Die Symphonie des Augenblicks

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  • Erschienen: Januar 2010
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  • , 2009, Titel: 'La sinfonia del tempo breve', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
901001

Histo-Couch Rezension vonMai 2010

Die erträgliche Leichtigkeit des Seins

Kurzgefasst:

Green Talbot wird 1919 in Südengland geboren, in Tranquillity, einem Ort, in dem alles langsamer abläuft als anderswo, selbst die Zeit. Noch ist Frieden, eine kurze Atempause vor dem Sturm, der bald über Europa hereinbrechen wird. Green Talbot hat eine besondere Gabe: Er kann zuhören, wirklich zuhören. Und einen Fehler: seine unstillbare Neugier. So macht er sich auf, das sichere Tranquillity gegen die weite Welt einzutauschen: Amerika zur Zeit der Depression, London während der Nachkriegszeit, Italien im Wirtschaftsboom...

 

Nein, es ist eigentlich kein historischer Roman im "klassischen" Sinne, den der junge italienische Autor Mattia Signorini da mit Die Symphonie des Augenblicks vorgelegt hat. Warum, wird sich der Leser der Histo-Couch dann fragen, taucht dieser Roman dann hier auf, oder will der Redakteur nur den Erhalt seines Rezensionsexemplars rechtfertigen? Nun, ganz so einfach ist es dann eben doch nicht.

Green Talbot wird in dem kleinen südenglischen Ort Tranquility geboren. Hier wächst er von seinen Eltern wohlbehütet auf und nimmt alles, was er lernt, interessiert in sich auf. Mit fünf Jahren geht er zum ersten Mal in den Wald und lernt dort die Sprache der Vögel, vornehmlich der der Distelfinken, so dass er sich mit ihnen unterhalten kann. Er lernt das Zuhören, eine wertvolle Gabe, die ihm noch nützlich, vielleicht aber auch hinderlich werden kann. Und vor der Bestie im Wald hat er auch keine Angst.

Als sein Vater stirbt, bricht kurz darauf er erste Weltkrieg aus, und Green kommt zur Armee, um in Frankreich für das englische Heer zu kämpfen. Er wird verletzt und kommt in ein Lazarett, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Nach Jahren kehrt er heim und beschließt das Meer zu besuchen und schifft sich nach Amerika ein. Viele Jahre wird er unterwegs sein, sich in Amerika niederlassen, erfolgreich Geschäfte führen, eine nette Frau kennen lernen und schließlich nach Tranquility zurück kehren, wo sich eigentlich nicht viel geändert hat. Und immer noch spricht er mit den Distelfinken.

Ein ruhiger und philosophischer Roman

Mattia Signorini erzählt die Lebensgeschichte von Green Talbot mit einer Leichtigkeit, wie man sie lange nicht gelesen hat. Auf nur 218 Seiten weiß er den Leser vollkommen zu bezaubern, obwohl er in manchen Erzählteilen nur an der Oberfläche seiner Möglichkeiten kratzt. Aber er erzählt nichts, was auch nicht erzählt werden muss, und somit bleibt er immer in der Perspektive von Green, der mit seiner unschuldigen Natur alles in sich aufnimmt, was das Leben ihm bietet.

Schon der Name seines Geburtsortes Tranquility (= Ruhe, Gelassenheit) deutet an, dass es hier keine unüberlegten oder übertriebenen Beschreibungen von Krieg oder anderen Großereignissen gibt. Green lernt in seinem Leben viel dazu und wird auch klüger, wodurch seine Leichtgläubigkeit, die zu Beginn doch häufig ausgenutzt wird, auch abgeschwächt wird. Dies alles beschreibt Signorini mit derselben Leichtigkeit, mir der Green sein Leben lebt. ´

Die Geschichte als bloße Hintergrundkulisse

Dabei gerät der historische Aspekt des Romans nicht in den Vordergrund. Zwar spielen einzelne Handlungsteile vor historischer Kulisse wie dem Zweiten Weltkrieg, der Depression in Amerika oder England in der Nachkriegszeit, aber diese Ereignisse spielen eigentlich für Green keine Rolle. Er lebt sein Leben und lernt Freunde kennen, spricht mit Möwen und anderen Tieren und steckt durch seine Leichtigkeit auch andere Menschen an und verändert dadurch ihr Leben ungewollt zum positiven. Aber dennoch ist dieser Hintergrund nötig, weil er und die Situation für alle anderen von Bedeutung sind, und deshalb ist auch die Geschichte, wenn auch erst auf dem zweiten Weg, für Green Talbot von Bedeutung.

 

 

"So kann Ihre Geschichte unmöglich enden." -

"Aber genauso war es."

 

Signorini reiht schöne Szenen aneinander wie Greens erste Begegnung mit einem Automobil, durch das er in seinem Fahrer Jerry Spears einen Freund fürs Leben findet. Dabei ist die Sprache Signorinis sehr einfach gehalten, fast möchte man meinen, ein Kinderbuch in der Hand zu haben, aber inhaltlich ist es doch Erwachsenenliteratur. Wie es der Titel des Buches schon treffend aussagt, reihen sich mehr Augenblicke aneinander, als dass es eine durchgehende Handlung gibt, aber nur so erzählt man ein volles und erfülltes komplettes Leben auf 218 Seiten. Viele kleine Melodien reihen sich zu einer Symphonie, und wenn man überhaupt ein Haar in der Suppe finden möchte, so müsste man genau hier ansetzen, dass manchmal zwischen den - immerhin - 47 kurzen Kapiteln wenig Spielraum und wenig Zusammenhang besteht und detailliertere und weitgehendere Beschreibungen von Handlungen und Charakteren nicht stattfinden. Aber das Gesamtbild stimmt, und das schafft der Autor mühelos, und oft vermisst man auch eigentlich nichts.

Auf dem Titelbild sieht man ein Schiff, das über dem Meer schwebt und mit Tauen im Meer befestigt ist. Ein schönes und für diesen Roman treffendes Bild, wie auch das Hardcover mit der Leinenbindung einen exklusiven und besonderen Roman vermuten lassen. Ein Glücksgriff für den Kailash-Verlag, und es bleibt zu hoffen, dass künftige, gerne auch längere Romane des Italieners Mattia Signorini diesen Standard halten können.

 

Die Symphonie des Augenblicks

Mattia Signorini, -

Die Symphonie des Augenblicks

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