Katerina
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2010
- 2
- Rowohlt, 1989, Titel: 'Katerina', Originalausgabe
Berührende Geschichte über Hoffnung, Verlust und Rache
Kurzgefasst:
Ein ukrainisches Dorf Ende des 19. Jahrhunderts: Die junge Katerina verlässt nach dem Tod ihrer Mutter das Elternhaus, in dem sie nur Gewalt erfahren hat. In der Stadt findet sie Arbeit bei einer jüdischen Familie. Doch als ihre Arbeitgeber bei Pogromen ermordet werden, landet Katerina wieder auf der Straße. Ziellos irrt sie umher, lebt von Gelegenheitsarbeiten. Erst als sie sich in Sami verliebt, einen Juden, scheint endlich alles gut zu werden: Katerina ist schwanger. Doch dann wird ihr alles genommen, und Katerina will nur eines: Rache.
Katerina sieht das Leben pragmatisch. Sie wächst bei einer gewalttätigen Familie in einem ukrainischen Dorf auf, erlebt Schläge und Übergriffe. Als sie sich auf den Weg in die Stadt macht, um dort Arbeit zu suchen, scheint sie dem düsteren Schicksal entronnen. Doch bald muss die attraktive Frau feststellen, dass es für ein Mädchen vom Dorf nicht so einfach ist, eine seriöse Stelle zu finden. Trotz Vorbehalten geht sie schließlich bei einer jüdischen Familie in Dienst. Nach und nach macht sie sich mit den Riten der Familie vertraut und verliert ihre Scheu. Doch dann bricht eine Welle von Gewalt über die heile Welt herein. Katerina wird erneut ins "Nichts" geschleudert. Was mit ihr geschehen ist, erzählt sie als alte, kurz vor dem Tod stehende Frau, die aus dem Fenster des elterlichen Hauses im Dorf auf ihr Leben zurück blickt.
Eine eigene Melodie
Die Sprache, in der Aharon Appelfeld die Geschichte von Katerina erzählt, hat eine ganz spezielle Melodie. Von einem - auf den ersten Blick - rauen Ton geht ein besonderer Zauber aus. Obwohl die alte Katerina vom Leben nicht verwöhnt wird, vermittelt sie über weite Strecken eine tiefgründende Hoffnung. Erst als sie mehrere Schicksalsschläge hintereinander einstecken muss, verändert sich ihre Haltung. Nicht aber der Sprachrhythmus. Und doch scheint der Autor einen sprachlichen Mantel um das Geschehen zu hüllen, der sich sowohl der heiteren als auch der düsteren Stimmung anzupassen weiß.
Unaufdringlich aber eindringlich
Sehr geschickt baut Aharon Appelfeld seine Charaktere auf. Obwohl Katerina verbittert wirkt, kommt sie dem Leser doch sofort nahe. Es scheint oft sogar so, als würde man der alten Frau gegenüber sitzen und den Erinnerungen an ein entbehrungsreiches Leben lauschen. Selbst eigentlich unbedeutende Nebenfiguren wie etwa der Briefträger oder eine Nachbarin bekommen durch die Erzählweise ein besonderes Gewicht. So vermögen die Protagonisten zu fesseln und faszinieren, ohne dass man schließlich genau sagen könnte, was denn nun genau die Faszination ausmacht.
Ein Stück Geschichte
Katerinas Schicksal gleicht wohl dem Schicksal vieler junger Frauen in der Ukraine Ende des 19. Jahrhunderts. Sie sind dem herben Umgang der Männer ausgeliefert und passen sich entweder an, oder sie zerbrechen daran. Dies wird vom Autor sehr gut und einfühlsam geschildert. Nicht häufig versteht es ein Autor, sich auf eine solch überzeugende Art in das andere Geschlecht hinein zu fühlen. Da hat Aharon Appelfeld ganze Arbeit geleistet. Obwohl dieser Roman unter anderem auch auf "Auslassungen", wie sie in der Erzählung eines alten Menschen üblich sind, baut, fehlt aber leider da und dort eine etwas vertiefte Erzählung. Dies ist die einzige Schwäche dieses sehr eigentümlichen Romans.
Nichts für Freunde von Happy-End-Büchern
Auch wenn die Geschichte stimmig ist und das Ende zu überzeugen mag, ist Katerina wohl kein Buch für LeserInnen, die auf der Suche nach Happy-End-Büchern sind. Dazu ist es viel zu nüchtern erzählt, kommt sein Reiz - und den hat dieses Buch im großen Masse - erst zur Geltung, wenn man sich sehr langsam auf das Geschehen einlässt. Wer die Schönheit dieser Erzählung aber entdeckt hat, wird sich der Anziehungskraft kaum entziehen können.
Aharon Appelfeld, Rowohlt
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