Die Wege der Wolkenraths

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2010
  • 4
  • Fischer, 2010, Titel: 'Die Wege der Wolkenraths', Originalausgabe
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Daniela Loisl
901001

Histo-Couch Rezension vonNov 2010

Krönender Abschluss einer schönen Familiensaga

Kurzgefasst:

Hamburg, im Mai 1933: Am Kaiser-Friedrich-Kanal brennen die Bücher. Die Familie Wolkenrath teilt sich in zwei Lager: Während die Männer der NSDAP beitreten, kämpfen die Frauen gegen das neue Regime. Lysbeth versucht, ihren jüdischen Mann Aaron zu schützen, ihre Schwester Stella bespitzelt für ihren englischen Liebhaber die Nazigrößen, mit denen ihr Gatte verkehrt. Und Stellas Tochter Angela arbeitet im Untergrund, unterstützt von der über 100jährigen Tante. Die Wolkenraths waren schon immer Meister im Bewahren von Familiengeheimnissen wird ihnen das auch in diesen schwierigen Zeiten gelingen?

 

Die Zeit des Nazi-Regimes ist angebrochen, und auch für die Wolkenraths gestaltet sich der Alltag zunehmend schwieriger. Lybeth, die mit dem jüdischen Arzt Aaron verheiratet ist, hat Angst und versucht mit allen Mitteln, Aaron zum Auswandern zu bewegen. Ihre Schwester Stella, deren Tochter Angela und die 100jährige Tante stellen sich vereint gegen das Regime, bespitzeln und sind als Unterstützer der im Untergrund Tätigen aktiv. Stellas jüngerer Bruder Johann tritt aus Überzeugung der NSDAP bei und wird so zur Gefahr im eigenen Kreis.

Famose Entwicklung von Sprache und Erzählstil

Trilogien, oder generell mehrteilige Romane, laufen immer Gefahr, qualitativ von Band zu Band nachzulassen, und nicht selten ist der erste Teil der beste und die anderen Bände dienen oft lediglich nur mehr dem vollen Ausschöpfen dieses Erfolges. Die Wolkenraths von Elke Vesper zeigen, dass auch das Gegenteil möglich ist. War der erste Band sprachlich und erzählerisch noch etwas schwach, so hat die Autorin mit dem dritten Band gezeigt, wie mitreißend, authentisch und gefühlvoll sie eine Geschichte dem Leser näherzubringen vermag. Die wohl prägendste Zeit des 20. Jahrhunderts mit all den Lügen, Manipulationen und Schönrednereien des Dritten Reiches, erzählt die Autorin auf so subtile Weise, dass sich der Leser selbst ein Urteil bilden kann, was Recht und was Unrecht ist. Bewusst wird versucht, die Ereignisse zu schildern, ohne anzuklagen oder den Zeigefinger zu erheben.

Die Umbrüche der Zeit, die Ängste der Menschen, das versuchte Ignorieren der zu erwartenden diktatorisch durchgreifenden und mitleidslosen "Säuberungen", aber auch die überschäumende und schier schon hysterische Verehrung Hitlers, zeichnet Vesper auf berührend klare Weise und ohne falsche Sentimentalität und Übertreibung. Und dennoch - oder gerade deshalb - werden die grauenhaften Ereignisse, das Ausnutzen von Macht und die ganze Brutalität, derer ein Mensch fähig ist, so greifbar, als hätte man diese Zeit selbst erlebt.

Auch sprachlich hat sich die Autorin entwickelt, was die Glaubhaftigkeit der Familiengeschichte und das sich Identifizieren mit den Figuren immens verstärkt und einen somit auch bis ins Innerste berührt. Ergreifend, prall und bildgewaltig werden die dramatischen Ereignisse der Dreißiger Jahre nochmals wachgerüttelt und erwecken beim Leser ein beklemmendes, aber auch nostalgisches Gefühl.

Viele Figuren - viele Ansichten

Hat man die beiden ersten Bände gelesen (was kein Muss ist, sich aber sehr empfiehlt) wird man natürlich auf viele bekannte Gesichter und Namen stoßen. Stella ist die Hauptprotagonistin, aber auch für ihre Geschwister Lybeth, Dritter (eigentlich Alexander) und Johann, ihre Mutter Käthe, ihren Mann Jonny sowie alle anderen angeheirateten und verschwägerten Figuren ist viel Platz gelassen, um ein möglichst vielschichtiges Bild der doch sehr unterschiedlichen Charaktere und Ansichten, sowie deren Umgang mit der dramatischen Zeit zu veranschaulichen.

Fehlendes Personenregister

Naturgemäß trifft man bei einer Familiensaga - gerade im letzten Band - jede Menge direkte Familienangehörige, Verwandte und Bekannte. Man braucht schon ein sehr gutes Personen- und Namensgedächtnis, um sich alle Personen zu merken und zu wissen, wer mit wem wie verwandt ist. Ein Stammbaum oder zumindest ein Personenregister wären dem Leser hierbei eine große Hilfe gewesen. So muss man fast empfehlen, sich die Namen und den Verwandtschaftsgrad der Figuren selbst zu notieren, um nicht ab und an ins Stolpern zu kommen.
Als Resümee zu der Trilogie über die Wolkenraths darf man anmerken, dass diese mit dem letzten Band einen würdigen Abschluss gefunden hat. Einige Familienmitglieder werden einem lieb und teuer und scheinen bald schon wie gute Freunde, wogegen andere dabei sind, bei denen man erleichtert aufatmet, wenn das Schicksal einen gerechten Lauf nimmt.
Wer Familiensagas liebt, wird in den Wolkenraths ein buntgefächertes Spektrum unterschiedlicher Menschen und Charaktere finden, die man gerne bis zum Ende begleitet.

 

Die Wege der Wolkenraths

Elke Vesper, Fischer

Die Wege der Wolkenraths

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