Das Vermächtnis des Bösen

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Lübbe, 2010, Titel: 'Whitechapel', Originalausgabe
Das Vermächtnis des Bösen
Das Vermächtnis des Bösen
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Birgit Stöckel
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Histo-Couch Rezension vonJun 2010

Ein Mix aus Vergangenheit und Gegenwart, der nicht durchgehend überzeugen kann

Kurzgefasst:

London 1888: Hardy Scholten Lansdown ist ein begabter Mensch, Bühnenbildner und Kostümschneider an den großen Londoner Theatern und ein talentierter Autor. Doch seine Begabung interessiert ihn nicht. Seine guten Beziehungen ermöglichen ihm, sich eine ganz besondere Betätigung zu erkaufen. Er wird Assistent des Henkers von Liverpool, denn es bereitet ihm eine morbide Lust, den Tod anderer Menschen hautnah mitzuerleben.

New York, die Gegenwart: Tom Cole entdeckt durch Zufall, dass sein Vater in Wirklichkeit sein Onkel ist. Sein leiblicher Vater beging vor Toms Geburt Selbstmord. Als Tom weiter nachforscht, stellt er fest, dass sein Vater einem blutigen Geheimnis auf der Spur war. Einem Geheimnis, das bis zu seinen Londoner Vorfahren zurückreicht.

 

Die Vergangenheit

London 1888: Der Sehr Ehrenwerte Hardy Scholten Lansdown ist ein exzentrischer Mensch: Er ist ein talentierter Autor, arbeitet als Bühnenbildner und Kostümschneider an großen Londoner Theatern und besitzt ein kleines Atelier im Londoner East End. Dort malt er und versucht verzweifelt, mit einem seiner Werke in die Royal Academy of Arts aufgenommen zu werden. Geldsorgen hat er dank einer großzügigen Apanage seiner Familie keine, so dass er sich seinem Ehrgeiz ungehindert hingeben kann. Doch Hardy Lansdown hat auch eine dunkle, morbide Seite. So ist er fasziniert von Tod und schafft es sogar, bei einer Hinrichtung als Assistent anwesend zu sein. Doch seine Wünsche und (sexuellen) Phantasien reichen viel weiter...

Die Gegenwart

New York in unserer Zeit: Tom Cole ist Anwalt, der sich vor allem um die sozial Benachteiligten kümmert. Sein Vater Devlin Cole steht kurz davor, als Justizminister der Vereinigen Staaten vereidigt zu werden. Durch einen Zufall erfährt Tom, dass Devlin gar nicht sein Vater, sondern sein Onkel ist. Sein leiblicher Vater war ein manisch-depressiver Künstler, der sich vor seiner Geburt in London erhängt hat. Zusammen mit der Genealogin Juno versucht Tom, mehr über seinen wirklichen Vater zu erfahren und stößt dabei auf ein unfassbares Familiengeheimnis, das weit in die Vergangenheit, bis zu seinen Londoner Vorfahren, zurück reicht.

Die Vergangenheit atmosphärisch dicht erzählt

Philip Jolowicz erzählt die Geschichten der beiden Hauptpersonen, Hardy Scholten Lansdown und Tom Cole immer abwechselnd, so dass ein Kapitel in der Vergangenheit, das andere in der Gegenwart spielt. Dadurch gelingt zwar nicht immer, die Spannung aufrecht zu erhalten, doch immerhin zumindest meistens das Interesse des Lesers, so dass dieser bei der Stange gehalten wird.
Der Teil der Vergangenheit ist dem Autor recht gut gelungen. Der Sehr Ehrenwerte Hardy Scholten Lansdown ist eine zwiespältige Persönlichkeit, für die der Leser zwar kaum Sympathie entwickeln wird, die ihn aber fasziniert und unwillkürlich in ihren Bann schlägt. Philip Jolowicz schafft nach und nach eine morbide, düstere Atmosphäre, in der die dunklen Phantasien des Hardy Lansdown sich nach und nach entfalten. Zunächst begnügt er sich damit, bei einem verschwiegenen Bekannten Zeuge von deftigen, auf der Bühne inszenierten, sexuellen Handlungen zu werden oder als Assistent des Henkers einer Hinrichtung beizuwohnen. Doch sein Verlangen nimmt mehr und mehr zu: Er will selber töten, und zwar je blutiger desto besser. Läuft dem Leser anfangs bei diesem Szenario noch ein wohliger Schauer des Gruselns über den Rücken, so mischt sich im Verlauf der Geschichte immer mehr Abscheu dazu. Der Autor ergeht sich zunehmend in immer deutlicheren und drastischeren Schilderungen, die definitiv nicht für Leser mit schwachen Nerven geeignet sind und sicher auch bei einigen hartgesotteneren Lesern Ekel auslöst. Vor allem wird nicht nachvollziehbar begründet, wie es plötzlich zu diesem Wahn kommt, der den Sehr Ehrenwerten Hardy Scholten Lansdown in einen Blutrausch verfallen lässt, in dem er blindlings Prostituierte tötet. Auch die Auflösung des Ganzen befriedigt nicht wirklich, etwas allzu bemüht wirkt das ganze Konstrukt.

Zufälle über Zufälle

Der Gegenwartsteil bleibt blass und deutlich hinter den stimmungsvollen Anteilen der Vergangenheit zurück. Tom Cole ist zwar eindeutig sympathischer als sein historischer Gegenpart, allerdings vermag er den Leser lange nicht so zu berühren. Er teilt das Schicksal aller Hauptpersonen und bleibt farblos und nicht greifbar.
Die Geschichte strotzt zudem vor allen möglichen Zufällen, die es Tom ermöglichen, nach und nach das Geheimnis seiner Vorfahren aufzudecken. Doch wirken einfach zu viele dieser Zufälle so an den Haaren herbeigezogen bzw. einfach zu unglaublich, dass ein fader Beigeschmack bleibt und die Glaubwürdigkeit deutlich darunter leidet. Auch die gedanklichen Eingebungen, die Tom und seine Freundin Juno immer wieder haben, lassen den Leser immer wieder stutzen, denn nachvollziehbar sind sie des öfteren nicht. Natürlich geraten Tom und Juno schnell in Bedrängnis, denn sowohl Devlin Cole, Toms Ziehvater, als auch einige andere möchten die Entdeckung des Familiengeheimnisses verhindern, doch diese Szenen vermögen es nicht wirklich, den Leser zu fesseln, zu durchschaubar ist das Ganze teilweise. Vor allem stellt sich die Frage, ob ein Serienmörder, der 1888 in Whitechapel Prostituierte ermordet hat, im 21. Jahrhundert noch einen so großen Skandal hervorruft. Selbst wenn ein solcher Vorfahr kein Glanzlicht im Stammbaum ist, so dürfte er auch nicht ernsthaft die Ernennung eines Justizministers behindern. Auch wenn natürlich Zeit, Ort und die Opfer nahe legen, dass es nicht irgendein Serienmörder ist.

Insgesamt ist das Buch ein leicht zu lesendes Werk, das gerade durch die atmosphärisch sehr dichten Beschreibungen des Londons im 19. Jahrhundert vergnügliche Lesestunden ermöglicht. Allerdings sollte man als Leser nicht allzu zart besaitet sein und die gerade zum Schluss teilweise sehr blutigen Szenen verkraften können. Auch muss man den seicht dahinplätschernden Gegenwartsteil ohne Überraschungen und mit nichts sagenden Hauptfiguren akzeptieren können.

 

Das Vermächtnis des Bösen

Philip Jolowicz, Lübbe

Das Vermächtnis des Bösen

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