Michelangelo - Der Zorn des Schöpfers

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  • Erschienen: Januar 2008
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  • , 2008, Titel: 'Michelangelo - Der Zorn des Schöpfers', Originalausgabe
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Dirk Jaehner
931001

Histo-Couch Rezension vonJun 2009

Ein Michelangelo-zentrisches Weltbild - groß!

Kurzgefasst:

Beschrieben werden die Lebensjahre, in der Michelangelo seine Hauptwerke schuf: die Decke der Sixtinischen Kapelle, den Moses, die Medici-Kapelle. Dem politischen Kampf um die Freiheit von Florenz kann sich auch Michelangelo nicht entziehen. Als Festungsbaumeister kämpft er auf der Seite der Republik und ist gleichzeitig als Künstler für die Medici tätig, welche die Stadt zu einem Herzogtum umformen möchten.

 

Es ist durchaus eine Diskussion darüber zulässig, ob sich der Verlag edition mbr mit dem Design dieses Buches einen Gefallen getan hat. Der Einband ist in einem Grün gehalten, das eher naturwissenschaftlichen Fachbüchern zueigen ist. Und der nicht unerhebliche Umfang von 680 Seiten lädt schon gar nicht zum Zugreifen im Buchhandel ein. Doch bei nur wenig anderen Büchern stehen Aussehen und Inhalt sich so entgegen wie bei Michael Peterys Biografie-Roman „Michelangelo - Der Zorn des Schöpfers". Das Buch enthält den zweiten und den dritten Teil einer Michelangelo-Trilogie. Und anders als bei vielen historischen Romanen üblich, begnügt sich Petery nicht mit der ausgeschmückten Schilderung tatsächlich geschehener Ereignisse. Petery schreibt stattdessen große Oper. Er nimmt die Leser mit auf eine Reise in den Geist eines Künstlers. Er schaut nicht über seine Schulter, um für den Leser den Blick des Künstlers zu simulieren. Er sitzt vielmehr in Michelangelos Hirn und Herz, er macht die Leser zu Teilhabern an seinen Gedankengängen, an seinem Gefühlsleben, an seinen künstlerischen Prozessen.

Dass das nicht auf Dauer langweilig wird, ist den wohldosierten Schilderungen von realen Ereignissen zu danken. Immer dann, wenn die Wanderungen durch des Künstlers Geist zu ermüdend zu werden drohen, peppt Petery die Erzählung mit Begebenheiten außerhalb Michelangelos auf. Und ist nahezu sofort wieder zurück, um seine Reaktion zu schildern. Mehr und mehr lernt man die Denkweise eines Künstlers kennen, warum er etwas so und nicht anders machte. Die Zweifel, die Michelangelo befielen und antrieben, ihn, den Bildhauer, der plötzlich die Sixtinische Kapelle ausmalen soll.

Malen! Dieses Mammutkapitel in Michelangelos Leben nimmt den kompletten zweiten Band der Trilogie ein. Hautnah ist der Leser dabei, wenn Michelangelo mit dem Papst wegen des Auftrags, des Geldes, der Motive streitet. Wie Michelangelo gegen eigene Widerstände die Arbeit beginnt, wie er Fortschritte erzielt und Rückschläge erleidet, wie er an seinen Qualitäten zweifelt. Und wie er bei der Eröffnung der ersten Hälfte der ausgemalten Kapelle für die Öffentlichkeit Erfolg und Anerkennung erzielt. Dank der penibel emotionalen Schilderung des Entstehungsprozesses kann der Leser an dieser Stelle Michelangelos aufgewühlte Emotionen nachempfinden. Ein großer Moment. Aber das Genie kommt nicht zur Ruhe.

Krieg, Freundschaft und der Petersdom

Im dritten Teil, „Grabeskunst und Größe", wird der Leser Zeuge von Michelangelos weiteren Kunstwerken und den Versuchen, der Politik nicht in die Quere zu kommen. Florenz (Michelangelos Heimatstadt) und Rom steuern auf einen Krieg zu, und Michelangelo soll auf der Seite seiner Heimat aktiv werden. Also wird er Festungsbaumeister - obwohl er von Festungsbau ebenso wenig versteht wie von Malerei. Doch auch aus diesem Auftrag geht er gestärkt hervor, auch wenn der Krieg zwischen Florenz und Rom - eigentlich Florenz und dem Papst - der Papst für sich entscheidet.

