Die Kathedrale der Ketzerin

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Piper, 2010, Titel: 'Die Kathedrale der Ketzerin', Originalausgabe
Die Kathedrale der Ketzerin
Die Kathedrale der Ketzerin
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Rita Dell'Agnese
871001

Histo-Couch Rezension vonJan 2010

Einsicht in die Denkweise der Katharer

Kurzgefasst:

Juni 1219. Im Auftrag des Papstes stürmen zehntausend Kreuzfahrer die französische Stadt Marmande, um die ketzerische Glaubensgemeinschaft der Katharer auszurotten. Nur durch Zufall kann Clara, die Tochter des Herrschers von Toulouse, aus dem Inferno gerettet werden. Am königlichen Hof in Paris versucht sie Blanka, die Frau des Thronfolgers, dafür zu gewinnen, dem Terror ein Ende zu bereiten. Blanka begleitet dort den Bau der Kathedrale Notre-Dame, und auch Clara zieht es immer wieder zu dem bereits imposant aufragenden sakralen Gebäude. Doch dann erschüttert eine unglückliche Liebe ihr Leben und belastet sie mit einem dunklen Geheimnis. Die Eintracht mit Blanka scheint verloren, und schließlich müssen beide Frauen im Moment größter Gefahr eine folgenschwere Entscheidung treffen.

 

Gleich vorweg: In Martina Kempffs neuestem Werk versteckt sich eine andere Geschichte, als es der Titel zunächst vermuten ließe. Die Kathedrale - hier ist die Notre Dame gemeint, die sich noch im Bau befindet - spielt im Roman eine so untergeordnete Rolle, dass all jene, die sich mehr Informationen über die Kathedrale erhofft hatten, enttäuscht sein dürften. Im Zentrum des Geschehens stehen zwei Frauen: Blanka von Kastilien und Clara, Tochter des Herrschers von Toulouse. Die Autorin nutzt die - fiktive - Figur von Clara, um Blankas Geschichte zu erzählen. Denn Clara erlebt als Hofdame, die jedoch eher die Stelle einer Ziehtochter einnimmt, wie sich Blanka als starke Frau an der Seite des französischen Königs beweist und nach dessen Tod die Macht geschickt für ihren ältesten Sohn verteidigen kann.

Verwöhnte Göre

Clara wird zunächst als verwöhnte und sehr naive Göre dargestellt. Das Mädchen, das in Paris am Königshof erzogen wird, reist unvermittelt zu ihrem Vater nach Toulouse und bringt in ihrem Geleit Tod und Verderben in die Stadt. Auf der von Vater und Bruder angeordneten, unverzüglichen Rückreise nach Paris wird Clara Opfer eines Überfalls durch königstreue Truppen und wird von einer Gruppe von Katharern gerettet. Es ist die erste Begegnung Claras mit den Ketzern, und sie ist erleichtert, als Theobald, Graf der Champagne, sie aus deren Händen "rettet" und zurück nach Paris bringt. Dort begegnet Clara erneut den Katharern und beginnt aufgrund einer unsterblichen Liebe zu Felizian, sich intensiv mit deren Kultur auseinander zu setzen. Dabei wandelt sich die ich anfänglich naive Person zu einer etwas reiferen Persönlichkeit. Dieser Wandel ist allerdings nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbar. So bleibt Clara bis zum Schluss eine recht farblose und weitgehend uninteressante Figur. Ganz anders Blanka, die sich als starke Persönlichkeit herausstellt und dem Leser schnell nahe steht. Die Herrscherin erweist sich nicht erst nach dem Tode ihres geliebten Gemahls als wahre Nachfahrin von Eleonore von Aquitanien.

Durch die "rosarote Brille" gesehen

Die Autorin lässt durch ihren Roman einen vertieften Einblick in die Denkweise der Katharer zu. Doch scheint es, als würde sie die Kultur der Katharer etwas gar stark durch eine "rosarote Brille" betrachten. Wohl beschreibt Martina Kempff die lebensfeindliche Askese dieser Glaubensgemeinschaft, sie schiebt sie aber sogleich an den Rand und lenkt das Augenmerk vielmehr auf die unendliche Güte der Menschen und ihrer großen Leidensfähigkeit. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Kultur der Katharer bleibt damit leider aus. Die immer wieder eingeflochtenen Beschreibungen bewegen sich in einem sehr engen Rahmen.

Abenteuerliche Theorie

Sehr gewagt ist die Interpretation Martina Kempffs, was den Tod des Königs betrifft. Allerdings sind die Schilderungen so schlüssig, dass es sich durchaus so zugetragen haben könnte, wie die Autorin schreibt. Darin offenbart sich auch die Stärke des Romans: Das große Erzähltalent von Martina Kempff und ihr profundes Wissen bilden eine solide Basis für einen tiefsinnigen und bewegenden Roman. Die düstere Atmosphäre jedoch, die durch die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen und die stete Verfolgung der Ketzer entsteht, braucht Durchstehvermögen. Die Kathedrale der Ketzerin ist kein Buch, das sich mal eben leicht weglesen lässt. Es verlangt eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Inhalt und die Bereitschaft, sich auf die doch eher bedrückende Geschichte einzulassen.

Ein großes Plus des Buches ist die Gestaltung. Das am Anfang zu findende Personenregister und die detaillierten Erläuterungen zum Schluss des Buches machen viel her, die in den Klappen zu findende Karte ist hilfreich und eine wirkliche Bereicherung. Klappentext, Titel und Cover hingegen werden dem Roman leider überhaupt nicht gerecht und sollten in einer Neuauflage ernsthaft überprüft werden.

 

Die Kathedrale der Ketzerin

Martina Kempff, Piper

Die Kathedrale der Ketzerin

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