Der Heiler

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  • Erschienen: Januar 2006
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  • , 2006, Titel: 'Der Heiler', Originalausgabe
Der Heiler
Der Heiler
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Carsten Jaehner
701001

Histo-Couch Rezension vonAug 2008

Leben im mittelalterlichen Friesland

Kurzgefasst:

Von seiner Familie enttäuscht und ohne Zukunftsperspektive, tritt Enno im Jahr 1409 ins Kloster der Zisterzienser in Ihlow ein, wo er sich einen großen Namen als Heiler macht. Der Mönch aus Verlegenheit übertritt alle Gebote. Anstatt an Gott zu glauben, vertraut er allein seinen eigenen Fähigkeiten. Doch erst als er Tetta, der Schwester des Häuptlings Ocko II. tom Brok begegnet, beginnt Enno zu begreifen, worin der Sinn seines Daseins liegt.

 

Der Friesenjunge Enno tritt 1409 in das Zisterzienserkloster in Ihlow ein, nachdem sein Vater gestorben ist und sein älterer Bruder den Hof übernommen hat. Als auch dessen Frau schwanger wurde, auf die auch Enno ein kleines Auge geworfen hatte, sieht er zu Hause keine Zukunft mehr und geht fort. Im Kloster lernt er viel Sprachen und auch die Kunst des Heilens, zum einen von Bruder Paul, zum anderen aus Büchern, die Bruder Paul eher verschmäht. So geschieht es, dass Enno eines Tages das Amt des Medikus im Kloster übernimmt.

Seine Heilkünste sprechen sich schnell herum, und bald kommen Kranke von nah und fern, um sich bei ihm Hilfe zu holen. Unter ihnen ist auch der Häuptling Ocko II. tom Brock, der Enno schließlich als Leibarzt mit auf seine Reisen nimmt. Enno verliebt sich in dessen Schwester Tetta, die sich ebenso in ihn verliebt. Ennos bisheriges Leben und Streben geraten durch diese Begegnungen gehörig ins Wanken.

Ein nicht immer sympathischer Hauptdarsteller

Die friesische Autorin Insa Segebade beschreibt in ihrem ersten historischen Roman eine Zeit in einer Gegend, die bestimmt ist von Fischerei, Häuptlingsclans und der Geistlichkeit und in der es dabei doch recht träge und trocken zugeht. Enno, der Held des Buches und Ich-Erzähler, ist in all seinem Tun stets auf sich fixiert und strebt mehr nach dem Vorwärtskommen, als nach dem Sinn seines Verhaltens. Dies macht ihn als Protagonisten nicht immer sympathisch, auch wenn man seine Gedankengänge kennt und sein Handeln so dennoch nachvollziehen kann. Das absichtliche Herausdrängen des Klostermedikus aus seinem Amt, damit er es übernehmen kann, ist nur ein Beispiel dafür.

Das sorgt allerdings auch dafür, dass man als Leser mit Enno nicht recht warm werden kann. So bleibt zwischen ihm und allen anderen Personen immer eine gewisse Distanz, die sich nie ganz verwischen lässt, und durch die Erzählweise sieht man seine traurige Perspektive sehr deutlich. Viele Dinge, die um ihn herum geschehen, wie historische Ereignisse von Bedeutung, schildert er aus großer zeitlicher Distanz, allerdings helfen sie dabei, das Leben einzuordnen. Überhaupt sind die Beschreibungen der Zeit und der Orte gut geraten und holen den Leser in die bittere Zeit des mittelalterlichen Frieslands. Das ist interessant, zumal diese Gegend ja doch eine gewisse Exotik birgt.

Es fehlt das letzte bisschen

Dass der Roman letztlich doch einen irgendwie unbefriedigenden Eindruck hinterlässt, mag an der distanzierten Lebensweise des Ich-Erzählers liegen, aber auch daran, dass manche Ereignisse nicht genügend ausgereizt werden. Mit dem Pfund "Störtebeker" aus dem Beginn des Romans hätte gerne mehr gewuchert werden können, auch wenn das Motiv gegen Ende wieder auftaucht. Da hat man es allerdings schon fast vergessen.

Störend wirken letztlich auch unnötige Fehler wie der Kommentar, jemand rieche nach Vanille. Vielleicht stimmt das ja, aber es wurde noch nicht Vanille genannt, der Vanille kam erst hundert Jahre später nach Europa, also liegt hier ein grober Fehler. Und ob es die großen literarischen Wekr wie Boccaccios Decamerone in so kurzer Zeit nach Erscheinen bis nach Friesland geschafft haben, ist, wenn schon nicht unmöglich, so doch zumindest fraglich.

Seine Freundschaft zu Häuptling Ocko lässt ihn dann auch den einen Fehler nicht begehen, den man ihm eigentlich wünschen würde. Auf dem Buchcover steht "Meine größte Sünde war, in einem Fall nicht gesündigt zu haben", und darauf läuft das ganze Buch hinaus. Er hat eine Liebe vor sich, und er ergibt sich ihr doch nicht. Er war ihr so nah, und doch so fern. Er war es sich selbst, der Heimat und allen anderen Personen auch. Das erinnert an die Geschichten von Peer Gynt oder Candide, wenngleich Ennos Leben nicht immer so ziellos verlief.

Es bleibt ein Geschichte an einem interessanten Ort in einer spannenden Zeit mit gut eingefangener Atmosphäre, der aber zwischendurch immer wieder mal das positive fehlt, das den Leser gerne befriedigt. Immerhin gibt es doch so etwas wie ein befriedigendes Ende, aber das hätte man auch alles einfacher haben können.

 

Der Heiler

Insa Segebade, -

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