Das Banner der Königin

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2009
  • 3
  • Blanvalet, 2007, Titel: 'A Place Beyond Courage', Originalausgabe
Das Banner der Königin
Das Banner der Königin
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Volker Faßnacht
951001

Histo-Couch Rezension vonDez 2009

Der König ist tot - lang lebe der König

Kurzgefasst:

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts spaltet die Nachfolge König Heinrichs bereits zu dessen Lebzeiten den englischen Hof. Nach seinem plötzlichen Tod entlädt sich der erbitterte Kampf um seinen Thron in einem blutigen Bürgerkrieg. John FitzGilbert, der königstreue ehemalige Hofmarschall, zunächst auf der Seite Stephans, des Neffen des toten Königs, wird schon bald gezwungen, das Lager zu wechseln - zu Mathilde, der Königstocher. Seiner Vaterlandsliebe wird schließlich das teuerste Gut eines Vaters abverlangt: Er soll seinen eigenen Sohn für den Frieden Englands opfern...

 

Wer ist denn nun der neue König von England?

Elizabeth Chadwick führt ihre Leserschaft in ihrem Roman Das Banner der Königin mitten hinein in die bewegte Zeit des 12. Jahrhunderts von England. Eine Zeit mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Der Kampf um den Thron ist entbrannt, nachdem der alte König Heinrich plötzlich gestorben ist. Maud (Mathilda), Tochter von Heinrich I. einerseits, eine Revolution, da sie die erste Frau auf Englands Thron gewesen wäre, wenig gelitten von vielen Adeligen, die eben nicht von einer Frau regiert werden wollten, andererseits Stephan de Blois - Neffe Heinrichs I., der seinen Anspruch auf den Thron gelten machen konnte, da er ein direkter Nachfahre (Enkel) von William dem Eroberer war. Eigentlich nicht der erste Thronanwärter, jedoch war der Besitz einer Sache im Mittelalter nahezu gleichbedeutend mit dem Anrecht eine Sache besitzen zu dürfen und Stephan war in England - im Gegensatz zu Maud, die in Frankreich residierte.

Zwickmühle für die Herzöge, Grafen und Ritter

Wenn sich zwei, in der Hirarchie ganz oben stehende Personen ums Erbe stritten, kam das für die Übrigen einer Zwickmühle gleich. Es wurde von beiden Seiten der Treueeid gefordert, man musste sich für die eine oder andere Seite entscheiden, Neutralität gab es nicht. Die geschickten Strategen konnten große Gebietszuwächse zu Lasten ihrer Nachbarn erzielen, nur um wenig später alles zu verlieren, nachdem sich die Machtverhältnisse verändert hatten. Unruhige Zeiten jedenfalls für alle Beteiligten.

"Das Banner der Königin" ist ein spannendes Prequel zu Elizabeth Chadwicks "William- Marshal"-Reihe

Später geschrieben als Der Ritter der Königin und Der scharlachrote Löwe, so vollendet der vorliegende Roman die Trilogie aus der Vergangenheit heraus, denn Das Banner der Königin beschreibt die Geschichte von John FitzGilbert, dem Vater des treusten aller Ritter, William Marshal, um den es dann später in den beiden genannten Büchern geht.

Elizabeth Chadwick ist eine von wenigen Autoren, die es versteht, eine Romanstory vor den Augen ihrer Leser entstehen zu lassen und diese fiktive Geschichte perfekt mit dem historisch authentischen Hintergrund zu vereinen. Sehr angenehm empfindet der aufmerksame Leser die Fähigkeit der Autorin, Szenen in deren vollem Umfang widerspiegeln zu können. So sind viele Abschnitte zielführend, was den Fortgang der erzählten Geschichte betrifft, die gleichzeitig aber auch nie die Beschreibung der augenblicklichen Situation, quasi die Staffage eines guten Romans vergisst:

 

 

John zog das geröstete Brot vom Stock. Er hatte selbst schon einige Male mit Mathilda zu tun gehabt, die sich noch immer mit Vorliebe als Kaiserin titulieren ließ, um an ihre erste Ehe mit dem Herrscher des Heiligen Römischen Reiches zu erinnern, der ein geachteter, würdiger Mann gewesen war und nicht nur der Sprössling eines pickeligen Counts und obendrein noch zehn Jahre jünger als sie selbst [...] Ungerührt widmete sich John weiter seinem Brot und dachte bei sich, dass Robert [of Gloucester] nur deshalb so ungehalten war, weil ihm die Vorstellung, selbst nach der Krone Englands zu greifen, im tiefsten Grund seiner Seele behagte - auch wenn er sich dies niemals eingestehen würde.

 

Trotzdem ist der Roman leicht verständlich und zu keiner Zeit schwierig zu lesen. Vielmehr entwickelt sich die Geschichte zu einem Pageturner, von dem man allzu schnell nicht mehr lassen kann.

Die geschilderten Figuren sind vielschichtig und durchleben genauso wie die Leser eine wechselvolle Zeit. So erlebt man beispielsweise König Stephan als geschickten Taktiker, der es zunächst versteht, viele der adeligen Lords an sich zu binden. Kaum, dass man König Stephan als sympathischen Menschen kennengelernt hat, wirft er diese Seite von sich ab und lässt John FitzGilbert als Hauptfigur, angetan von den giftigen Zuflüsterungen seiner Berater, einfach fallen. Dies ist jedoch nur ein Beispiel für die Wandlungsfähigkeit der handelnden Personen.

Das Handwerk eines Marshals

Besonders zu erwähnen ist die Darstellung der Tätigkeit eines Marshals. Die Autorin befasst sich ausführlich mit diesem Beruf und so erhält die Leserschaft einen tiefen Einblick. Trotzdem steht natürlich die Politik und die geschichtlichen Ereignisse des Machtkampfs zwischen Stephan und Mathilda im Mittelpunkt des Romans. Interessant, wie mancher Streit durch eine geschickte Eheverbindung beigelegt werden konnte oder die Loyalität eines Vasallen gefestigt werden konnte - oder auch nicht - indem bzw. obwohl ein Familienmitglied des Vasallen im Hause des Lehnherrs als Geisel zu leben hatte.

Die gute Ausstattung des vorliegenden Romans - umfangreiches Kartenmaterial, ein Stammbaum der Familie Marshal, Anmerkungen der Autorin, ein Verzeichnis ausgewählter Bibliographien, für all jene, die sich weiter mit dem Thema befassen möchten, sowie die Danksagung der Autorin - runden den Roman äußerst gekonnt ab.

Einzig die deutsche Titelwahl des Verlags erschließt sich nicht. Mathilda ging als "Kaiserin" in die Geschichte ein und König Stephan kann wohl kaum als Königin gemeint sein. Seine Frau wiederum findet nur kurze Erwähnung und tritt nicht als handelnde Person auf. Schwamm drüber, wichtig ist der Lesegenuss von annähernd 550 Seiten, die leider einmal mehr viel zu schnell vorüber sind.

 

Das Banner der Königin

Elizabeth Chadwick, Blanvalet

Das Banner der Königin

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