Die Kuppel des Himmels
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2010
- 6
- Lübbe, 2010, Titel: 'Die Kuppel des Himmels', Originalausgabe
Gelungener Roman einer Epoche
Kurzgefasst:
Rom gleicht einem Hexenkessel. Kriegerische und luxusversessene Päpste beherrschen die heilige Stadt. Es ist die Zeit der Renaissance. Geld spielt keine Rolle. Als der alte Petersdom zur Ruine wird, sieht Papst Julius II. seine Chance gekommen. Er beauftragt Donato Bramante, eine neue Basilika zu bauen. Gewaltiger als irgendeine je zuvor: das größte Gebäude des Abendlandes. Ein Symbol für die Allmacht der Kirche. Doch es gibt erbitterte Gegner, die den Bau verhindern wollen. Sie gehen über Leichen. Ohne seine kluge Geliebte, die Kurtisane Imperia, wäre Bramante verloren. Aber sie fordert von ihm ein großes Opfer. Und dann ist da noch der große Rivale: der geniale Michelangelo...
Papst Julius II. ist es Leid, den Petersdom immer mehr verfallen zu sehen. Angespornt von ehrgeizigen Architekten und Baumeistern, ringt er sich dazu durch, den Baumeister Donato Bramante mit einem kompletten Neubau des Petersdoms zu beauftragen. In dieses soll ein riesiges Grabmal eingefügt werden, in dem er einst seine Ruhe finden will und das ihn für alle Zeiten verewigen wird. Konstruiert werden soll dies durch den jungen Bildhauer Michaelangelo Buonarotti, der mit seinen Plänen seine Heiligkeit begeistert und bald nach Carrara geschickt wird, um den Marmor auszusuchen.
Bramante hingegen konstruiert einen Kuppelbau, der das Licht des Herrn einfangen soll. Angespornt von Geldgebern und dem Papst, wird alsbald der Grundstein gelegt, auch wenn er das Grabmal für Julius II. nicht gutheißt. Er beginnt mit dem Bau der vier grossen Ecksäulen, wohl wissend, dass er das Ende des Baus wohl nicht erleben wird, aber dafür soll sein Name für den Beginn und vor allem für die Kuppel stehen. Ob es ein Zentralbau oder ein Langbau wird, lässt er in seinen Plänen völlig offen.
Doch es gibt Neider und Gegner eines neuen Kirchenbaus, und nicht jeder Papst kann sich mit dem Neubau identifizieren. Auch die Plünderung Roms ist für den Bau nicht hilfreich. Bramante kämpft an vielen Fronten, so auch gegen Michelangelo, der verzweifelt aus Rom flieht. Viele Steine werden dem Dombau in den Weg gelegt, bis Bramante stirbt und ein neuer Baumeister gesucht wird. Im Raum schwebt immer wieder ein Name: Michelangelo.
Kleine Geschichten erzählen eine grosse Geschichte
Sebastian Fleming hat mit seinem zweiten Roman Die Kuppel des Himmels nicht nur einen Roman über die Baugeschichte des Petersdoms vorgelegt, sondern auch eine Geschichte der Renaissance verfasst, in der mehrere historische Ereignisse anhand des Dombaus miteinander verwoben werden. Dabei schafft es der Autor mit Leichtigkeit, dem Leser ein Gefühl für die Zeit, als auch für die Schwierigkeiten des Dombaus innerhalb der katholischen Kirche und außerhalb davon zu vermitteln.
Natürlich ist es nicht möglich, einen 120 Jahre dauernden Dombau auf 670 Seiten zusammenzufassen und dabei eine möglichst spannende Geschichte zu erzählen, aber das versucht Fleming auch erst gar nicht. Nach ein paar einleitenden Kapiteln kennt man die zunächst wichtigsten Protagonisten des Buches: den Baumeister Donato Bramante, seinen mehr oder weniger Rivalen Michelangelo, wenngleich letztere viel jünger und unerfahrene und eigentlich Bildhauer ist, und zudem Papst Julius II., der durch geschickte Vorarbeit den neuen Dom in Auftrag geben wird. Um diese drei Personen rankt sich ein Großteil des Romans, und somit hat man einen guten roten Faden gefunden.
