Alles geben die Götter

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2010
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  • Lübbe, 2008, Titel: 'Of Merchants and Heroes', Originalausgabe
Alles geben die Götter
Alles geben die Götter
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Eva Schuster
671001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2010

Klassischer Bildungsroman im antiken Gewand

Kurzgefasst:

"Mit vierzehn Jahren legte ich meine Knabenkleider ab und das Gewand des Erwachsenen an. Die Sklaven und Hofknechte standen dabei, während mein Vater ein Zicklein opferte und danach Wein und Weihrauch.
Ohne darüber nachzudenken, hatte ich angenommen, dass von diesem Tag an alles anders sein würde. Doch am nächsten Morgen, als das Fest vorbei war und meine neue, weiße Toga zusammengefaltet in der alten, bronzebeschlagenen Kleidertruhe in meinem Zimmer lag, fühlte ich mich noch genauso knabenhaft wie immer. Was es heißt, alles Kindliche hinter sich zu lassen, erfuhr ich erst einige Monate später, als ich einen Mann tötete."

 

Das ländliche Praeneste, 200 vor Christus: Der vierzehnjährige Marcus lebt glücklich mit seiner Mutter und seinem Vater, einem gebildeten Mann, der es jedoch vorgezogen hat, ein einfacher Kleinbauer zu bleiben. Da Marcus langsam in den Ernst des Lebens eingeführt werden soll, begleitet er seinen Vater auf eine Schiffsreise zum römischen Flottenstützpunkt Kerkyra, wo sie Marcus' Onkel Caecilius treffen wollen. Das Schiff wird von Piraten überfallen und Marcus überlebt als einziger das grausame Gemetzel. Ihm gelingt die Flucht zu seinem Onkel - doch der erweist sich als geldgieriger und genusssüchtiger Geschäftsmann, der dem Jungen wenig Gefühl entgegen bringt.

Nach dem Tod des Vaters heiratet Caecilius schließlich Marcus' Mutter, die keinen anderen Weg sieht, um den Hof zu behalten. Sein neuer Stiefvater nimmt Marcus mit nach Tarent, wo er ins Geschäftsleben eingeführt werden soll. Durch einen glücklichen Zufall hilft Marcus dem örtlichen Prätor bei einem Überfall und schließt daraufhin Freundschaft mit dessen Neffen Titus. Durch Titus lernt Marcus die griechische Kultur kennen und schließlich auch den bewunderten athenischen Athleten Menexenos. Auch zwischen ihnen entsteht rasch eine enge Freundschaft, die sich allmählich in eine erste Liebe wandelt.

Neben Liebesglück bedeutet diese Beziehung aber auch Schwierigkeiten, vor allem da Titus' Bruder Lucius Menexenos schon lange vergeblich nachstellt. Kurz darauf sorgt auch der drohende Krieg mit König Philipp von Makedonien für Unruhe. Marcus und sein Geliebter müssen nicht nur um ihr Leben kämpfen - auch dem verhassten Piratenanführer, der seinen Vater tötete, begegnet Marcus immer wieder ...

Ein junger Römer wächst heran

Der Altphilologe Paul Waters wählte für seinen ersten Roman einen interessanten und vor allem sehr ereignisreichen und dramatischen historischen Hintergrund. Der Zweite Punische Krieg ist gerade beendet, der Makedonisch-Römische Krieg steht bevor. Es ist eine Zeit des Umbruchs, in der sich die römische und die hellenistische Kultur langsam miteinander vermengen. Manche Römer wie Titus stehen dem begeistert gegenüber und greifen fasziniert die griechische Lebensweise auf, andere wie Marcus' Onkel stehen dem teilweise skeptisch gegenüber. Das gilt auch für die Homosexualität, die zwar im Roman toleranter behandelt wird als heute, die sie aber auch nicht als unproblematisch darstellt. Während die auch pädagogisch orientierte Knabenliebe nach antiken Quellen teils sogar gefördert wurde, gab es bei gleichgestellten männlichen Partnern durchaus nicht selten Vorbehalte. Auch Marcus muss sich ab und an hämische Bemerkungen wegen seiner gleichgeschlechtlichen Beziehung zu Menexenos gefallen lassen. Die Schilderung dieser Liebesbeziehung ist eine der Stärken des Romans. Erotische Komponenten werden bemerkenswerterweise nahezu völlig außen vor gelassen, ohne dass man sie vermissen würde, stattdessen konzentriert sich Marcus in seinen Beschreibungen auf das liebevoll-zärtliche Verhältnis der beiden, für das er immer wieder schöne, poetische Worte findet. Gelungen ist auch die Darstellung von König Philipp V. von Makedonien, der zwar nur kleine Szenen hat, in denen er aber durch seine Ambivalenz interessant erscheint. Eine reizvolle Nebenfigur ist die schöne, kluge und gewitzte Hetäre Pasithea, eine stolze Frau, die weitaus mehr als ihren Körper zu bieten hat und zu den sympathischsten Charakteren des Buches zählt.

Figuren könnten vielschichtiger sein

Zu den Schwächen des Romans gehört die etwas flache Charakterzeichnung bei den Hauptfiguren. Den guten Charakteren wie Marcus und Menexenos stehen die schlechten wie Caecilius und Lucius gegenüber, und so wie die guten Figuren sich untadelig und heldenhaft benehmen, so sind die anderen von Anfang an unangenehme und durchtriebene Subjekte. Zumindest ein paar kleine Ecken und Kanten wären bei Marcus schön gewesen, auch bei Menexenos, der dazu noch immer außergewöhnlich schön wie eine Götterstatue beschrieben wird und ein fast unfehlbarer Athlet ist. Teilweise gehen in der Handlung auch die Gefühle des Protagonisten etwas unter. Davon ausgenommen sind Marcus' Gefühle für Menexenos, die schön beschrieben werden, davon abgesehen aber erscheint er oft ein bisschen zu unnahbar. Gerade wenn man bedenkt, was er in den sehr jungen Jahren zwischen seinem fünfzehnten und neunzehnten Lebensjahr alles an Schicksalsschlägen und dramatischen politischen Entwicklungen erlebt, ist er oft ein bisschen zu stoisch, zu gefasst, zu abgeklärt. Die Wandlung vom unbedarften Landjungen hin zum mutigen Krieger geschieht etwas zu simpel. Was auch ein wenig zu kurz kommt, sind Alltagsschilderungen. Die historischen Hintergründe werden anschaulich dargestellt, der römische und griechische Alltag hingegen geht etwas unter, etwa was das typische Essen anbelangt, wie die Städte und Dörfer aufgebaut sind, wie die Menschen ihre Zeit verbringen. Anstatt wie nebenbei solche kleinen Details einfließen zu lassen, die das Leben 200 Jahre vor Christus lebendig machen, konzentriert sich Paul Waters ein bisschen zu sehr auf die wichtigen Handlungsaspekte. An solchen Punkten fällt auf, dass der Autor ein Experte auf dem Gebiet der Geschichte ist, er als Romanautor aber debütiert.

Als Fazit bleibt mit Alles geben die Götter ein durchaus anspruchsvoller und gut recherchierter Roman aus der Antike, der Charakterstudie mit Liebesgeschichte und Kriegswirren verbindet.

Alles geben die Götter

Paul Waters, Lübbe

Alles geben die Götter

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