560. Die berühmte Fuggerfamilie ist die zentrale Familie der Stadt, die mit ihrem Geld viel unternimmt, darunter auch soziale Projekte, aber auch riskante Spekulationen. Als das Familienoberhaupt Anton Fugger stirbt, wird das Vermögen unter den Söhnen Georg, Ulrich und Christoph aufgeteilt. Die letzteren beiden sind kinderlos, Georg hingegen wird es auf insgesamt 14 Kinder bringen, von denen Anna Jakobäa, Hauptperson des Romans, die drittälteste ist.

Christoph Fugger macht sich mit Hilfe des Jesuiten Petrus Canisius daran, Georgs Kinder, eigentlich auch am Erbe beteiligt, aus der Schusslinie zu schaffen, damit für ihn mehr Geld übrig bleibt. So werden alle Kinder in Klöster gesteckt, wo sie aufwachsen und unterrichtet werden und möglichst keinen Kontakt zu ihren Eltern haben. Anna Jakobäa wird mit ihren Schwestern Sidonia, Maria und Mechthild, letztere erst zwei Jahre alt, zu unfreundlichen und hart agierenden Nonnen gesteckt, während die Jungen in einem anderen Trakt aufwachsen und eigentlich keinen Kontakt zu ihren Schwestern haben dürfen. Eine leidensreiche Zeit beginnt.

Nur ganz allmählich kommt Anna den Absichten seiner Onkel und Pater Canisius auf die Spur und setzt alles daran, das Komplott aufzudecken und wieder Kontakt zu ihren Eltern zu bekommen, deren Heim nur drei Häuser in der selben Strasse entfernt liegt...

Einsicht in Leben und Zeit Augsburgs

Der Titel, den Rebecca Abe für ihren ersten historischen Roman gewählt hat, ist in mehrfacher Hinsicht passend. Zum einen gibt es im Garten der Familie Fugger ein Gartenlabyrinth, in dem die Kinder beim Spielen ihre glücklichsten Zeiten erlebt haben, der sie aber jäh entzogen werden, als sie der Familie im Weg sind. Zum anderen erlebt Anna Jakobäa tatsächlich einen Irrlauf wie in einem Labyrinth, wie sie ihr Leben meistert, mit ihren Geschwistern leidet und immer wieder an einen Ausgangspunkt zurück kommt, um einen anderen Weg zu beschreiten.

Des weiteren sind allerdings auch leider die Formulierungen der Autorin dem eines Gangs durch ein Labyrinth gleich. Da folgen des öfteren unvollständige Halbsätze aufeinander, und man weiß manchmal nicht, wer gerade den Satz gesprochen hat. Hier gibt es, gerade zu Anfang, nicht immer eine klare Linie, man bekommt als Leser das Gefühl, dass die Autorin in ihren Gedanken weiter ist als im Aufschreiben, und das sorgt leider etliche Male für Verwirrung. Auch merkt man aufgrund der häufigen Verwendung, dass "Schamkapsel" das neue Lieblingswort der Autorin zu sein scheint. Hier hat sie es damit doch etwas übertrieben.

Späte Struktur in der Erzählung

So plätschert die Erzählung auch zunächst vor sich hin, und man weiß für längere Zeit gar nicht, worum es überhaupt geht, da keine klare Linie, geschweige denn ein Protagonist und somit eine führende Handlung zu erkennen ist. Erst ungefähr ab der Mitte des Romans, wo die Kinder den Eltern entzogen werden und in Klöster gesperrt werden, bekommt der Roman Struktur und wird teilweise richtig spannend. Die Zeit, in der Anna und ihre Schwestern bei den Nonnen leben, ist interessant und lebendig erzählt, sogar erschreckend in ihrer Situation. Dass den Kindern heisses Wachs in ein Ohr geträufelt wird, damit sie neben ihrem Leben immer auch innere Einkehr halten können, ist erschreckend, und dies ist nur ein schrecklicher Aspekt des Lebens hinter geschlossenen Türen.

Rebecca Abe weiß den Leser wohl in die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts zu entführen, wenngleich man etwas Zeit braucht, um sich in ihren Schreibstil einzufinden. Dass die Fuggerkinder im Grunde einer Verschwörung zum Opfer fielen, wird auch erst gegen Ende des Romans klar, bis dahin weiß man immer noch nicht genau, worum es eigentlich im Roman geht. Hier hätte man früher entsprechende Fährten legen können.

Ein Heiliger als der "Böse"

Die Rolle des Jesuiten Canisius als den "Bösen" ist relativ klar gezeichnet. Seine Teufelsaustreibungen sind nachgewiesen, und dass er 400 Jahre später heilig gesprochen wurde, mag man nach seiner Beschreibung aus diesem Roman nicht recht nachvollziehen, aber das ist auch nicht Thema des Romans. Hier ist er Drahtzieher der Fugger gegen die eigene Familie, und das ist erschreckend und eindrucksvoll genug. Weitere Charaktere sind je nach Wichtigkeit mehr oder weniger klar gezeichnet, bilden in ihrer Gesamtheit jedoch ein buntes Bild der Zeit.

Anna Jakobäa ist nicht immer Hauptfigur des Romans, gelegentlich wechselt die Erzählung auch zum ein Jahr jüngeren Bruder Philipp, der nach Venedig geht und lieber Gärtner als Banker werden will. So wird der Bogen über die gesamte Familie geschlagen, die sich immer mehr reduziert, denn nicht alle Kinder überleben die Gräuel im Kloster. Gerne hätte man mehr über die Beweggründe und Gedanken der Nonnen erfahren, denn sie waren scheinbar nicht immer so streng, aber auch so wird man an diese Lebensweise noch lange und beeindruckt zurückdenken.

Ein Lesezeichen mit dem Bild des Covers, eine historische Karte Augsburgs, ein Nachwort, ein Glossar, eine Personenaufstellung der historischen Figuren sowie ein Literaturverzeichnis runden diesen Roman ab und lassen auf weitere Romane der Autorin gespannt sein. Die Kapitel auf den rund 470 Seiten sind mit maximal 10 Seiten auch angenehm kurz, so dass man gelegentlich innehalten kann und sich im Labyrinth weiter orientieren kann. Wenn sie in ihren Erzählstil etwas mehr Struktur bekommt, wird man gerne auf ein nächstes Labyrinth zurückgreifen. In jedem Fall versteht sie es, den Leser in die Zeit zu versetzen, und das ist immerhin etwas, was nicht allen Autoren gelingt.

Im Labyrinth der Fugger

Rebecca Abe, Gmeiner

Im Labyrinth der Fugger

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