Der rote Salon

  • Bebra
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • Bebra, 2010, Titel: 'Der rote Salon', Originalausgabe
Der rote Salon
Der rote Salon
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Carsten Jaehner
801001

Histo-Couch Rezension vonApr 2010

In Preußen wird weiter gemordet

Kurzgefasst:

Dezember 1793: Gerardine de Lalande, vor Kurzem über Paris aus den Vereinigten Staaten nach Berlin zurückgekehrt, bezaubert mit ihrer kleinen Manufaktur für Camera obscura und Laterna magica die Hauptstädter. Während die ganze Stadt von der bevorstehenden Hochzeit des Thronfolgers mit der jungen Prinzessin Luise spricht, wird Gerardines beste Freundin stranguliert und mit einer mysteriösen Tätowierung auf der Schulter aufgefunden. Gegen den Willen ihres Mannes beginnt Gerardine mit eigenen Ermittlungen und gerät in den Strudel eines dunklen Geheimnisses...

 

Da ist er also, der erste Teil der Nachfolgereihe von Tom Wolfs Preußenkrimis um den Zweiten Hofküchenmeister Honoré Langustier. Protagonistin ist dessen Urenkelin Gerardine de Lalande, die der geneigte Leser bereits in den letzten Preußenkrimis kennen gelernt hat. Doch der Reihe nach.

Gerardine de Lalande, durch ihre Heirat mit dem Marquis und bekannten Aeronauten de Lalande selbst in den Adel aufgestiegen, kommt im Dezember 1793 aus Paris nach Preußen zurück und ist immer noch beeindruckt von den Erlebnissen der Revolution. Gemeinsam mit ihrem Mann stellt sie nun magische Bildwerfer her und alles, was mit Lampen und Leuchten zu tun hat, gerade in der Weihnachtszeit eine lohnenswerte Arbeit.

Während die bevorstehende Hochzeit des Thronfolgers Stadtgespräch in Berlin ist, steht eines abends der Polizeichef Distel in ihrer Tür und bittet sie, drei Tote zu identifizieren, die sie wohl alle aus Frankreich kennen soll. Tatsächlich ist unter ihnen ihre Freundin aus Pariser Zeiten, Anne de Pouquet. Ein weiterer ist der ehemalige Konvents-Abgeordnete Gaston Armand Comte de Mâconnais-Ramboullion, sowie Alphonse Dampmartin, den Gerardine und ihr Mann von früher kennen. Alle drei haben an der linken Schulter eine Harfe tätowiert. Beim Verlassen der Polizeianstalt warten zwei weitere bekannte der Revolution auf Einlass, und so wird Gerardines vererbter Spürsinn geweckt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Ohne sich mit ihrem Mann oder Distel abzusprechen, sucht Gerardine den Ort auf, an dem die Toten gefunden wurden: Die ehemalige Sommerresidenz der Prinzessin Amalie, Friedrichs II. verstorbener Schwester, inzwischen auch "Spukvilla" genannt, weil sie ziemlich heruntergekommen und ausladend ist. Gerardine trifft die Hausbesitzerin Beatrice de Grève und findet heraus, dass in dem Haus gelegentlich nächtliche Soireen stattfinden. Und zwar im roten Salon, wo der Komponist Amadé de Paul mit Anne de Pouquet auf der Harfe Konzerte gab. Gerardine gerät in einen Strudel der Ereignisse, bei denen sich in der Silvesternacht alles entscheiden wird...

Interessanter Blick auf Preußen und Frankreich

Nur zur Beruhigung: Man kann den ersten Fall Gerardine de Lalandes auch lesen, ohne mit den kriminalistischen Glanztaten ihres Urgroßvaters Honoré Langustier vertraut zu sein. Zwar tauchen der eine oder andere alte Bekannte von früher auf wie der Polizeichef Distel, der allerdings hatte damals noch nicht diesen Posten inne, und so kann dieser Roman als Start einer neuen Reihe betrachtet werden, wenngleich er ein Ableger der Langustier-Reihe ist und sich demnach zwangsläufig mit den anderen Romanen vergleichen lassen muss.

