Die Insel unter dem Meer

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • Suhrkamp, 2009, Titel: 'La isla bajo el mar', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
951001

Histo-Couch Rezension vonAug 2010

Erzählerische Perle aus der Karibik

Kurzgefasst:

Die Mulattin Zarité, genannt Tété, ist erst neun Jahre alt, als der junge Plantagenbesitzer Toulouse Valmorain sie als Dienstmagd für seine lebensuntüchtige Frau kauft. Doch in Tété schlummert eine andere Bestimmung als die der willfährigen Sklavin. Selbst als ihr Herr sie in sein Bett zwingt, als man ihr das erste Kind entreißt und ihr Geliebter sie verläßt, um sich den aufständischen Sklaven in den Bergen anzuschließen, verliert Tété ihr Ziel nicht aus den Augen: die Freiheit für sich und ihre Tochter. Der Konflikt zwischen den aufständischen Sklaven und den weißen Herren in Saint-Domingue eskaliert, und Tété muß eine schwere Entscheidung treffen; sie flieht mit Valmorain, dessen kleinem Sohn und ihrer Tochter aus der brennenden Stadt Le Cap nach Kuba und weiter nach New Orleans. In der bunten kreolischen Gesellschaft findet ihr Drang nach Freiheit und Verantwortung für das eigene Leben neue Nahrung, doch müssen Jahre vergehen, bis ihr Traum Wirklichkeit wird.

 

Die Mulattin Zarité kommt als Sklavin auf die Plantage von Toulouse Valmorain, um seiner Frau Eugenia zu dienen. Das Mädchen ist zerrissen zwischen ihrem Traum, frei zu sein und dem Fatalismus, mit dem sie auf ihre Lebensbedingungen reagiert. Selbst als Valmorain Tété - wie Zarité von ihren Besitzern genannt wird - in sein Bett holt, arrangiert sie sich mit den Umständen. Erst als Gambo in Tétés Leben tritt, versucht sie, sich gegen ihre Gefangenschaft aufzulehnen. Nur ihre Liebe zu Maurice, Eugenia und Toulouse Valmorains Sohn, den Tété seit seiner Geburt betreut und Rosette, der Tochter, die sie selber Valmorain geboren hat, hält sie davon ab, sich den Sklavenaufständen anzuschließen, die im ausgehenden 18. Jahrhundert die Insel Saint-Dominguez überrollt. Valmorain will seine tüchtige Sklavin nicht ziehen lassen. Er flüchtet mit ihr und den Kindern zunächst nach Kuba, später nach New Orleans, wo er sich eine neue Existenz aufbaut. Tété bekommt die Härte des Lebens zu spüren, als sich Valmorain entschließt, erneut zu heiraten. Denn Hortense ist der Konkubine ihres Mannes nicht gut gesinnt.

Prächtige Farben

Isabel Allende versteht es, die Geschichte von Zarité in prächtigen Farben zu schildern. Ihr großes Erzähltalent kommt hier voll zum Ausdruck. Sie beschreibt nicht nur die Plantagen in ihrer überbordenden Üppigkeit, sondern auch das harte Los der Sklaven, die Ignoranz, aber auch die Abhängigkeit der Plantagenbesitzer und die sich verändernde Gesellschaft von Saint-Dominguez. Sehr schön zur Geltung kommt die Kultur der Sklaven, die sich aus den verschiedenen Glaubensrichtungen zusammensetzt, in der die Vorfahren der Sklaven gelebt haben. Über den jungen Gambo, den Tété vor einem schweren Schicksal auf der Plantage bewahrt, erfahren die Leser mehr darüber, wie es in einem Menschen aussieht, der frei geboren und dann versklavt wurde. Er ist es auch, der den Glauben von der Insel unter dem Meer pflegt, die im deutschen Buchtitel ihren Niederschlag gefunden hat.

Ungeschminkte Schilderungen

Trotz Liebesgeschichten und üppigen Bildern wirkt der Roman nie kitschig oder übertrieben. Die ungeschminkten Schilderungen vom Leben der Freien und Versklavten berühren und lassen die Geschichte auf eine intensive Art miterleben. Tété kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie ist in kurzen Sequenzen Erzählerin mit einer eindringlichen, packenden Sprachmelodie und in den längeren Passagen kommt die Erzählung über Tété von einer unsichtbar bleibenden Drittperson. Dies lässt eine vertiefte Betrachtungsweise zu, es erscheint, als ob die von mehreren Seiten beleuchtete Geschichte eine Art Dreidimensionalität bekommt. Tété als Hauptprotagonistin ist eine in sich zerrissene und wohl gerade deshalb sehr überzeugende Figur, ebenso sind die anderen Charaktere feinfühlig und sehr glaubwürdig umgesetzt.

Gute geschichtliche Aufarbeitung

Durch die Figur von Toulouse Valmorain, der in Frankreich aufgewachsen ist und zunächst nur nach Saint-Dominguez kommt, um seinen Vater auf der Plantage der Familie zu treffen, wird dem Leser der Konflikt offenbart, in den der unbekümmerte Franzose gerät, dem er sich aber nicht entziehen kann. Valmorain muss schnell erkennen, dass die ihm bekannten Gesellschaftsnormen in der ihm fremden Welt kaum etwas gelten und er sich einer ganz anderen Ordnung unterwerfen muss. Diese Veränderung wird sehr anschaulich dargestellt, Isabel Allende vermittelt den inneren Konflikt, den die Europäer in der ihnen fremden Welt der Karibik auszufechten hatten. Dass die Autorin dabei die Ängste und Schwächen sowohl der Weißen als auch der Farbigen sichtbar macht, gibt dem Roman eine besondere Note.

Sich damit auseinandersetzen

Sprachlich überzeugend, eine starke Geschichte erzählend, schiebt die Autorin die Entwicklung in Saint-Dominguez für einen Moment ins Rampenlicht und zwingt die Leser dadurch, sich mit dem Thema Kolonialismus und Ausbeute von Menschen, aber auch mit Standesdünkel, Rassismus und sinnloser Gewalt auseinander zu setzen.

Isabell Allende legt hier einen ausdrucksstarken, facettenreichen Roman vor, der einen weiten Bogen um gängige Klischees schlägt und die Leserschaft mit einem intensiven Gefühl zurücklässt, sobald die letzten Zeilen gelesen sind.

 

Die Insel unter dem Meer

Isabel Allende, Suhrkamp

Die Insel unter dem Meer

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