Gute Figurenzeichnung
Daher sind auch diese drei Figuren von allen vorkommenden Charakteren (leider fehlt ein Personenverzeichnis, das hilfreich gewesen wäre) am besten gezeichnet. Zahlreiche Nebenfiguren, die man aber nie durcheinander bringt, bringen den Roman voran und leiten so immer wieder in Nebenhandlungen, die zum Verständnis der Zeit und dem Handeln der Leute wichtig sind. So erlebt man Michelangelo in den Steinbrüchen von Carrara, wo er den Marmor für Julius' Grabmal aussucht, Bramantes Geliebte Invita, die sich von ihm trennt, um aus politischen Gründen mit dem Bankier Agostini Chigi zusammen zu leben, sowie Invitas schöne und begehrte Tochter Lucrezia, um nur einige Beispiele zu nennen.
Fleming präsentiert nicht nur bekannte Nebenzweige, sondern auch in unseren Breitengraden nicht so bekannte Ereignisse wie die Sacco di Roma, die Plünderung von Rom im Jahr 1527. Geschickt verwebt er diese Plünderung durch die Teilnahme einer bekannten Figur mit der Rahmenhandlung, und zudem wird die Plünderung politisch begründet und auch gut dargestellt, sodass sie gut ins Gesamtbild passt. Zudem gibt es auch noch Geheimbünde, von denen nie ganz klar wird, ob sie noch existieren oder nicht, aber auch das ist ja den Sinn und Zweck von Geheimbünden.
Im Mittelpunkt steht jedoch immer wieder der Bau des Petersdoms, mit allen Schwierigkeiten um die Architektur und die Bauarbeiter, die auch mit Nebenhandlungen bedacht werden. So entsteht vor den Augen des Lesers ein nahezu komplettes Bild der Zeit, und der Streit nach einem Zentralbau oder einem Langbau des Doms zieht sich durch den Roman wie die Frage nach der Kuppel, die von Bramante entworfen worden, nach seinem Tod aber wieder verworfen wurde. Die Frage, wie eine runde Kuppel auf einen eckigen Bau zu setzen ist, muss erst noch gelöst werden, und es ist schon beeindruckend, wie seinerzeit gearbeitet wurde, ohne die heutigen technischen Hilfsmittel.
Leider keine Extras
Über 670 Seiten und 120 Jahre ist es klar, dass die Hauptperson in diesem Roman der Petersdom sein muss und nicht eine lebende Person sein kann. So erzählen viele kleine Geschichten eine grosse Geschichte, und diese hätte auch gerne statt eines Taschenbuches mit einem Hardcover geadelt werden dürfen. Das Cover zeigt ein Bild der Kuppel des Petersdoms, um die sich letztlich alles dreht. Sie erscheint im Licht, und das ist es auch, was die Architekten wollten: Das Licht des Herrn fühlen lassen, mit dem Vorbild der Kuppel des Pantheons, heute immer noch begehbar und zu erleben. Wer demnächst einen Besuch Roms plant, sollte sich den Petersdom und einen Gang auf die Kuppel nicht entgehen lassen.
So bleibt ein Roman, der nach einer recht langen Einführung immer mehr an Tempo gewinnt und sprachlich immer spannend und gut umgesetzt wurde. Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Der Roman, so lohnenswert seine Lektüre ist, ist mit keinerlei Extras ausgestattet. Man hätte einen oder mehrere Grundrisszeichnungen erwartet, eine Personenliste, eine Zeittafel oder ein Nachwort des Autors, aber leider findet sich all dies nicht. Das ist schade, denn es hätte einen stimmigen und gut zu lesenden Roman abgerundet. Dennoch darf man auf einen nächsten Roman des Autors gespannt sein.
Sebastian Fleming, Lübbe
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