Allein aus Gnade

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  • Erschienen: Januar 2008
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  • , 2008, Titel: 'Allein aus Gnade. Ein historischer Wittenberg-Krimi', Originalausgabe
Allein aus Gnade
Allein aus Gnade
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Birgit Stöckel
921001

Histo-Couch Rezension vonDez 2008

Ein mitreißendes Werk über die Wirren der Reformation

Kurzgefasst:

Wittenberg 1521. In der blühenden Renaissance-Stadt brodeln Gift und Feuer: Gerüchte gehen, der streitbare Reformator Martin Luther sei nach dem Reichstag zu Worms ermordet worden. Die Lutheranerin Elisabeth, Witwe des reichen Tuchhändlers Eckhard, will die Bluttat aufklären. Behilflich sind ihr dabei der Philosophiedozent Markus und der jüdische Malergeselle David. Während sie nach Luthers Mördern suchen, verwandeln Horden seiner Anhänger und Gegner die Stadt in ein Pulverfass. Bis in einer Dezembernacht ein Fremder auftaucht und sich seinen Freunden zu erkennen gibt: Es ist Luther, der zu seinem Schutz auf die Wartburg verbracht wurde, wo er die Bibel übersetzt. Elisabeths Bruder Konrad wird mit der Verbreitung einer Schrift betraut. Anderntags ist er tot...

 

Es ist das Jahr 1521. Martin Luther lässt vor den Toren Wittenbergs die päpstliche Bulle und einige Schriften der katholischen Kirche öffentlich verbrennen. Kurze Zeit später muss er sich deswegen und wegen seiner Lehren vor dem Reichstag in Worms verantworten. Als er von dort nicht zurückkehrt, verbreiten sich stattdessen in Wittenberg Gerüchte über seinen gewaltsamen Tod und entfesseln einen Sturm, der alles in einem Strudel aus Gewalt und Blut mit sich zu reißen droht.
Inmitten dieser Wirren und Umbrüchen stehen sich die junge Lutheranerin Elisabeth und der Augustinermönch Thomas, ihr ehemaliger Verlobter, gegenüber. Thomas hat sich nach seiner gescheiterten Beziehung mit Elisabeth ins Kloster geflüchtet und fürchtet nun um diese sichere Zuflucht. Elisabeth, die sich wie ihr Mann und ihr Bruder den Lehren Luthers angeschlossen hat, macht sich Sorgen, ihr ehemaliger Geliebter könne in die brutalen Geschehnisse, die Wittenberg und ihre Familie erschüttern, verwickelt sein.

Der Glaube als zentrales Thema

Naturgemäß ist der Glaube der Dreh- und Angelpunkt in diesem Roman. Es geht nicht nur um die Unterschiede zwischen dem "alten" und dem "neuen" Glauben und die voranschreitende Spaltung der Kirche, sondern auch um die unterschiedlichen Auslegungen der Lehren Luthers und den wieder aufflammenden Hass auf die Juden.
Die Reformer sind untereinander uneins: Während die einen eine langsame Wandlung, herbeigeführt durch Worte, befürworten, verlangen die anderen nach einem gewaltsamen Umsturz, der auch mit Tod und Gewalt einhergehen darf. Viele Fragen werden dabei aufgeworfen: Wie viele Menschenleben darf die Reformation fordern und darf sie das überhaupt? Heiligt der Zweck tatsächlich jedes Mittel? Ist wirklich alles erlaubt um ein "höheres Gut" durchzusetzen? Ist der Mensch an sich nicht wichtiger als seine Religion?
Die Antworten darauf darf jeder Leser für sich finden, ebenso wie es die unterschiedlichen Figuren in diesem Buch tun, denn die Autorin verzichtet gekonnt darauf, Partei für eine Seite zu ergreifen. Dadurch wirkt der Roman an keiner Stelle belehrend und auch Luther und die Reformation werden nicht in alles überstrahlenden Farben gezeichnet, sondern zeigen sich ebenso von ihrer Kehrseite.

Keine Gutmenschen

Auch wenn sich sicherlich manche Leute in den damaligen Zeiten einen Helden in strahlender Rüstung gewünscht hätten, der beherzt eingreift und wieder Ruhe und Ordnung herstellt, so sucht man solche Personen in dieser Geschichte vergebens. Neben der wunderbaren Sprache ist die Figurenzeichnung in allen Werken der Autorin das herausragende Merkmal, das den Leser in den Bann zieht. Die Charaktere werden mit allen ihren Stärken und Schwächen dargestellt, ohne dass dabei auf Schwarz-Weiß-Malerei zurückgegriffen werden muss.
Elisabeth ist ein von Natur aus unsicherer Mensch, der sich vor vielen Dingen fürchtet und vor wichtigen Entscheidungen oft zögert, aus Angst, das Falsche zu tun. Thomas würde sich lieber in seinem Orden verkriechen, er hat mit der Welt eigentlich abgeschlossen und ist voller Bitterkeit. Doch die Geschehnisse zwingen beide, sich verschiedenen Herausforderungen zu stellen, an ihre Grenzen zu gehen und teilweise über sich selbst hinauszuwachsen, um ihren Glauben, ihre Liebe und ihre Freunde zu schützen und ihnen zu helfen. Dabei sind ihre Beweggründe und Handlungen immer nachvollziehbar und gut durchdacht.
Gelungen ist auch, den beiden Protagonisten nicht nur fiktive Begleitfiguren an die Seite zu stellen, sondern auch reale Personen dieser Zeit mit einzuflechten. So trifft der Leser neben Martin Luther unter anderem auf Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen und Lucas Cranach den Älteren. Auch hier wird auf Glorifizierung verzichtet, diese Menschen sind eben auch nur Menschen, die versuchen, in diesen Zeiten zurechtzukommen und ihre Visionen und Vorstellungen durchzusetzen.

Der Kriminalfall spielt eher eine untergeordnete Rolle

Anders als der Klappentext vermuten lässt, geht es nicht hauptsächlich um den Kriminalfall. Elisabeth sucht auch nicht fieberhaft nach Luthers vermeintlichen Mördern, sondern versucht in erster Linie ihre Bedenken auszuräumen, ihr Geliebter Thomas könnte etwas damit zu tun haben, was sich aber als nicht allzu leicht herausstellt. Erst als ein Mord in ihrer Familie sie unmittelbar selber betrifft, bringt sie den Mut auf, einige weitere Nachforschungen anzustellen. So gewinnt der Kriminalfall erst in der zweiten Hälfte an Bedeutung und nimmt erst ziemlich zum Schluss eine wirklich zentrale Rolle ein. Doch trotzdem ist auch dieser Teil gelungen, die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten und die Auflösung ist überraschend und gekonnt in Szene gesetzt. Doch wer auf einen reinen Krimi in historischer Umgebung hofft, wird sich in dieser Hinsicht enttäuscht sehen.

Mit ihrem Buch ist Lilli Klausen alias Charlotte Lyne ein weiteres, meisterhaftes historisches Werk gelungen, das das hohe Niveau seiner Vorgänger locker hält und wieder einmal beweist, dass ein historischer Roman beileibe keine strahlende Helden, Superfrauen oder kitschige Liebesgeschichten braucht, um eine bewegende und spannende Geschichte zu erzählen.

 

Allein aus Gnade

Lilli Klausen, -

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