Die Expedition

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
  • 6
  • Droemer-Knaur, 2010, Titel: 'Die Expedition', Originalausgabe
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Birgit Stöckel
911001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2010

Fünf Frauen - ein Ziel

Kurzgefasst:

München 1903. Ludmilla Walter, 45 und Ehefrau eines angesehenen Geschäfsmannes, wagt sich aus einer Laune heraus in eine der berüchtigten Schwabinger Künstlerkneipen. Dort berichtet sie nach einigen Gläsern Likör einer jungen Frau von einem vollkommen verrückten Traum: eine Alpenüberquerung, im Winter ... Am nächsten Morgen weiß Ludmilla nichts mehr von ihren Eskapaden doch Henny, die junge Frau, ist begeistert von der Idee. Sie lässt nicht locker und überredet schließlich neben Ludmilla noch drei weitere Frauen zu einer Unternehmung, deren Tragweite keine der fünf wirklich einschätzen kann...

 

Auch in ihrem dritten Roman widmet sich Monika Bittl einem etwas anderen historischen Thema: Dem Ziel von fünf Frauen, im Winter alleine eine Alpenüberquerung mit Schlittenhunden zu wagen. Bereits im Vorwort erklärt die Autorin, warum sie an dieser Geschichte ein so großes Interesse hat: Es betrifft ihre eigene Familie bzw. eine ihrer Vorfahren.

München im Jahr 1903. Fünf ganz unterschiedliche Frauen versuchen, ihr Leben zu meistern. Da ist die 45-jährige Ludmilla Walter, die sich in ihrer Ehe gefangen fühlt. Obwohl das von ihrem Mann geleitete Geschäft ihr Erbe ist, erlaubt ihr Mann nicht, dass sie sich in geschäftliche Belange einmischt. Für ihn haben Frauen ihren festen Platz in der Welt, und der ist sicher nicht in einem Unternehmen. So genehmigt sich Ludmilla ihre ganz eigenen nächtlichen "Freizeiten" am Küchentisch, die sie am nächsten Morgen mit Übelkeit und Kopfschmerzen büßen muss.
Die junge Rosa ist Hausmädchen bei Ludmilla und ihrer Familie. Sie stammt aus einem kleinen bayerischen Dorf in den Alpen und hofft auf ein besseres Leben. Sie ist gläubig, kann kaum Schreiben und Lesen und hat doch einen sehr praktischen Menschenverstand, auch wenn sie gerne zu viel redet. Vor allem ist sie ihrer Herrin gegenüber zutiefst loyal und beseitigt schon mal die Spuren, die diese bei ihren "Freizeiten" hinterlässt.
Adele ist eine junge Adelige, die ein abgeschlossenes Studium hat und nun gerade dabei ist, auch noch zu promovieren. Mit ihrem Mann verbindet sie eine tiefe Freundschaft, auch wenn ihre Ehe eine Scheinehe ist, und ohne seine Hilfe hätte sie wohl weder die Chance auf eine Promotion, noch ihr Studium beendet. Doch ist ihre Psyche sehr labil und sie wird von ihren ganz eigenen Geistern gejagt.
Henny Triebel ist Künstlerin, alleinerziehende Mutter einer unehelichen Tochter, lebt von der Hand in den Mund und pfeift auf sämtliche Konventionen. Von der Malerei eher gelangweilt wendet sie sich einer neuen Kunstform zu: Bilder und Filme.
Schließlich ist da noch die Ärztin Emily, die sich aus England nach München geflüchtet hat, denn sie trägt ein dunkles Geheimnis mit sich herum, und ihr Weg der Emanzipation war der radikalste.

Fein gezeichnetes Gesellschaftsportrait

Das Buch ist bei weitem mehr als ein Bericht dieser ungewöhnlichen Expedition, es ist auch das Portrait einer Gesellschaft, in der für Frauen noch starre (von Männern gemachte) Regeln herrschten, gegen die ein Auflehnen fast unmöglich war. Zumindest, wenn man nicht gleich den gesellschaftlichen Bann auf sich nehmen wollte. Obwohl die eigentliche Expedition erst in der zweiten Hälfte des Buches konkret wird, kommt nie Langeweile auf. Monika Bittl lässt dem Leser Zeit, die fünf Frauen in Ruhe kennen zu lernen, indem jedes Kapitel aus Sicht einer der Protagonisten erzählt wird. Dadurch gelingt es ihr auf unterhaltsame Weise, die Lebensumstände und damaligen Konventionen für den Leser fassbar und die jeweiligen inneren Kämpfe und Motivationen der Frauen für das Projekt verstehbar zu machen.
Amüsant ist es nebenbei, zu lesen, dass unser heutiger Volkssport Nummer eins (Fußball) damals gerade erst bei der Jugend modern wurde und von den Älteren als "unziemlich" bezeichnet wurde.

Kampf gegen die Natur und die eigenen Probleme

Dass alle Teilnehmerinnen so unterschiedlich sind und jede ein Geheimnis vor den anderen verbirgt, sorgt natürlich für Zündstoff bei der Expedition. Jede von ihnen erhofft sich etwas anderes von der Alpenüberquerung und jede schätzt die Situation und die Gefahren anders ein. Was wirklich auf sie zukommt, kann trotz sorgfältiger Planung keine erahnen, denn außer Rosa war noch keine der Frauen in den Bergen und auch Rosa hat sich bisher an so eine Expedition bei weitem nicht herangewagt. So zeigt sich dann auch in den Bergen rasch, dass alle bis aufs Äußerte gefordert werden und bald an die physischen wie psychischen Grenzen stoßen. Doch sie müssen sich beweisen und ihre inneren Dämonen besiegen, denn sie sind aufeinander angewiesen und bald stellt sich heraus, dass das Ganze nicht nur ein Kampf um das Scheitern oder Gelingen der Expedition ist, sondern einer auf Leben und Tod.

Der Autorin ist erneut ein ungewöhnlicher, historischer Roman gelungen. In klarer, flüssiger Sprache zeigt sie dem Leser, wie unsere (Ur-)Großmütter gelebt haben, welchen Regeln sie unterworfen waren und dass es immer Frauen gab (und geben wird), die sich mit radikalen Ideen bzw. Schritten von diesen Regeln zu befreien versuchen. Gleichzeitig erhält der Leser einen informativen Bericht über diese bisher einzigartige Expedition. Einziges kleines Manko ist, dass das Buch durch den Preis (18,00 Euro bei einem kleinformatigen Hardcover mit knappen 300 Seiten) einige Leser in der Buchhandlung vom Kauf abhalten wird. Das ist wirklich schade, denn dieses Buch verdient eine breitere Leserschaft.

 

Die Expedition

Monika Bittl, Droemer-Knaur

Die Expedition

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