Störtebekers Henker

  • Emons
  • Erschienen: Januar 2009
  • 2
  • Emons, 2009, Titel: 'Störtebekers Henker: Ritter, Mönch und Henker', Originalausgabe
Störtebekers Henker
Störtebekers Henker
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Annette Gloser
901001

Histo-Couch Rezension vonAug 2009

Schuld und Sühne in Hamburg

Kurzgefasst:

Hamburg im Jahr 1400. Gegen den Willen der alten Patrizier haben die Englandkaufleute eine Flotte ausgesandt und den Seeräuber Klaus Störtebeker gefangen. Richard von Hardin, entsprungener Bruder des Deutschen Ordens, kommt Geseke Cletzen, graue Eminenz der Englandfahrer, da grade recht. Abgerissen und pleite, bleibt dem Ritter kaum etwas übrig, als ihr Angebot anzunehmen und Störtebeker gegen gutes Geld zu richten. Seine Henkersdienste kosten ihn allerdings Ehre und Selbstachtung. Doch als er seine Verzweiflung in Aqua Vitae ertränken will, trifft er auf eine heilkundige Begine, deren Klugheit und Witz ihn wieder ins Leben zurückholen und mit deren Hilfe der "Ritter und Henker" eine große Intrige aufdeckt.

 

Man schreibt das Jahr 1400 in der Freien und Hansestadt Hamburg, als die Nachricht von der Gefangennahme Klaus Störtebeckers die Runde macht. Simon von Utrecht, der große Held, hat die Vitalienbrüder aufgebracht und kehrt nun mit den Gefangenen nach Hamburg zurück. Groß ist die Freude, vor allen bei den Englandfahrern unter den Kaufleuten. Aber nicht alle Bürger der Stadt jubeln. Die Likedeeler haben auch Freunde in der Stadt. Und während die Seeräuber in der Fronerey der Befragung unterzogen werden, rumort es unterschwellig in der Stadt, machen Geschichten über den Armenfreund Störtebeker die Runde, werden reiche Bürger bedroht. Und wo ist eigentlich Störtebeckers Schatz? Der wurde auf dem Schiff nicht gefunden.

Geseke Clingspor, angesehene und tatkräftige Ehefrau eine Ratsmannes und Sproß einer aufstrebenden Englandfahrerfamilie, spürt die Unruhe in der Stadt. Während ihr Ehemann lieber die Nächte mit der Magd Janne verbringt und sich nicht für Politik interessiert, will Geseke die Interessen ihrer Familie schützen. Sie weiß, dass die gefangenen Seeräuber nur hingerichtet werden können, wenn sie ein Geständnis ablegen. Und die Hinrichtung sollte schnell erfolgen, denn solange die Gefangenen im Verlies der Fronerey einsitzen, wird es in der Stadt nicht aufhören zu gären und zu brodeln. Und auch der alte Hamburger Henker wird mit der Hinrichtung von siebzig Seeräubern überfordert sein, denn es ist harte körperliche Arbeit, so vielen den Menschen den Kopf abzuschlagen, und der Henker ist schon recht tatterig. Eine Fehlrichtung würde das Volk noch weit mehr aufbringen.

Welch ein Glück, dass ihr da Richard von Harding über den Weg läuft, entflohener Deutschordensritter, bettelarm, aber schnell und zielgenau mit dem Schwert. Richard, von Gewissensbissen über frühere Taten in Litauen gequält, lässt sich auf das Angebot ein. Aber er weiß nicht, dass die Vitalienbrüder im Kerker eisern geschwiegen haben. Keiner hat ein Geständnis abgelegt. Erst als auf den Rat der schlauen Geseke hin auch der Schiffsjunge Bandix der Tortur unterzogen wird, gesteht dieser und das Urteil wird über alle Gefangenen gesprochen. Sie werden hingerichtet, nur Bandix wird verschont, denn er ist noch ein Kind. Außer Gefahr ist er damit jedoch nicht, denn es gibt Menschen, die den Jungen entführen wollen. Die von Gewissensbissen geplagte Geseke vertraut den Jungen der Obhut Richards an, der Bandix in ein Kloster bringt. Doch auch hier ist das Kind nicht sicher.

Gesekes Freundin Elisabeth, Begine und Heilerin, kämpft in der Zwischenzeit in Hamburg um das Leben des erfolgreichen Schiffsführers Niclas Schoke. Jemand versucht, ihn mit Quecksilber zu vergiften. Elisabeth weiß, dass es in Hamburg noch eine andere Kräuterfrau geben muß, eine, die ihre Kräuter nicht nur zum Wohl ihrer Patienten einsetzt und die auch vor Gift nicht zurück schreckt. Als Elisabeth von Schoke der Zauberei und des Mordversuchs bezichtigt wird, wird sie verhaftet und in die Fronerey gebracht. Sie hat nur eine Hoffnung: Richard, der neue Fron von Hamburg, könnte ihr helfen. Aber da sind so viele Fragen: Wer versucht, Niclas Schoke zu vergiften? Wie konnten die Seeräuber so lange der Befragung widerstehen? Welche Rolle spielt Simon von Utrecht in diesem Spiel? Wer hatte es auf Bandix abgesehen? Und wo ist Störtebeckers Schatz?

