Bis ans Ende der Meere

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • Diogenes, 2009, Titel: 'Bis ans Ende der Meere', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
951001

Histo-Couch Rezension vonMai 2009

Weisse Götter oder Überbringer des Todes?

Kurzgefasst:

Im Juni 1776 schifft sich der junge Zeichner John Webber in Plymouth (England) zur dritten Weltumsegelung auf dem Dreimaster 'Resolution' ein. Kapitän ist James Cook. Webber quartiert sich in der Kajüte ein, in der Georg Forster auf Cooks zweiter Weltumsegelung Tagebuch führte. Webber wird zum Vertrauten von Captain Cook, stirbt beinahe und begegnet seiner großen Liebe. Vier Jahre später kommt Webber zurück, gezeichnet von den Strapazen der Reise. Die Sehnsucht nach der Südsee wird ihn nie mehr loslassen. Captain Cook, der aufgebrochen war, um die Nordwestpassage durchs arktische Eis zu finden, kehrt nicht heim. Was war geschehen

 

Für den jungen Maler John Webber war es die erste Begegnung mit einer unbekannten Welt, für Captain James Cook seine letzte: Die beiden Männer waren an Bord der "Resolution" die 1776 zur Weltumsegelung aufbrach. Und sie wurden zu Vertrauten. John Webber, der den Auftrag hatte, die Reise in Bildern festzuhalten, erlebte die Macht und Ohnmacht des Captains und durfte dies dennoch nicht in Bildern festhalten. Denn England wollte weiterhin an den strahlenden Helden Captain Cook glauben. So wurde vertuscht, was das Bild hätte trüben können. Davon, aber noch viel mehr von der Reise in exotische Welten erzählt der Roman Bis ans Ende der Meere von Lukas Hartmann.

Verschiedene Ebenen

Der Autor nutzt, um die Geschichte dramaturgisch ins richtige Licht zu rücken, verschiedene Erzählebenen. Einerseits lässt er den von der Reise zurück gekehrten John Webber in London agieren, andererseits führt er eine Art Tagebuch über die Reise selber. Obwohl die unterschiedlichen Ebenen nicht nur zeitliche Unterschiede aufweisen, sondern auch zwischen einem unerfahrenen, etwas gehemmten jungen Mann und einem durch die Erlebnisse gereiften Maler hin und her pendelt, ergibt die Erzählweise ein stimmiges Bild, welches die Leser an der Reise auf eine äusserst plastische Art und Weise teilhaben lässt. Durch den geschickten Aufbau wird der Spannungsbogen gut gehalten und es kommt nur ganz vereinzelt zu Längen.

Keine Angst vor Problemen

Es ist nicht die nahezu verklärte Darstellung des grossartigen Entdeckers James Cook, wie sie aus einigen anderen Romanen bekannt ist, die hier zum Tragen kommt. Vielmehr hat Lukas Hartmann das Portrait eines in sich zerrissenen Mannes geschaffen, das zwar durch die Augen des Malers betrachtet wird, aber weder retouchiert noch verschwommen-unscharf erscheint. Ohne Angst vor Kritik nähert sich der Autor den brisanten Fragen der Reise an, legt den Finger auf die Wunden und macht einen in vielen Bereichen dunklen Fleck in der Geschichte der Entdeckungen deutlich. Es sind nicht die mancherorts mit Staunen begrüssten "Weissen Götter", die per Schiff bei den "Wilden" einfallen, es sind Überbringer von Krankheit und Tod. Denn die Zivilisation hält für die Menschen der Südseeinseln vor allem Geschlechts- und andere Krankheiten bereit. Schnörkellos schildert der Autor die Zusammenhänge zwischen Besuch der englischen Weltumsegler und Epidemien, Elend und Hilflosigkeit. Lukas Hartmann begegnet der Problematik mit dem nötigen Respekt und verleiht ihr gerade dadurch Tiefe und Nachdrücklichkeit.

Feiner Federstrich

Als hätte der Maler John Webber seinen feinsten Pinsel ausgepackt, um die Charaktere zu skizzieren, nähert sich Autor Lukas Hartmann den Figuren mit besonderer Empathie an. Er versteht es meisterlich, die verschiedenen Eigenheiten seiner Protagonisten heraus zu arbeiten, verzichtet auf plumpe Einteilungen in Gut und Böse, sondern webt mit vielen feinsten Fäden ein überzeugendes Bild. Die Freuden, Sehnsüchte und Überzeugungen kommen dabei ebenso zum Ausdruck, wie Resignation, Angst und Verzweiflung. Die Menschen leiden unter den Strapazen der Reise, und genau dadurch werden sie für den Leser erfassbar und menschlich. Der Autor verzichtet auch darauf, mit dem heutigen Wissen um die fatalen Handlungen der damaligen Entdecker deren Tun zu kritisieren. Mit dem Aufzeigen der Zusammenhänge legt Hartmann die Sache mit einer gewissen Distanz dar und lässt die Leser sich selber ein Bild machen.

Stimmige Sprache

Dass Bis ans Ende der Meere nicht der erste Roman aus der Feder von Lukas Hartmann ist, lässt sich gut erkennen. Die Sprache wird als stilistisches Mittel eingesetzt, ist aber leicht lesbar. So kommt der Roman um die dritte und letzte Weltumsegelung von Captain James Cook als spannende Lektüre daher, in die man sich mühelos fallen lassen kann.

Bis ans Ende der Meere ist zwar das, was man einen typischen "Männer-Roman" nennt, doch dürfte er auch das weibliche Publikum ansprechen. Allerdings sucht man in diesem Roman das klassische Histo-Schema vergebens, wer also eine rührende Liebesgeschichte und eine starke Heldin sucht, wird von Lukas Hartmanns Bis ans Ende der Meere wohl eher enttäuscht sein.

 

Bis ans Ende der Meere

Lukas Hartmann, Diogenes

Bis ans Ende der Meere

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