Ein falscher Heiliger

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2010
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  • Lübbe, 1997, Titel: 'A Bone of Contention', Originalausgabe
Ein falscher Heiliger
Ein falscher Heiliger
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonMär 2010

Das spätmittelalterliche Cambridge erwacht zum Leben.

Kurzgefasst:

Der Schatten der Pest liegt über Cambridge. Die Gläubigen suchen Schutz in der Macht heiliger Reliquien. Doch die Knochenhand eines Märtyrers, die Doctor Bartholomew zur Prüfung vorgelegt wird, ist viel zu bleich, um jahrelang im Sumpf gemodert zu haben. Und sie trägt einen Ring, wie er zuletzt die Hand eines Studenten schmückte. Eines Studenten, der letzte Nacht ermordet wurde.
Ein neuer Fall für den Arzt und Gelehrten Matthew Bartholomew.

 

Im September 1352 werden im Königsgraben direkt neben dem College von Valence Marie mehrere Knochen gefunden. Nicht zum ersten Mal ist die Hoffnung groß, dass es sich bei dem Knochenfund um die Überreste von Simon d'Ambrey handelt, der fünfundzwanzig Jahre zuvor verstarb und seitdem als Märtyrer verehrt wird. Doch der herbeigerufene Arzt Matthew Bartholomew kann schnell erkennen, dass es sich um die Knochen eines Kindes handeln muss, das vermutlich vor zwanzig bis dreißig Jahren erschlagen wurde. Bereits am folgenden Tag wartet der nächste Knochenfund im Königsgraben auf Matthew, dieses Mal allerdings in Person des schottischen Studenten James Kenzie, der noch am Vortag in eine Schlägerei mit englischen Studenten verstrickt war. Schnell finden Matthew und Bruder Michael, der Proktor der Universität, heraus, dass Kenzie eine heimliche Freundin hatte. Dabei handelt es sich ausgerechnet um die Tochter des Prinzipals von Godwinsson House, jener Wohngemeinschaft, mit deren englischen Studenten sich Kenzie und seine Freunde tags zuvor eine Schlägerei lieferten.

Matthew und Michael vermuten, dass zwischen dem Auffinden der alten Kinderleiche und der Ermordung von Kenzie womöglich einen Zusammenhang besteht könnte. Zwei Leichen innerhalb von zwei Tagen, beide offenbar erschlagen und an nahezu gleicher Stelle aufgefunden. Die Nachforschungen laufen träge an und schon am darauf folgenden Tag drohen sich die Ereignisse in Cambridge erneut zu überschlagen, denn es kommt zu schweren Unruhen zwischen Stadtbewohnern und Studenten. Offenbar machen die Stadtbewohner die verhassten Studenten für die aufgefundene Kinderleiche verantwortlich, umgekehrt geben die Studenten den Stadtbewohnern die Schuld an der Ermordung Kenzies. Bei dieser Ausgangslage schließen sich die gegenseitig ebenfalls verhassten Studentengruppierungen kurzerhand zusammen, denn die Stadtbewohner sind erklärtermaßen der gemeinsame Feind. Am nächsten Morgen kehrt vorübergehend wieder Ruhe ein, doch sind acht Tote und zahlreiche Verletzte zu beklagen. Viel Zeit bleibt Matthew als Arzt jedoch nicht, sich um seine Patienten zu kümmern, denn die Morde und Unruhen gehen stetig weiter.

Susanna Gregory legt mit Ein falscher Heiliger bereits ihren dritten Band der Matthew-Bartholomew-Reihe vor, der im Original allerdings bereits im Jahr 1997 unter dem Titel A Bone Of Contention erschien. Wie schon bei den Vorgängern geht es neben der eigentlichen Krimihandlung vor allem um das Verhältnis zwischen Universität und Stadt sowie um den Stand der Medizin zur damaligen Zeit.

Die Einwohner Cambridges unterliegen dem weltlichen Recht, welches deutlich drakonischere Strafmaße vorsieht als das Kirchenrecht, dem die Studenten unterliegen. So werden beispielsweise zwei städtische Auszubildende zum Tode verurteilt, nachdem sie einen Studenten getötet haben. Ein Student, der einen Bäckermeister tötete, wurde vom Bischof jedoch nur zur Zahlung einer vermeintlich geringen Geldstrafe verurteilt. Kein Wunder also, dass ständiger Ärger in der Luft liegt. Wie schon angedeutet bietet der vorliegende Roman genügend Anlässe für Auseinandersetzungen.

Matthews Tätigkeit als Arzt ist ebenfalls ein sehr lesenswerter Teil des Romans, denn er ist der einzige fortschrittliche Arzt in Cambridge, der bereits erkannt hat, dass die Reinigung des Körpers mit Wasser große Vorteile hat. Weit verbreitet ist zur damaligen Zeit noch die genau gegenteilige Vermutung. Als Arzt hat Matthew eigentlich die Aufgabe, seine Patienten zu untersuchen, in deren Urin zu lesen und astrologische Untersuchungen und Beratungen durchzuführen. Schließlich haben die Sterne immer Recht, so dass Matthew, der von derlei Unfug wenig hält, bei seinen Kollegen ein eher durchschnittliches Ansehen genießt und immer davor auf der Hut sein muss, nicht eines Tages der Ketzerei bezichtigt zu werden und dadurch seinen Lehrauftrag entzogen zu bekommen. Ebenfalls nicht ganz neu ist Matthews (nicht vorhandenes) Liebesleben, durch das er recht tölpelhaft stolpert.

Susanna Gregory gelingt mit dem vorliegenden Werk erneut ein stimmungsvoller und lebendiger Blick in das englische Spätmittelalter, bei dem auch die hygienischen Zustände nicht verschwiegen werden. Es mag einem da mitunter der Appetit auf ein Bier oder ein Glas Wein vergehen, wobei kleine Insekten im Trinkwasser ebenso wenig verlockend erscheinen. Die Figuren sind weitgehend ordentlich gezeichnet, nur die zugrunde liegende Krimihandlung überschlägt sich am Ende arg gewaltig. Das sehr lange "Finale" erfährt die eine oder andere Wendung, bei der man (womöglich) nicht immer folgen kann. "Weniger ist manchmal mehr" möchte man der Autorin zurufen und fünf Euro in das bereitstehende Phrasenschwein werfen. Vom Showdown abgesehen ist Ein falscher Heiliger eine lesenswerte Lektüre für alle Mittelalterfans.

 

Ein falscher Heiliger

Susanna Gregory, Lübbe

Ein falscher Heiliger

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