Ein farbenfrohes Gemisch

Wohl jeder kennt die Sagen um Klaus Störtebeker, zum Teil schon zu seinen Lebzeiten in Umlauf gebracht und oft entstanden aus der Sehnsucht armer Menschen nach Hilfe in ihrer bitteren Not. Störtebekers Henker bietet weitaus mehr als romantisierende Geschichtchen um einen Seefahrer- Robin Hood. Was Silke Urbanski da entstehen lässt, ist spätes Mittelalter vom Feinsten. Sie bevölkert ihren Roman zum großen Teil mit Protagonisten, die tatsächlich zur damaligen Zeit in Hamburg lebten und webt um die geheimnisvolle Gestalt des Henkers Rosenfeld, der in der Tat die Hinrichtung der Likedeeler vollzog, eine spannende Geschichte.

Aber in diesem Buch geht es nicht nur um einen ausgebüxten Ritter, der durch Zufall und Naivität zum Henker Störtebeckers wurde. Die Autorin zeigt ein kompliziertes politisches Gefüge, in welchem sie ihre Protagonistin Geseke Clingspor mit viel Elan und anfänglich wenig Gewissen agieren lässt. So bietet die Gefangennahme Störtebeckers zwar den Einstieg in die Geschichte, daraus entstehen jedoch vielfältige Fäden, die immer wieder mit sicherer Hand zu Geseke, ihrer Freundin Elisabeth und zu Richard zurück geführt werden. Dabei schöpft Sabine Urbanski aus dem Vollen und zieht das ganze Register der spannungsfördernden Zutaten für einen historischen Roman. Gleich zwei Liebespaare ringen mit ihren Gefühlen, eine hübsche junge Frau leidet unter ihrem Gatten, ein Kind ist bedroht, ein Schatz verschwunden, Giftmischerei und Heilkünste treten gegeneinander an.

Das alles ist eingebettet in eine sehr lebendige Schilderung des mittelalterlichen Hamburg und der Leser spürt deutlich, wie genau die Autorin hier recherchiert hat. Selbstverständlich hat sie keine Dokumentation geschrieben, dazu hat sie offenbar viel zu viel Spaß am Geschichtenerzählen. Aber sie hat die Lebensläufe der historische belegten Personen sehr genau verfolgt und sie nur durch einige wenige fiktive Protagonisten ergänzt. So entsteht ein farbenfrohes Gemisch und mit ihm ein sehr lebendiges Bild von Ort, Zeit und Menschen, garniert mit einem durchaus spannenden Kriminalfall.

Nichts Besseres als eine gute Frau

Unter der Feder von Silke Urbanski entstehen realistische Charaktere, weitab von süßlicher Schönfärberei. Insbesondere Geseke Clingspor hat anfänglich eine Menge unsympathische Charakterzüge. Und auch die brave Begine Elisabeth kann störrisch und zickig daher kommen. Richard von Harding gar verlässt die Deutschordensritter voller Schuld und mit blutigen Händen. Vornehme Ratsherren entpuppen sich als menschlich unzureichend, brave Ehemänner entwickeln eine Vorliebe für gewaltsamen Sex, ein Viehdieb wird zum romantischen Liebhaber... Die Autorin hat offenbar ein Gespür für charakterliche Schwächen, lässt ihren Figuren jedoch die Chance, sich zu ändern und zu entwickeln. Abseits vom Gerangel um Politik und Gold bietet diese Facette des Romans zusätzliche Spannung und macht das Weiterlesen reizvoll.

Mit Elisabeth und Geseke wurde zwei starke Charaktere etabliert, jede auf ihre Art eine ganz besondere Frau. Während Elisabeth jedoch bei den Beginen ihr Lebensglück gefunden zu haben glaubt, sich in Güte und Verzeihen übt, hat die Politikerin Geseke eine Menge Ecken und Kanten, die ihr jedoch zum Teil selbst schwer auf der Seele lasten. Spätestens bei ihrer Flucht aus dem ehelichen Schlafzimmer hat sie die Leser auf ihrer Seite. Ähnlich sieht es bei den Männern aus. Den Damen wurden zwei Herren gegenüber gestellt, die beide keine weiße Weste haben, die sich aber durch ihre Ehrlichkeit, ihre Reue und ihren Kampf um das Glück die Sympathien der Leser verdienen.

Spannende Lektüre

Dieses Buch hat es in sich. Nicht nur eine fesselnde Geschichte, sondern auch ein interessantes Nachwort der Autorin und ein unbedingt lesenswertes Glossar hat der Emons-Verlag zwischen die Seiten gepackt. Das ist nicht nur lobenswert, das erhöht auch den Spaß beim Lesen, weil man nicht immer zum Computer rennen und zum Teil fragwürdige Auskünfte in Anspruch nehmen muß, wenn man mal was nicht weiß. Man kann einfach hinten nachsehen. Oder vorne, denn da findet sich eine hilfreiche Karte. Dazu ein Personenverzeichnis in dem real existierende Personen und fiktive Charaktere schön ordentlich gekennzeichnet sind.

Ansonsten ist dies ein Buch für alle Lebenslagen. Hat man einmal angefangen, kann man sich kaum davon trennen und ärgert sich über jede Unterbrechung im Lesefluß. Und wurde die letzte Seite gelesen, so weiß man, dass man sich den Nachfolgeband unbedingt zulegen muß.

Störtebekers Henker

Silke Urbanski, Emons

Störtebekers Henker

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