Der weiße Mandarin

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  • Erschienen: Januar 2001
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  • List, 1999, Titel: 'Le Mandarin Blanc', Originalausgabe
Der weiße Mandarin
Der weiße Mandarin
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Birgit Stöckel
651001

Histo-Couch Rezension vonJul 2010

Schwächelnde Erzählung eines interessanten Lebens

Kurzgefasst:

Der italienische Barockkomponist Teodorico Pedrini begibt sich im Jahr 1702 auf eine ungewöhnliche Reise, die sein ganzes Leben verändern soll. Ruf des jungen Mönchs als Virtuose auf dem Cembalo ist bis zum Papst vorgedrungen, der ihn mit einer gefährlichen Mission betraut. Er soll den Kaiser von China mit Hilfe seiner Musik zum Katholizismus bekehren und gleichzeitig den Einfluss der mächtigen Jesuiten am chinesischen Hof verringern.

Bereits die Reise gerät Pedrini zum Abenteuer. Vom französischen Saint-Malo bis an die Küste Südamerikas, über Mexiko und Peru, Manila und Macao erreicht der junge Mönch erst nach elf Jahren und um die Erfahrung einer unglücklichen Liebe reicher das ferne Peking. In der fremden Welt der Verbotenen Stadt wird er feindselig empfangen, und nur langsam gelingt es ihm mit Hilfe seiner chinesischen Geliebten, die fremden Riten und Bräuche zu verstehen. Als aber der Kaiser stirbt, den er mit Hilfe seiner Musik, der eigenen Kompositionen und selbstgebauten Instrumente zum Freuend gewonnen hat, gerät sein Leben in Gefahr.

 

Teodorico Pedrini, eine belegte historische Person, war Missionar, Cembalist und Komponist. Der Papst entsandte ihn Anfang des 18 Jahrhunderts nach China, damit er als Musiker dem chinesischen Kaiser dienen sollte. Zugleich war die Hoffnung des Papstes, Pedrini könne es gelingen, den Einfluss der Jesuiten in der Verbotenen Stadt zurück zu drängen, denn außer ihnen hatte kein anderer Europäer wirklichen Einfluss auf den Kaiser. Außerdem soll Pedrini im Geheimen versuchen, den Kaiser Schritt für Schritt zu bekehren und darüber dem Papst Bericht erstatten. Doch erst einmal muss er dort angekommen. Ganze acht Jahre dauert seine von einigen Widrigkeiten geprägte Reise bis nach China. Dort findet er rasch das Wohlwollen des Kaisers und wird zu dessen erstem Musiker. Doch seine Stellung und sein Ruhm erwecken den Neid seiner Gegner.

Eine Reise um die halbe Welt

Jacques Baudouin spannt einen weiten Bogen in seinem Roman: Von Pedrinis Jugend in Rom über die beschwerliche Reise bis hin zu dreißig Jahren in China. Da das Ganze auf "nur" etwas über 400 Seiten stattfindet, könnte man einen spannenden Roman erwarten, der den Leser mitzieht. Das ist allerdings leider nur teilweise so. Obwohl eine so lange Zeitspanne erzählt wird und obwohl so viele fremde Länder darin vorkommen, besitzt der Roman einige Längen, in denen der Leser das Gefühl hat, es geht nicht richtig voran. In anderen Passagen hingegen hätte man sich etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht.

Gut erzählt ist die lange Reise mit ihren Beschwernissen und Widrigkeiten. Heute kann sich kaum noch jemand vorstellen, wie mühsam und gefährlich Reisen um die halbe Welt einmal waren. Für die Strecke, die Pedrini in acht Jahren zurücklegte, bräuchte man heute maximal einen Tag. Daher ist es sehr interessant, dem Italiener auf dieser Reise zu folgen, zu lernen, wie abhängig man von Wind, Wetter und den Jahreszeiten war. Monatelange Aufenthalte irgendwo in fremden Ländern waren keine Seltenheit, denn Fahrpläne gab es keine und ein Schiff für die weitere Reise musste erst einmal gefunden werden.

Oberflächlichkeiten schmälern den Lesegenuss

Nach ungefähr der Hälfte des Buches kommt Pedrini schließlich in China an. Daran sieht man auch etwas das Ungleichgewicht des Buches, immerhin erwarten den Leser dann noch rund 30 Jahre. Obwohl man als Leser einiges über die damaligen Sitten und Gebräuche erfährt, führt das dazu, dass viele Dinge nur oberflächlich gestreift werden. Eine nähere Betrachtung und Erläuterung wäre des öfteren hilfreich gewesen.

Auch Pedrinis Charakter erschließt sich einem nicht ganz. Einerseits nimmt er alle denkbaren Anstrengungen auf sich, um sein Ziel zu erreichen, doch dann widmet er sich der Erfüllung seiner Aufgaben nur sehr halbherzig. Es gibt zwar einige Streitgespräche mit den Jesuiten und Diskussionen mit dem Kaiser, doch lässt Pedrini da den nötigen Eifer vermissen. Er lebt sich in China rasch ein und wird verständlicherweise von dessen Sitten und Gebräuchen beeinflusst. Doch seine sich allmählich wandelnde Einstellung blitzt nur hier und da in Gesprächen auf, als Leser bekommt man die Gedanken, die sich Pedrini hierzu sicherlich macht, nicht mit. Auch seine Versuche, den Kaiser zum christlichen Glauben zu bekehren, erschöpfen sich in ein paar Gesprächen über Religion. Ebenso wird die eigentlich geplante Berichterstattung an den Papst nicht mehr erwähnt. Ebenso wird die Tatsache, dass er sich auch nach seinem Eintritt in den Orden zweimal verliebt, wenig Beachtung geschenkt. Mag sein, dass für Pedrini das Zölibat keine so wichtige Stellung einnimmt, doch ein paar Gedanken zu dem Bruch eines seiner Gelübde hätten ihn fassbarer für den Leser gemacht.

Eigentlich wäre Pedrinis Leben durchaus interessant, sowohl während seiner Reise als auch in China läuft nicht immer alles glatt. Doch gelingt es Baudouin nicht recht, das seinem Leser so zu vermitteln, dass sich das Interesse und der Spannungsbogen das ganze Buch über erhalten. Auch bleibt einem als Leser Pedrini teilweise fremd, was es zusätzlich erschwert, sich völlig auf das Buch einzulassen. Wer darüber hinwegsehen kann, findet ein Buch, das eine Geschichte außerhalb des Mainstreams behandelt und durchaus interessante Ansätze bietet.

 

Der weiße Mandarin

Jacques Baudouin, List

Der weiße Mandarin

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