Michelangelo kommt in Kontakt mit der Marchesa Vittoria Colonna, die zu einer Freundin wird. An ihr reibt sich sein Intellekt, in ihr erkennt er eine Art Gleichgesinnte, mit ihr kann er seine künstlerischen Gedanken diskutieren. Doch die Marchesa hat ein offenes Ohr für reformatorische Gedanken, und so entkommt er nur knapp den inquisitorischen Nachstellungen. Und doch hält diese Freundschaft bis zum Tod der Contessa, freilich bleibt sie rein platonisch. Ebenso wie die zu Tommaso di Cavaglieri. Der junge Mann wird Michelangelo von einem seiner Schüler vorgestellt, und in ihm entdeckt Michelangelo etwas, das all die anderen Schüler um ihn herum nicht haben. Diese Freundschaft hält bis an Michelangelos Lebensende.

Zuvor baut er jedoch die Grabkapelle der Medici und muss mit ansehen, wie ihm das Werk aus den Händen gerissen und verändert wird, als er Florenz den Rücken kehrt, um wieder in Rom zu arbeiten. Er schafft einen Prunkplatz in Rom, weil er sich das Rom zurücksehnt, das auf der kulturellen und geistigen Größe des Römischen Reiches gestanden hat. Er soll am Grab für den verstorbenen Papst Iulius (den Auftraggeber der Sixtinischen Decke) weiterarbeiten, doch von den hochfliegenden Plänen, die beide noch zu Lebzeiten des Papstes machten, bleibt am Ende nicht mehr viel.

Und ganz am Schluss, wenige Jahre vor seinem Tod, erhält er von Papst Paul III. endlich den Auftrag, den er sich schon so lange ersehnt hat: Er darf endlich den Petersdom weiterbauen, ein Projekt, das er aus der Nähe und aus der Ferne immer verfolgt hatte. Sein größter Konkurrent Bramante und dessen Nachfolger Sangallo hatten sich verrannt - so denkt Michelangelo, und so argumentiert er gegen die Baukommission, den Bauleiter und gegen alle Nachfolgepäpste: Iulius III. Paul IV. und Pius IV. Alle bestätigen Michelangelos Pläne und so drückt er dem Monumentalbau und der Monumentalbaustelle seinen Stempel auf und bringt, wie schon früher, alle gegen sich auf. Trotzdem gelingt der Umbau, auch im unfertigen Zustand ist für jeden erkennbar, dass Michelangelos Pläne - die er zum Ärger für alle Bauarbeiter nicht aufzeichnet - endlich dem Gotteshaus jene Bedeutung geben, die dem Zentralbau des Christentums entspricht.

Im letzten Jahr seines Lebens muss Michelangelo miterleben, wie der Maler Daniele da Volterra beauftragt wird, die nackten Leiber im „Jüngsten Gericht" mit gemalten Tüchern zu bedecken. Er verbrennt seine Skizzen und will nur Vollständiges für die Nachwelt hinterlassen. Als er stirbt und in Florenz in Santa Croce zu Grabe getragen wird, bezeugen ihm die Menschen das, wofür er sein ganzen Leben gekämpft und nie erhalten geglaubt hat: künstlerische Anerkennung.

Die Welt dreht sich um Michelangelo

Wieviel Spekulation hinter Peterys Schilderungen steckt, lässt sich nur schwer einschätzen. Manch künstlerischer Gedankengang Michelangelos liest sich wie die Bildinterpretation eines Kunsthistorikers. Aber eigentlich spielt das keine Rolle. Petery schreibt mit soviel Selbstverständlichkeit, dass sogar etwaige historische Ungenauigkeiten nicht ins Gewicht fallen: Man glaubt ihm einfach. Das unterscheidet diesen Roman von so vielen historischen Romanen über eine einzige Person: Michelangelo steht nicht nur im Mittelpunkt, durch die konsequent subjektive Beschreibung dreht sich die Welt um ihn, und die Leser werden Zeuge. Ein großes Buch.

Michelangelo - Der Zorn des Schöpfers

Michael Petery, -

Michelangelo - Der Zorn des Schöpfers

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