Das Bild des Fabulus

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  • Erschienen: Januar 2009
  • 2
  • , 2009, Titel: 'Das Bild des Fabulus', Originalausgabe
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Dirk Jaehner
251001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2009

Dieses Buch hat zu viele Läuse

Kurzgefasst:

Frühjahr 1525. Während im weit entfernten Rom die Heiligen und Engel auf Michelangelos Fresken vom Gewölbe der Sixtinischen Kapelle herunter gemeinsam mit den Kardinälen auf den wohl ungeheuerlichsten Fund der Kirchengeschichte starren, trifft den jungen Geschichtenerzähler Jan und mit ihm sein ganzes Dorf im Freigericht der unbändige Zorn des gestrengen Zentgrafen. Als seine Heimat in Flammen aufgeht, findet er sich mit seinem Vater auf der Flucht wieder, die ihn inmitten der aufständischen Bauernhaufen nach Aschaffenburg und bis nach Würzburg, Miltenberg und Lohr verschlägt.

Als der Johanniterbruder Heinrich von Sutten Jan aus den Fluten des Mains rettet, gerät der Fabulus unter den unheimlichen Bann dessen lebensgefährlicher Mission: das Vermächtnis des Judas zu schützen. Auf seiner abenteuerlichen Reise lernt Jan so das Leben, die Liebe und den Tod kennen - und beginnt an der Seite des Malers Mathis Grünewald schließlich ein neues Leben...

 

"Verlauste Bande!" So mögen die Aschaffenburger Bürger über die Bauernhorden gedacht haben, die im Zuge der Bauernkriege in den Jahren nach 1520 in die Stadt strömten, um Klöster und Burgen von Priestern und Adligen zu befreien. Thomas Meßenzehl strickt um die aufrüttelnden Ereignisse jener Jahre die Geschichte des Bauernsohns Jan, der, aus seiner Heimat vertrieben, sein Glück in der Fremde suchen muss und dabei in den Sog des Bauernaufstandes gerissen wird. Meßenzehls Erzählung entspricht in gewisser Weise dem Bauernhaufen auf Aschaffenburgs Straßen, denn sein Buch Das Bild des Fabulus hat so viele Rechtschreibfehler wie die Bauern Läuse. Mindestens drei pro Seite, vornehmlich Interpunktionsfehler (zu viele Kommata), hemmen den Lesefluss gewaltig. Doch auch Dinge wie "Reisaus" (falsch!) und "Reißaus" (richtig!) quasi nebeneinander auf einer Doppelseite dürfen nicht passieren. Hinzu kommen falsche Deklinationen bei lateinischen Ausdrücken und viele weitere Rechtschreibfehler jedweder Art. Offenbar hat der Verlag RegioKom nicht in ein Lektorat investiert. Dabei wäre dieses kostengünstiger gewesen als eine wegen zu vieler Fehler eingestampfte Auflage. Die Ausgabe von 14,90 Euro für das Buch kann man Lesern guten Gewissens jedenfalls nicht empfehlen.

Finger weg!

Der Roman besteht grob aus zwei Teilen: im ersten geht es um die Abenteuer von Jan in den Wirren des Bauernaufstandes, im zweiten um sein Leben danach. Dort stehen Schilderungen blutrünstiger Taten neben zu weitläufigen Naturbeschreibungen, lassen kleine Äußerungen erkennen, dass der Autor breite Hintergrundrecherche betrieben hat. Doch wie er sein Wissen an die Leser bringt, ist wenig lesenswert. Die Episode, in der Jan und sein Freund Isidor einen Rehbock wildern, wimmelt vor waidmännischen Fachausdrücken. Warum? In der Folge zu dieser Episode wird der Graf Philipp II. von Hanau-Münzenberg durchaus sympathische Figur eingeführt. Aber er verschwindet so unmittelbar wie er auftauchte. Wozu dann das Ganze? Außerdem tauchen ständig Straßennamen und Redewendungen in Anführungszeichen auf, als wolle der Autor mit erhobenem Finger sagen: Seht her, ich weiß was! Schön für ihn, aber schlecht für den Leser. Weil nämlich Meßenzehl in den meisten Fällen die Erläuterungen der oft malerischen Ausdrücke schuldig bleibt, fühlt sich der Leser wie ein kleines Dummerchen.

