Die zwölfte Nacht

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2008
  • 19
  • Blanvalet, 2008, Titel: 'Die zwölfte Nacht', Originalausgabe
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Volker Faßnacht
981001

Histo-Couch Rezension vonMai 2008

Ein Meisterwerk!

Kurzgefasst:

Die letzte Gemahlin von Heinrich dem VIII. ...

In den Wirren der Reformation in England kämpft eine starke junge Frau um Glück, Freiheit und die Liebe ihres Lebens!

England im 16. Jahrhundert. Die junge Catherine Parr hat zwei Herzenswünsche: Sie will eines Tages ein Buch schreiben - ein für eine Frau undenkbares Vorhaben! Und sie will Tom Seymour, ihren Freund aus Kindertagen, heiraten. Doch alles kommt ganz anders: Am Hof Heinrichs des VIII. geraten Catherine und ihr Liebster in den Strudel einer stürmischen Zeit. Freie Geister leben gefährlich in dieser Ära dramatischen Wandels, und so muss Catherine mit Klugheit und Geschick darum kämpfen, sich und Tom vor Kerker und Fallbeil zu bewahren...

 

Heinrich VIII. - ein genusssüchtiger Lebemann und Choleriker. „Geschieden, geköpft, gestorben, geschieden, geköpft, überlebt" heißt übersetzungsgemäß ein alter englischer Abzählreim, der seine sechs Ehen umschreibt. Die Autorin beleuchtet in einem der Handlungsstränge das Leben dieses einzigartigen glänzenden, aber auch grausamen Königs. Sie erklärt, warum er ganze Weltanschauungen und Staatsordnungen umkehrte, ohne dabei auf die möglichen Risiken durch die ihn umgebenden Reiche zu achten00. Seine Entscheidungen gehorchten nur einem Willen - seinem eigenen!

Charlotte Lyne setzt ihre Leserschaft zu Beginn am eigentlichen Ende ihrer knapp 40 Jahre umfassenden Erzählung aus. So erfährt man zunächst, wie die Geschichte ausgehen wird, nicht jedoch, wie es letztendlich so weit kommen konnte. Dies bleibt dem folgenden gut 600 Seiten umfassenden Roman vorbehalten, dessen Geschichte von Kate Suffolk in zwölf Kapiteln ihrem Patenkind erzählt wird.

Eine neue Kirche für das englische Königreich

Ein Umstand, der den Kritikern an der römisch-katholischen Kirche in England sehr entgegen kam, war, dass Heinrich VIII. unbedingt von seiner ersten Königin Catalina von Aragon geschieden werden wollte, weil sie ihm keinen Erben zur Welt bringen konnte. Der Papst wollte dieses Risiko - immerhin ein Affront gegen jegliche seiner anderen Verbündeten - nicht eingehen. Die Reformer in England taten dies jedoch gegen entsprechende Zusagen für eine eigene, neue anglikanische Kirche nur allzu gerne.

Da der König aber nicht aus Überzeugung diese neue Kirche in England gründete, sie für ihn stattdessen nur Mittel zum Zweck war, glich dieses Arrangement für die Reformer geradezu einem Pulverfass.

Catherine Parr und Thomas Seymour -
ein tolles Liebespaar

Sie wissen schon als Kinder, dass sie einander einmal heiraten werden, weil sie einfach füreinander bestimmt sind. Allerdings stellen sich Standesunterschiede und das Leben am königlichen Hof als schier unbezwingbare Hindernisse dar. Aber es gibt immer wieder die Zwölfte Nacht, eine Feier zum Ende der Weihnachtszeit, wenn die Heiligen Drei Könige Einzug halten und wo Vieles möglich ist. Und ein Versprechen besteht: „Unser Tag wird kommen".

Eine Geschichte zwischen Wohlfühl-Momenten
und eiskaltem Schauern

Drei Spuren - die Politik von Heinrich VIII., die Entstehung der anglikanischen Kirche und die Liebesbeziehung zwischen Catherine und Tom - werden von Charlotte Lyne in einzigartiger Weise nachgezeichnet und absolut stimmig verflochten - dank 20-jähriger Recherchearbeit. Die Sprache der Autorin ist pompös, blumig und verspielt, geradezu poetisch an manchen Stellen, wenn es die Situation unterstützt, aber auch brillant sachlich auf den Punkt gebracht, um die schwierigeren Sachverhalte der Historie der Leserschaft nahe zu bringen. Manche Textstellen wirken, als hätte die Autorin jedes einzelne Wort sorgsam abgewogen und gleich eines Blumenarrangements kunstvoll aufs Papier drapiert.

 

„Wie ein massiges Tier, ein Fabelwesen mit zahllosen Köpfen, bäumte die Menge sich auf. [...] , der Männerrücken vor ihr erwies sich als unüberwindliches Hindernis. Das Graubraun seiner Kutte verschwamm in Tränen der Enttäuschung."

Kindlich genial und einfach liebenswert naiv sind Textstellen, an denen Charlotte Lyne die Erklärungen der Erwachsenenwelt von Kindern nachplappern lässt. Durchaus auch Textstellen, die einen schlimmen Sachverhalt doch sehr geschmeidig erklären und die man dann gerne auch mehrmals liest:

 

„Hinrichtung, so hatte Guy, der Sohn des Stallmeisters, erklärt, ist, wenn sie einen vom Leben, dessen er nicht wert ist, einem gewaltigen, grausamen Tod zuführen. Da graust es einem Christenmenschen, und im Grausen reinigt es ihn."

Ihr gelingt es auch, nahezu vier Jahrzehnte ohne Längen oder größere Zeitsprünge darzustellen. Die Figuren sind allesamt lebensnah und liebenswert gezeichnet, egal ob sie nun gut oder böse waren oder auch einen Sinneswandel durchliefen. Charlotte Lyne gelingt es, auch das überzeugend darzustellen und zu erklären, warum es so sein musste.

Wenn man anfangs als nicht so erfahrener Leser der englischen Geschichte noch Probleme mit den vielen gleichlautenden Namen der Protagonisten hat, so legt sich das doch ziemlich schnell, weil es einfach gelingt, vollkommen in die Welt des englischen Hofes in der Renaissance des 16. Jahrhunderts einzutauchen.

Es gibt wohl nur wenige Romane, die solch ein großes Lesevergnügen wecken können und an Dramatik ständig zunehmen. Viele Geschehnisse des Romans sind sehr nahe an der überlieferten Geschichte dran und die wenigen dichterischen Freiheiten sind durchweg plausibel, so dass sie sich gut einfügen. Ein schöner Roman in schöner Aufmachung, denn verpackt sind die zwölf Kapitel in einem zwölf-strophigen alten englischen Weihnachtslied. Auch ein Glossar der verwendeten Begriffe, ein Personenverzeichnis, ein sehr ergreifendes Nachwort der Autorin und eine Danksagung gehören zur Ausstattung.

Ein gelungener Roman, wie auch die Leser der Histo-Couch bei der Wahl des besten historischen Romans 2008 schon festgestellt haben: „Die zwölfte Nacht" gewann den Titel.

Und schließlich findet sich der Leser auch damit ab, dass die Geschichte ihren tragischen, jedoch unausweichlichen Abschluss findet muss.

Die zwölfte Nacht

Charlotte Lyne, Blanvalet

Die zwölfte Nacht

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