Mitternachtsmädchen

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • Droemer-Knaur, 2009, Titel: 'Mitternachtsmädchen', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
891001

Histo-Couch Rezension vonJan 2010

Vom Gefühl, nie ganz vollständig zu sein

Kurzgefasst:

In einer verwunschenen Pension an Englands Küste, mitten in der Nacht, werden Zwillinge geboren - und in den stürmischen 20er Jahren bald von ihrer Mutter verlassen. Die kleine April wird adoptiert, während May in der Obhut der Pensionswirtin aufwächst. Doch ohne voneinander zu wissen, haben die Mitternachtsmädchen ihr Leben lang das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt...

 

Unbeschwert wächst May bei der Pensionswirtin Molly heran, die sie für ihre Mutter hält. Auch von ihrer Zwillingsschwester April, die als Adoptivtochter einer Berliner Kaufmannsfamilie heranwächst, ahnt May zunächst nichts. Ähnlich ergeht es April, die zwar weiss, dass sie als Baby adoptiert worden ist, der man ihre Zwillingsschwester aber verschwiegen hat. Je älter die beiden Mädchen werden, desto deutlicher haben sie das Gefühl, nie ganz vollständig zu sein. Als May durch einen Zufall von ihrer "Zwillingsgeburt" erfährt, versucht sie Kontakt zu ihrer Schwester aufzunehmen. Doch dies gestaltet sich schwieriger, als May und Molly sich das vorgestellt haben.

Humor und Gesellschaftskritik

Tanja Wekwerth hat es verstanden, die Geschichte in einen humorvollen Rahmen zu passen und dennoch nicht auf kritische Betrachtungen über die englische Gesellschaft in den 20er Jahren zu verzichten. Die naive Molly wird als warmherzige Frau geschildert, die so sehr mit der Pension "Old Inn" verbunden ist, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse weit hintenan stellt. Ganz anders die wahre Mutter der beiden Zwillingsmädchen: Sie träumt von einer Karriere als Schauspielerin, der die beiden Töchter im Wege stehen. Die Mädchen selber werden als ungewöhnliche Persönlichkeiten skizziert, was der Geschichte eine feine Note ins Ironische verleiht.

Verzicht auf Kitsch

Obwohl sich der Plot zunächst rührend, aber wenig tiefgreifend anhört, legt die Autorin ganz selbstverständlich den Finger auf die allzu menschlichen Schwachpunkte. Die Unreife und der Egoismus der Schauspielerin ist hier nur eines der Beispiele. Das Unvermögen der deutschen Adoptivmutter, mit dem unerwarteten Wesen ihrer so lang ersehnten Tochter umzugehen, ein anderer. Die menschlichen Schwächen, mit denen jede einzelne der Figuren zu kämpfen hat, macht den Roman Mitternachtsmädchen zu einem liebenswürdigen und immer wieder auch einmal schonungslos entlarvendem Werk. Sowohl die Schauplätze als auch die zeitliche Ansiedlung sind fein abgestimmt und bilden den passenden Rahmen.

Sich darauf einlassen

Von ihrer Leserschaft fordert die Autorin einiges: So muss, wer das Buch Mitternachtsmädchen in seinen ganzen schillernden Facetten geniessen will, bereit sein, sich ganz auf die Geschichte einzulassen und nichts in Frage zu stellen. Nur so entfaltet sich das volle Volumen und lädt den Lesenden dazu ein, eine ungewöhnliche Welt zu betreten. Und so ist Mitternachtsmädchen eine ebenso charmante wie tiefgründige Geschichte, die da und dort dem Lesenden unvermittelt einen Spiegel vorhält, ohne je verletzend zu sein.

 

Mitternachtsmädchen

Tanja Wekwerth, Droemer-Knaur

Mitternachtsmädchen

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