Doch nicht nur die A-Note (für die technische Leistung) entwickelt sich unterdurchschnittlich. Auch die künstlerische Leistung (B-Note) bleibt weit unter Durchschnitt, weil Meßenzehl es nicht schafft, seine beiden Handlungsstränge sinnvoll zu vereinen. Da ist Jans Leben, das in die Mühlen des Bauernaufstandes gerät. Das ist generell nicht uninteressant, wenn es stringenter erzählt würde. Und da ist die Geschichte der Judas-Verschwörung, mit der Meßenzehl sein Buch beginnt, die er aber auf Seite 46 für sage und schreibe 150 Seiten verlässt und mit keinem Wort erwähnt - doch nach fast der Hälfte des Buches hat der Leser beinahe vergessen, dass da ja auch noch eine Vatikan-Geschichte der Auflösung harrt. Doch diese Geschichte hinkt sogar auf zwei Füßen. Nicht nur, dass sie kryptisch und wenig konkret eingeführt wird - der Johanniterbruder Heinrich von Sutten entführt gewisse Gebeine, die den Papst und seine Kardinäle sehr erschreckt haben, aus dem Vatikan; dass diese Gebeine die von Judas Ischariot sein sollen, muss der Leser sich zusammenreimen - auch wird sie halbherzig und wenig interessant fort- und zu Ende geführt. Eine sehr ähnliche Idee haben Philipp Vandenberg - in seinem Vatikan-Thriller Sixtinische Verschwörung - und jüngst Dan Brown - in Sakrileg - viel spannender, viel kompakter, viel schlüssiger und nicht zuletzt viel erfolgreicher verarbeitet.

Zufall über Zufall

Wie sich später herausstellt, dienen die Judas-Hinterlassenschaften lediglich dazu, eine körperliche Bedrohung in Gestalt eines Hauptmanns der Schweizer Garde namens Rüggli zu etablieren, die Jans Leben anstelle der inzwischen beendeten Baueraufstände bedrohen soll. Denn sobald Rüggli beseitigt ist, ist die Erzählung beendet. So ist der zweite Teil arg konstruiert. Auf seiner Flucht vor den Landsknechten trifft Jan zufällig Heinrich von Sutten, den Mönch, der die Judas-Gebeine, den sogenannten "Titulus", also die Inschrift über dem Kreuz, und ein Säckchen mit 30 Silbermünzen (!) aus Rom entführt hat. Beide reisen nach Aschaffenburg. Rüggli tötet von Sutten in einer Gaststätte, Jan flieht mit der Kutsche, in der die Judas-Reste versteckt sind, und landet zufällig in der Werkstatt des Malers Mathis Grünewald. Doch was hat der an dieser Stelle der Erzählung zu suchen? Dort trifft er zufällig das Mädchen Lena wieder, das er schon bei seinem ersten Besuch in Aschaffenburg, als er noch mit dem Bauernhaufen unterwegs war, kennen gelernt hat. Deren Vater ist zufällig ein Bader, der sich für menschliche Anatomie interessiert, und deswegen Leichen auf dem Friedhof ausgräbt. Bei einer solchen Aktion spürt Rüggli sie zufällig auf und kommt zufällig durch einen Unfall zu Tode. Nun muss Lenas Vater glücklicherweise keine Schändung an einer beerdigten Leiche begehen, sondern kann sich den gedungenen Mörder unters Skalpell legen. Judas´ Gebeine landen in dem Grab, das Brett mit dem Titulus verschwindet in einem Altarbild des Malers Grünewald aus der Öffentlichkeit und die Silbermünzen waren sowieso gefälscht. Viele, zu viele Zufälle. Am Ende passt zwar alles zusammen, das Problem des Judas ist gelöst, Jan hat eine Existenz und die Liebe seines Lebens gefunden und Ende gut, alles gut. Aber nur, weil es über jede Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit verbogen wird.

Eine schlampige Beta-Version

Bessert sich der Eindruck von A- und B-Note im zweiten Teil ein wenig, wird er jedoch im Anhang wieder zunichte gemacht. Zwar hat Meßenzehl dankenswerterweise zahlreiche Informationen zum besseren Verständnis zusammengestellt: ein Wort- und Begriffsregister, eine Erläuterung der erwähnten Grünewald-Gemälde, eine Zusammenfassung der biblischen Judas-Geschichte. Doch hier fällt Meßenzehl wieder in die rhetorische und orthografische Schlampigkeit des Beginns der Erzählung. Man gewinnt den Eindruck, der Verlag habe eine Beta-Version veröffentlicht, um Reaktionen zu testen und später noch Korrekturen anzubringen. Nun gut, hier ist die Reaktion: Nacharbeiten und Aufräumen auf allen literarischen Baustellen - Erzählung, Sprache, Rechtschreibung.
Schade, denn eigentlich will man Jans Geschichte durchaus erfahren. Man will dieses Buch nur nicht zur Hand nehmen.

Das Bild des Fabulus

Thomas Meßenzehl, -

Das Bild des Fabulus

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