Die Tochter der Venezianerin
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2007
- 4
- Lübbe, 2007, Titel: 'Die Tochter der Venezianerin', Originalausgabe
Verheißungsvolles Thema mit schwacher Umsetzung
Kurzgefasst:
Man schreibt das Jahr 1830. Seit zwanzig Jahren leitet die charismatische Venezianerin Silvana erfolgreich und mit strenger Hand die Gewürzdynastie der Hamburger Familie Iserbrook. Nach dem frühen tragischen Tod ihres Mannes heiratete sie dessen Bruder Robert, um in ihrem Leben Ordnung und in ihrem Herzen Ruhe zu schaffen.
Robert liebt seine Frau. Doch kann er sich nicht ganz dem Reiz eines abenteuerlichen Lebens entziehen. Erst als sein Versuch scheitert, den Handel in Venedig zu kontrollieren, kehrt er reumütig zurück und widmet sich ganz dem heimischen Geschäft. So kann sich Silvana, von den Aromen der Gewürze und dem Duft von Blüten inspiriert, dem Aufbau einer Parfümherstellung widmen, um auch in dem aufkommenden Geschäft erfolgreich zu sein.
Nun soll ihre zwanzigjährige Tochter Theresa in das Familienunternehmen einsteigen und es in der nächsten Generation weiterführen. Doch die leidenschaftliche junge Frau verliebt sich in ihren Stiefvater und zieht daraufhin überstürzt nach Lübeck, um eine Familientragödie zu vermeiden.
Eines Tages taucht zur großen Freude der Familie Lukas, der verschollen geglaubte Sohn Silvanas, wieder in Hamburg auf. Er wurde zehn Jahre zuvor in den Orient verschleppt und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen als Sklave gehalten. Nur mit Hilfe eines arabischen Medicus gelang dem mittlerweile herangewachsenen Mann schließlich die abenteuerliche Flucht quer durch Europa bis in die Heimatstadt. An seiner Seite tritt die junge Omanin Alinia auf, die aus Liebe zu Lukas ihre strenggläubige Familie verlassen hat.
Hier, Tausende Meilen vom Oman entfernt, wiegen sich die beiden endlich in Sicherheit. Noch ahnen sie und die Familie Iserbrook nichts von den Racheplänen der Brüder Alinias. Als auch Theresa wieder nach Hamburg zurückkehrt, nimmt das Schicksal der Familie eine unerwartete und tragische Wende...
Die Geschichte einer Familie, die vom Gewürzhandel lebt: Welch Versprechen liegt in diesem Thema. Wer aber "Die Tochter der Venezianerin" mit der Vorfreude auf einen würzigen, historischen Roman zur Hand nimmt, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Fortsetzung von "Die Venezianerin" bleibt fade und wird im Verlaufe der Geschichte gar zäh und unbekömmlich. War schon der erste Band um die Gewürzhändler-Dynastie Iserbrook bestenfalls Durchschnitt, so vermag der zweite Band weder sprachlich noch durch den Verlauf der Geschichte zu überzeugen.
Unerfüllte Liebe
In einer farblosen und stellenweise fast schwülstigen Liebes-Roman-Sprache schildert Christa Kanitz, wie es mit der Familie Iserbrook weitergegangen ist, nachdem sich die Venezianerin und der eigentliche Erbe der Dynastie, Robert, nicht nur gegenseitig schätzen sondern auch lieben gelernt haben. Sie setzt ein paar Jahre nach der Heirat der beiden wieder ein, um gleich mit einem Desaster zu beginnen: So schmachtet die mittlerweile zwanzigjährige Theresa voller unerfüllter Liebe nach ihrem erfolgreichen, gütigen Stiefvater Robert. Doch weder Robert noch Silvana merken etwas von Theresas verzweifelter Liebe, sie sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Denn Robert will nach über zehn Jahren endlich der Sache nachgehen, wieso der einst so erfolgreiche Handel mit Weihrauch über die Niederlassung in Venedig stockt. Silvana ihrerseits kann den Plänen ihres Mannes wenig abgewinnen. Seit ihr ältester Sohn Lukas auf ein Schiff entführt wurde, traut sie dem Seeweg nicht mehr und will nicht noch weitere Mitglieder der Familie verlieren.
Ständiger Wandel
Am Herrengraben in Hamburg, dem Sitz der Dynastie Iserbrook, gibt man sich derweil die Klinke in die Hand. Robert fährt nach Venedig, Theresa flüchtet in Arbeit und will in der ebenfalls nicht mehr erfolgreichen Niederlassung Lübeck nach dem Rechen sehen, da taucht unvermittelt der verschollene Lukas wieder auf. Mit ihm seine hochschwangere Frau Alinia, einer Osmanin, die aus einer Weihrauch anbauenden Familie stammt. Und hier beginnen die Ungenauigkeiten in der Geschichte ärgerlich zu werden. Steht Alinia bei der Ankunft in Hamburg noch knapp vor der Niederkunft (höchstens ein Monat, wie Lukas seiner Mutter versichert), ist sie ein paar Tage später doch noch nicht soweit und Lukas kann mit der Hälfte des Familienvermögens nach Lübeck fahren. Aus der sanftmütigen und dienenden Alinia wird unversehens eine gehässige und verwöhnte Egoistin und in Lübeck verwandelt sich die selbstbewusste Theresa plötzlich in ein hilfloses Geschöpf, das sich ganz in die Hände des charmanten Polizeichefs gibt. Auch Robert ist nicht der, für den seine Familie ihn die letzten 14 Jahre gehalten hat. Und mehr als einmal stehen die Iserbrooks am Abgrund, können aber dann doch ihren gewohnten luxuriösen Lebensstil weiterführen.
Soap in Buchform
Christa Kanitz hat bei "Die Tochter der Venezianerin" auf ein gängiges Schema zurück gegriffen. Allerdings ist dieses eher in den landläufig bekannten Soaps im Fernsehen anzutreffen: Eine Geschichte, die thematisch an der Oberfläche schwimmt und dadurch lebt, in immer neuen kleinen Dramas die handelnden Figuren zu beuteln. Und genau wie in den Soaps treten auch bei Christa Kanitz Protagonisten kurzzeitig ins Spiel, um auf dramatische Weise wieder abzutauchen, sich dann allenfalls nach einiger Zeit wieder effektvoll in die Geschichte einzubringen oder ganz in Vergessenheit zu geraten. Und so wirkt jede dramatische Wendung und Verschlechterung in "Die Tochter der Venezianerin" nur noch ermüdend und nervig.
Thema wird nicht vertieft
Während die Vorgänge rund um die Familie Iserbrook in allen Farben geschildert werden, wird das eigentliche historische Thema, der Gewürzhandel, nicht vertieft. Es bleibt bei den schon aus dem ersten Band bekannten Schilderungen, die aber stets nur als Beigemüse und nicht als Hauptmahlzeit serviert werden. Wer mehr über die Welt der Gewürze erfahren möchte, wird gut daran tun, auf andere Werke auszuweichen.
"Die Tochter der Venezianerin" ist wirklich nur jenen Leserinnen und Lesern zu empfehlen, die ohne ihre tägliche Soap im Fernsehen nicht sein möchten und die sich diese Art Geschichte in Buchform holen möchten. Alle anderen tun gut daran, diese Familiensaga im Regal liegen zu lassen.
Christa Kanitz, Lübbe
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