Der Roman spielt sieben Jahre nach dem Tod des großen Preußenkönigs Friedrichs II. im Jahr 1786, also 1793, und damit während der Französischen Revolution. Noch weiß man im betulichen Preußen nicht so recht etwas mit dem anzufangen, was man da aus Frankreich erfährt, und dies ist auch ein Element, dass Tom Wolf in seinen Roman einfliessen lässt und der eine neue Sicht auf die Ereignisse in Paris gewährt.

Dieser andere Einblick in Zeit und Denken ist indes nicht die einzige Neuerung, mit der Tom Wolf daherkommt. Zum einen erzählt Gerardine die Geschichte aus ihrer Ich-Perspektive, zum anderen aus der Rückschau von 34 Jahren auf das Geschehen, dass sie nun auf Bitten jüngerer Verwandter festhält. Durch diese Perspektive ist man noch enger am Geschehen dran und erlebt den Fall und die Ereignisse zeitgleich mit der Protagonistin mit, eine reizvolle Variante gegenüber der Langustier-Reihe.

Sprachlich reicht Tom Wolf leider nicht ganz an seine Glanzzeiten der Preußen-Krimis heran, wenngleich es immer noch höchst amüsant ist, den Krimi zu lesen. Wieder bewegt man sich in höchsten adligen Kreisen, selbst der Kronprinz Louis Ferdinand gibt sich am Ende die Ehre, wenngleich Gerardine in der Rückschau nicht viel von ihm hält. Die Charaktere sind eine bunte Mischung aus höfischer Arroganz und versteckter Durchtriebenheit, wie sich für höchste dekadente Kreise gehört, hier trifft Wolf die richtige Mischung und weiß die Personen gekonnt zu beschreiben.

Wirre Handlung mit okkulten Elementen

Die Handlung jedoch ist ziemlich wirr. Wer sich mit Okkultismus, Séancen und schwummrigen Soireen beschäftigt, läuft zwangsläufig Gefahr, sich damit aufs Glatteis zu begeben, denn schon von Beginn an schwebt der Geist der Scharlatanerie über allem. Leider schafft es Wolf nicht durchgehend, diesem Glatteis fern zu bleiben, denn manches gerät doch zu durchsichtig. Demgegenüber ist gerade die Auflösung sehr verwirrend, viele Personen, teilweise mit unaussprechlich langen Namen, nebst dem Kronprinzen sind am Ende zugegen, wenn die Aufklärung folgt. Immerhin hat der Autor dieses Element der Aufklärung vor allen Personen, das man bereits von Agatha Christie kennt, beibehalten.

Letztlich ist Tom Wolfs Start in eine neue Reihe durchaus gelungen, wenn auch mit ein paar kleinen Holperern. Wenn man Der rote Salon als Übergang zwischen beiden Reihen betrachtet, steht zu hoffen, dass er sich in den folgenden Romanen steigert und der Ermittlerin eine klare und vor allem eigene Linie verschafft und vielleicht auch eine Sympathie-Figur wie den Alten Fritz schafft, denn der sorgte doch immer für die rechte Würze der Lektüre. Dessen Auftritt in diesem Roman, obwohl bereits verblichen, mutet doch auch eher seltsam an.

Eine Personenliste mit realen und fiktiven Personen sowie ausführliche Erklärungen am Ende des Romans sind bei Wolf übliche und gern gesehen Anhänge. Das aufreizende Cover des Romans mag in Kombination mit dem Titel auf einen vielleicht schlüpfrigen und irgendwie erotischen Roman schliessen lassen, doch das wäre nun wirklich weit gefehlt. Immerhin adelt der be.bra-Verlag seine neue Reihe mit Hardcovern, allerdings macht dies die Romane gegenüber den Langustiers auch gleich fast doppelt so teuer. Nun, freuen wir uns auf die neue Reihe und auf hoffentlich noch viele neue Fälle für die Aeronautin Gerardine Marquise de Lalande, und mögen diese etwas klarer und weniger verwirrend verlaufen als ihr Einstand.

 

Der rote Salon

Tom Wolf, Bebra

Der rote Salon

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